17.03.2001

Kommentar

Zu den aufgedeckten Lügen
der "rot-grünen" Regierung
vor und während des Kosovo-Kriegs

Eine Sendung der ARD am 8.02. (siehe Artikel hierzu) durchbrach die Schweigemauer. Was bis dahin nur einer Minderheit gut informierter Menschen bekannt war und von ARD-Redakteueren vor Ort im Kosovo nochmals genau recherchiert wurde, ist nun - auch durch den 'stern', der kurz darauf nachzog - einer breiten Öffentlichkeit zugänglich: Gleich mehrfach und wissentlich hat die deutsche Bundesregierung unter den Schlagworten "humanitäre Katastrophe" und "zweites Auschwitz" das Volk belogen. Doch dies ist nicht einmal das Schlimmste:

Wir erleben heute den größten Skandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Bundeswehr, die laut Grundgesetz eine reine Verteidigungsarmee sein soll, wird zu einer Angriffstruppe umgebaut. Wozu das dienen soll, wurde 1992 im Entwurf zu den Verteidigungspolitischen Richtlinien klar benannt. Aufgabe der Bundeswehr sei unter anderem, den Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt zu sichern, hieß es dort. 1999 wurde dann völkerrechtswidrig Jugoslawien und das Kosovo bombadiert. Mit einem ungeheuren Propaganda-Aufwand wurde dies der hiesigen Bevölkerung als "humanitärer Einsatz" verkauft. Mittlerweile wurde aufgedeckt, dass dabei systematisch gelogen wurde.

Bereits die Formulierung in den verteidigungspolitischen Richtlinien, die später wieder gestrichen wurden, war ein offener Bruch mit dem gesellschaftlichen Konsens, der bis dahin seit 45 geherrscht hatte: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. Wo waren die Demokraten und einigermaßen friedlich gesonnenen Menschen, die sich lautstark darüber aufregten?

Es kam Protest, aber er kam alles andere als massenhaft. Doch selbst dieser leise Protest reichte aus: Das mit der Sicherung von Märkten und Rohstoffen wurde wieder rausgestrichen. Sicher nicht deshalb, weil irgend jemand seine Meinung geändert hätte oder weil der "Druck der Straße" es erzwungen hätte!

Als dann der Jugoslawien-Krieg ("Kosovo-Krieg") kam, haben selbst viele ansonsten kluge und kritische Leute einfach nicht begriffen, dass das gar nichts anderes sein kann als die Umsetzung der neuen Militärpolitik. Viele haben geglaubt, es sei nun aus Humanität notwendig, in den Krieg zu ziehen. Hätte es damals bei der Sache mit den verteidigungs- politischen Richtlinien den nötigen Aufschrei gegeben, dann wären die Propagandalügen sicher seltener geglaubt worden.

Wenn sie beim Angriff auf Jugoslawien nicht gesagt hätten, es sei humanitär, dann hätte es hier wohl doch einiges an Randale gegeben. Wenn sich im Nachhinein rausstellt, dass es nicht so war, und das von der Bevölkerung hingenommen wird, dann geben wir unser Einverständnis dazu, dass "unsere Jungs" in Zukunft über andere Länder herfallen, wie es der deutschen Regierung grade passt. Wenn wir hinnehmen, dass ein Kernstück des Grundgesetzes wie das Verbot von Angriffskriegen einfach zum belanglosen Fetzen Papier gemacht wird, wird das mit jedem Teil dieses Gesetzes passieren können und vielleicht mit diesem Gesetz als Ganzes. Wenn wir schweigend hinnehmen, dass in dieser Frage gelogen worden ist - welches Unrecht wird dann zu groß sein und welche Lüge zu schlimm?

Die in der Sendung "Am Anfang war die Lüge" (ARD-Sendung v.8.02.) öffentlich gewordenen Lügen und Manipulationen müssen Konsequenzen haben. Die Wahrheit muss zunächst einmal auf den Tisch: Wer hat gelogen, welche Interessen stecken dahinter? Und was wollen wir für die Zukunft?

Neue Nato-Strategie und Umrüstung auf Angriffs- fähigkeit
wird dieses Jahr bundesweites Thema der Ostermärsche sein. Die Zeit bis dahin können wir nutzen, um unsere Forderungen zu diskutieren. Mein Vorschlag dazu:

  • sofortiger Rücktritt der Minister Scharping und Fischer und des Bundeskanzlers Schröder.

  • Einrichtung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses. Unabhängig heißt, dass darin nur Leute sitzen sollten, die diese Kriegspolitik nicht mitgetragen haben und die in keinem Abhängig- keitsverhältnis zu den Parteien stehen, die diese Politik mitgetragen oder vorbereitet haben (z.B. durch die Verteidigungspolitischen Richtlinien oder die Einrichtung von Schnellen Eingreiftruppen).

  • Aufhebung der Immunität aller Politiker, die an der Verbreitung dieser Lügen und an der Vorbereitung und Durchführung des Angriffskrieges beteiligt waren.

  • sofortigen Rückzug aller deutschen Truppen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

  • sofortige Auflösung aller Interventionstruppen und die Vernichtung aller Angriffswaffen.

  • Austritt aus der Nato.

  • Umwidmung des Wehretats in einen Etat für zivile Verteidigung, damit die Bevölkerung sich selbst gegen Angriffe zu wehren lernt. Die Verteidigung darf nicht länger in den Händen einer Regierung liegen, die uns belügt, um Angriffskriege führen zu können. Sie sollte von der Bevölkerung in die eigene Hand genommen werden und auf dem grundgesetzlich verankerten Widerstandsrecht beruhen.

Da es anscheinend keine große und bundesweit organisierte Friedensbewegung mehr gibt, sind die Ostermärsche die einzige Gelegenheit, aus der weitgehenden Isolation rauszukommen und zu zeigen, dass es uns reicht! Neue Nato-Strategie und Umrüstung auf Angriffsfähigkeit wird dieses Jahr bundesweites Thema der Ostermärsche sein. Der Ostermarsch ist dieses Jahr nicht „das übliche Familien- treffen“, sondern er hat eine politische Bedeutung, die er mindestens seit der Wiederbewaffnung, wenn nicht sogar seit Bestehen der Bundesrepublik, nicht mehr hatte. Bei der Wiederbewaffnung ging es "nur" darum, ob dieses Land wieder eine Armee haben sollte oder nicht. Jetzt geht es darum, ob dieses Land wieder Angriffskriege führen darf!

Es ist keine Selbstverständlichkeit, andere Länder zu überfallen, wenn einem die dortigen Verhältnisse nicht passen. Man darf darüber nicht allein auf der Ebene diskutieren, ob die Verhältnisse in diesen Ländern "wirklich schlimm" sind oder nicht. Im übrigen muss man sich einmal anschauen, wie viele diktatorische Regimes von den USA und auch von der Bundesregierung unterstützt wurden und werden. Immer wieder in die Kritik geraten ist z.B. die Lieferung deutscher Panzer an die Türkei. Die türkische Regierung hat einen langen, grausamen Krieg gegen die kurdische Zivil- bevölkerung geführt. Massaker gab es dabei genug. Aber auch die nichtkurdische Opposition des Landes wird mit der Brutalität eines Militärregimes verfolgt. Die türkische Regierung schreckt dabei nicht einmal davor zurück, regelrecht militärische Überfälle auf Gefängnisse zu starten, wo sich politische Gefangene im Hungerstreik gegen die Folter befinden. Wer ein solches Regime auch noch durch Waffenlieferungen unterstützt, ist als Hüter der Menschen- rechte vollkommen unglaubwürdig!

Nach amtlicher bundesdeutscher Statistik wurden 1999 mehr als doppelt so viele Kriegswaffen in alle Welt geliefert wie 1998 (1998: Waffen im Wert von 1,338 Milliarden, 1999: im Wert von 2,844 Milliarden). Wichtigste Empfängerländer waren Israel und die Türkei. Die Bundesregierung muss sich die Frage gefallen lassen, welche Form von "Krisenintervention" das denn nun darstellen soll?

Die Forderung nach Abschaffung der Bundeswehr ist angesichts der jüngsten Entwicklung und angesichts der geschichtlichen Erfahrungen keine rein pazifististische Forderung mehr. Eine Regierung, die sich dafür rüstet, an zwei Fronten gleichzeitig, und zwar in anderen Ländern, Krieg zu führen, und die dazu offen und ungestraft die Verfassung des Landes bricht, sollte von der Bevölkerung vorsichtshalber entwaffnet werden. Wer die Frage “Die Russen kommen zur Tür rein, vergewaltigen die Oma, schießen auf die Kinder, Sie haben zufällig ein Maschinengewehr in der Hand, was tun Sie?” unbedingt mit “Schießen!” beantworten möchte, kann sich zur Not ein Maschinengewehr unter´s Bett legen. Falls die Russen kommen. Oder die Deutschen. Das ist immer noch vernünftiger, als diese Art von “Spielzeug” in den Händen dieser Regierung zu belassen.

 

Maike Varenkamp

 

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