Ettenheim
Seit beinahe zehn Jahren leben die drei Geschwister kurdischer Abstammung in Ettenheim. Die heute 21-jährige junge
Frau und ihre beiden 11 und 15 Jahre alten Brüder kamen im September 1993 nach Deutschland und wurden bei
Familienangehörigen in Ettenheim untergebracht. Ein noch im selben Monat gestellter Antrag auf Asyl wurde fünf
Jahre darauf, 1998, abgewiesen - die Kinder mußten jedoch als Minderjährige entsprechend der Genfer Konvention
von den Behörden "geduldet" werden.
Doch die Behörden gaben keine Ruhe und investierten Geld und Zeit. Tatsächlich wurde nun anscheinend
gerichtsverwertbares Material gefunden, das dem Regierungspräsidium Freiburg einen Vorwand liefert, die
drei jungen Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung herauszureißen und in die Türkei abschieben zu können.
Laut Aussage des Pressensprechers des Regierungspräsidiums Albert Schelb, hätten Ermittlungen in der Türkei
ergeben, daß der Vater der Drei nicht - wie im Asylantrag vor 10 Jahren angegeben - im Gefängnis sei. Zudem
wurde auch über die Presse die Behauptung verbreitet, die Mutter der drei Geschwister sei - ebenfalls entgegen
den Angaben des Asylantrags - nicht vor, sondern erst "10 Tage nachdem die Kinder ihren Asylantrag gestellt"
hätten gestorben.
Nun ist jedoch allgemein bekannt, daß Kurden in der Türkei kaum jemals Entlassungspapiere erhalten, wenn sie
denn aus den Gefängnissen freikamen, in denen sie nicht selten ohne Gerichtsverfahren festgehalten worden waren.
Und über den Todeszeitpunkt der Mutter liegen - wie der 'Asylkreis Ettenheim' bestätigt - Dokumente vor, die den
Wahrheitsgehalt des Asylantrags von 1993 beweisen. Völlig absurd erscheint die Argumentation des
Regierungspräsidiums zumal, wenn das damalige Alter der Kinder betrachtet wird: Ein Jahr, fünf Jahre und elf
Jahre waren die Kinder zum Zeitpunkt als "ihr" Asylantrag gestellt wurde, aus dem ihnen nunmehr ein Strick
gedreht werden soll.
Von Seiten des Regierungspräsidiums wird argumentiert, den Dreien sei "zuzumuten", künftig bei ihrem
biologischen Vater, der ihnen inzwischen ein völlig Unbekannter sein muß, zu leben. Daß sie mit Schule,
Ausbildung, Freundeskreis in Ettenheim integriert seien, stünde dem "nicht entgegen". SchülerInnen der
Ettenheimer Schulen haben bereits zusammen mit dem 'Asylkreis Ettenheim' eine Petition an den
Landtag verfaßt, dem mit einer gleichzeitig vorbereiteten Unterschriftensammlung Nachdruck verliehen werden soll.
Vielen wird angesichts des skandalösen Vorgehens des Regierungspräsidiums bewußt, welche Auswirkungen
es hat, daß das aus der Erfahrung der Vertreibung durch die Nazis ins Grundgesetz hineingeschriebene
Asylrecht von der Kohl-Regierung mit Zustimmung der SPD im Mai 1993 zerstört1 wurde. Auch Ettenheims
Bürgermeister Bruno Metz bezeichnet die angedrohte Abschiebung immerhin als "schwierig".
Klaus Schramm
Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel:
Sind sie darauf stolz, Herr Schily?