Eine Initiative von mehr als 70 Frauen aus Wissenschaft, Gesellschaft, Kultur und Politik hat sich dagegen ausgesprochen,
neue Gesetze gegen kopftuchtragende Lehrerinnen zu schaffen, nachdem
Baden-Württemberg mit einem Kopftuchverbot vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist. (Siehe auch
unseren Kommentar Zwang zur Kopftuch-Freiheit? v. 17.07.03)
Die Initiative argumentiert vorrangig damit, daß ein Kopftuchverbot der Integration abträglich sei. Am gestrigen Montag
gingen die Frauen bei der Minerva am Brandenburger Tor in die Öffentlichkeit. Marieluise Beck, die Integrationsbeauftragte
der Bundesregierung, die ehemalige Ministerin und Bundestagsabgeordnete Sabine Leuheusser- Schnarrenberger, die
Schauspielerin Renan Demirkan und Barbara John, die pensionierte Ausländerbeauftragte Berlins waren darunter.
Zum Kreis gehören auch die frühere Ministerin Irmgard Schwaetzer, die Schauspielerin Katja Riemann, die
Gewerkschafterin Margret Mönig-Raane, die Ex-Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth und die Chefin der
Stasiunterlagenbehörde, Marianne Birthler. Nicht zufällig war die Statue der römischen Göttin als Treffpunkt
gewählt worden, denn diese galt seinerzeit nicht nur als weise, sondern auch als Patin der Leherinnen und
Lehrer - und aktueller Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen ist ja der Fall der Lehrerin Fereshta Ludin,
die wegen ihres Kopftuchs Berufsverbot erhalten hatte und dagegen bis vors Bundesverfassungsgericht gezogen war.
Der springende Punkt ist, daß - wie schon zu den Zeiten der noch von Willy Brandt mitverantworteten Berufsverbote - kein
Blick in den Kopf der Menschen möglich ist. Und ebensowenig können die Gedanken kopftuchloser islamischer Männer
gelesen werden, die sich nicht an Hand vermeintlich eindeutiger Symbolik in die Schubladen "islamistisch" oder
"reformistisch" einsortieren lassen. Da hilft dann letztlich wieder nur Verfassungsschutz und Gesinnungsschnüffelei.
Die Initiatorinnen argumentieren zudem, ein Kopftuch-Verbot spiele den extremen Islamisten in die Hände. Denn
diese warteten nur darauf, ein solches propagandistisch als Unterdrückung des Islam auszuschlachten. Dennoch
verläuft die öffentliche Diskussion vielfach in den Spuren gängiger Stereotype. So kritisiert der Türkische Bund Berlin
die Initiative im Handumdrehn, das Kopftuch sei ein Instrument der Unterdrückung. Wenn auch kein Instrument,
so ist das Kopftuch durchaus ein Symbol der Unterdrückung und wird auch von vielen muslimischen Frauen so
interpretiert. Doch wie weit die Türkei seit den Zeiten Kemal Atatürks mit dem Verbot des Kopftuchs gekommen
ist und ob dieses an der Situation der Frauen tatsächlich etwas verbessert, läßt sich gerade am Beispiel der Türkei
recht gut studieren.
Adriana Ascoli