25.01.2005

Irak: Folter as usual

US-Menschenrechtsorganisation klagt an

Nach den Folter-Skandalen um US-amerikanische Truppen im Irak, die ab April 2004 durch Recherchen des US-Journalisten Seymour Hersh1 und die Veröffentlichung privater Folter-Fotos aus dem Gefängnis Abu Ghraib an die Öffentlichkeit gelangten, und den Gerichtsverfahren gegen britische Soldaten2, die wegen ähnlicher Delikte angeklagt wurden, werden nun auch Meldungen bestätigt, daß durch irakische Sicherheitskräfte systematisch gefoltert wird.

Die renommierte US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) veröffentlichte am heutigen Dienstag einen Untersuchungs- bericht laut dem auch in Gefängnissen unter dem Kommando irakischer Sicherheitskräfte "routinemäßig gefoltert" werde. Folter scheine in irakischen Gefängnissen demnach gängige Praxis zu sein, sagte Sarah Leah Whitson, Nahost-Direktorin der Organisation. Den Irakern sei nach dem Sturz Saddam Husseins "etwas Besseres versprochen worden", fügte sie hinzu.

Human Rights Watch (HRW) berichtet von "systematischen willkürlichen Festnahmen" und weitverbreiteten Foltermethoden, die alle aus der Zeit des von 1979 bis 2003 den Irak regierenden und von den USA installierten Diktators Saddam Hussein bekannt sind: Schläge mit Elektrokabeln, Gartenschläuchen und Eisenstangen, Aufhängen an auf den Rücken gefesselten Händen, Elektroschocks an Genitalien und Ohrläppchen, Vorenthalten von Nahrung und Wasser, tagelanges Einsperren in vollgestopfte Zellen ohne Platz zum Sitzen oder Liegen. In mehreren Fällen habe die Folter zu permanenten körperlichen Behinderungen der Opfer geführt.

Dem Bericht zufolge hatten weder die US-Regierung noch die britische Führung auf die Vorwürfe reagiert, obwohl sie bereits im letzten Jahr von der Organisation informiert worden seien. Auch die jetzige, von der US-Militärverwaltung eingesetzte irakische Marionetten-Regierung habe nichts an der Praxis geändert. HRW beschuldigt den irakischen "Ministerpräsidenten" Allawi, Folter nicht nur zu dulden, sondern bewußt einzusetzen.

Besonders hebt die US-Menschenrechtsorganisation HRW hervor, daß die irakischen Sicherheitskräfte von amerikanischen Beratern ausgebildet worden sind. Diese Berater "stellen sich blind, wenn es um Folter geht", sagt die Organisation.

Der "Menschenrechts"-Minister der irakischen Marionetten-Regierung Bachtiar Amin erklärte zu den Vorwürfen von HRW gegenüber Nachrichtenagenturen, es gebe Übergriffe, aber sie seien weniger ernst als geschildert, und ein Erbe der von Saddam Hussein hinterlassenen Mentalität der Sicherheitskräfte. Eine zusätzliche Erklärung ergebe sich aus der Zusammensetzung der Sicherheitskräfte. Viele Iraker sähen in ihnen den Abschaum der Gesellschaft - wer sich dort bewirbt, der tut das trotz geringer Löhne, Gefahr für das eigene Leben und die Sicherheit seiner Familie und gesellschaftlicher Ächtung als Kollaborateure, die mit der Besatzungsmacht zusammenarbeiten. Kurzum, es seien oft Männer in verzweifelter Lage, denen keine andere Möglichkeit zum Broterwerb offenstehe.

Vorwürfe richtet HRW auch gegen den Geheimdienst der irakischen Marionetten-Regierung. Wiederholt hätte dieser die Rechte politischer Gegner mißachtet. Leute seien willkürlich festgenommen und unzulässig lange ohne Gerichtsverfahren in Untersuchungshaft gehalten worden. Zudem seien die besonderen Schutzrechte von Kindern und Jugendlichen mißachtet worden.

Viele Iraker klagen über das Benehmen besonders der irakischen "Nationalgarde" etwa an Checkpoints, wo willkürliche Gewalt und Diebstahl an der Tagesordnung seien. Wenig brauchbar scheinen die irakischen Sicherheitskräfte auch im Kampf gegen Widerstands- gruppen, da sie häufig fliehen oder desertieren. Am heutigen Dienstag kamen bei heftigen Gefechten zwischen Sicherheitskräften und "Rebellen" in Bagdad mindestens elf Polizisten ums Leben. Vier starben bei Feuergefechten, nachdem sie auf "Rebellen" schossen, die auf offener Straße Flugblätter gegen die Parlamentswahlen am 30. Januar verteilt hatten. Sieben weitere kamen in einem Hinterhalt ums Leben. Auch sechs US-Soldaten starben gestern, fünf von ihnen, als ihr Bradley-Schützenpanzer in einen Kanal fiel. Am 30. Januar sollen im Irak die ersten "freien und demokratischen" Wahlen nach den Jahren der Diktatur Saddam Husseins stattfinden, obwohl sich zahlreiche politische Organisationen, die in der irakischen Bevölkerung breiten Rückhalt genießen, gegen eine Scheinwahl unter US-amerikanischer Besatzung erklärt haben.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel

      USA bereiten Krieg gegen den Iran vor
      Pulitzer-Preisträger Hersh enthüllt geheime US-Aktionen
      US-Bomben auf iranische Atom-Anlagen? (17.01.05)

2 Siehe auch unseren Artikel

      "Operation Ali Baba"
      Auch britisches Militär folterte im Irak (19.01.05)

 

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