Eine Sendung der ARD am 8.02. (siehe Artikel hierzu)
durchbrach die Schweigemauer. Was bis dahin nur
einer Minderheit gut informierter Menschen bekannt war und von ARD-Redakteueren vor
Ort im Kosovo nochmals genau recherchiert wurde, ist nun - auch durch den 'stern', der kurz
darauf nachzog - einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich: Gleich mehrfach und wissentlich hat die deutsche Bundesregierung unter
den Schlagworten "humanitäre Katastrophe" und "zweites Auschwitz" das Volk
belogen. Doch dies ist nicht einmal das Schlimmste:
Wir erleben heute den größten Skandal der deutschen
Nachkriegsgeschichte. Die Bundeswehr, die laut Grundgesetz eine reine
Verteidigungsarmee sein soll, wird zu einer Angriffstruppe umgebaut.
Wozu das dienen soll, wurde 1992 im Entwurf zu den
Verteidigungspolitischen Richtlinien klar benannt. Aufgabe der
Bundeswehr sei unter anderem, den Zugang zu Märkten und Rohstoffen in
aller Welt zu sichern, hieß es dort. 1999 wurde dann völkerrechtswidrig
Jugoslawien und das Kosovo bombadiert. Mit einem ungeheuren Propaganda-Aufwand wurde
dies der hiesigen Bevölkerung als "humanitärer Einsatz" verkauft.
Mittlerweile wurde aufgedeckt, dass dabei systematisch gelogen wurde.
Bereits die Formulierung in den verteidigungspolitischen Richtlinien,
die später wieder gestrichen wurden, war ein offener Bruch mit dem
gesellschaftlichen Konsens, der bis dahin seit 45 geherrscht hatte: Von
deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. Wo waren die Demokraten
und einigermaßen friedlich gesonnenen Menschen, die sich lautstark
darüber aufregten?
Es kam Protest, aber er kam alles andere als massenhaft. Doch selbst
dieser leise Protest reichte aus: Das mit der Sicherung von Märkten und
Rohstoffen wurde wieder rausgestrichen. Sicher nicht deshalb,
weil irgend jemand seine Meinung geändert hätte oder weil der "Druck der
Straße" es erzwungen hätte!
Als dann der Jugoslawien-Krieg ("Kosovo-Krieg") kam, haben selbst viele ansonsten kluge
und kritische Leute einfach nicht begriffen, dass das gar nichts anderes
sein kann als die Umsetzung der neuen Militärpolitik. Viele haben
geglaubt, es sei nun aus Humanität notwendig, in den Krieg zu ziehen.
Hätte es damals bei der Sache mit den verteidigungs- politischen
Richtlinien den nötigen Aufschrei gegeben, dann wären die
Propagandalügen sicher seltener geglaubt worden.
Wenn sie beim Angriff auf Jugoslawien nicht gesagt hätten, es sei
humanitär, dann hätte es hier wohl doch einiges an Randale gegeben. Wenn
sich im Nachhinein rausstellt, dass es nicht so war, und das von der
Bevölkerung hingenommen wird, dann geben wir unser Einverständnis dazu,
dass "unsere Jungs" in Zukunft über andere Länder herfallen, wie es der
deutschen Regierung grade passt. Wenn wir hinnehmen, dass ein Kernstück
des Grundgesetzes wie das Verbot von Angriffskriegen einfach zum
belanglosen Fetzen Papier gemacht wird, wird das mit jedem Teil dieses
Gesetzes passieren können und vielleicht mit diesem Gesetz als Ganzes.
Wenn wir schweigend hinnehmen, dass in dieser Frage gelogen worden ist -
welches Unrecht wird dann zu groß sein und welche Lüge zu schlimm?
Die in der Sendung "Am Anfang war die Lüge" (ARD-Sendung v.8.02.) öffentlich gewordenen
Lügen und Manipulationen müssen Konsequenzen haben. Die Wahrheit muss zunächst einmal
auf den Tisch: Wer hat gelogen, welche Interessen stecken dahinter? Und
was wollen wir für die Zukunft?
Neue Nato-Strategie und Umrüstung auf Angriffs- fähigkeit
wird dieses Jahr
bundesweites Thema der Ostermärsche sein. Die Zeit bis dahin können wir
nutzen, um unsere Forderungen zu diskutieren. Mein Vorschlag dazu:
sofortiger Rücktritt der Minister Scharping und Fischer und des
Bundeskanzlers Schröder.
Einrichtung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses. Unabhängig
heißt, dass darin nur Leute sitzen sollten, die diese Kriegspolitik
nicht mitgetragen haben und die in keinem Abhängig- keitsverhältnis zu den
Parteien stehen, die diese Politik mitgetragen oder vorbereitet haben
(z.B. durch die Verteidigungspolitischen Richtlinien oder die
Einrichtung von Schnellen Eingreiftruppen).
Aufhebung der Immunität aller Politiker, die an der Verbreitung dieser
Lügen und an der Vorbereitung und Durchführung des Angriffskrieges
beteiligt waren.
sofortigen Rückzug aller deutschen Truppen auf das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland.
sofortige Auflösung aller Interventionstruppen und die Vernichtung
aller Angriffswaffen.
Austritt aus der Nato.
Umwidmung des Wehretats in einen Etat für zivile Verteidigung, damit
die Bevölkerung sich selbst gegen Angriffe zu wehren lernt. Die
Verteidigung darf nicht länger in den Händen einer Regierung liegen, die
uns belügt, um Angriffskriege führen zu können. Sie sollte von der
Bevölkerung in die eigene Hand genommen werden und auf dem
grundgesetzlich verankerten Widerstandsrecht beruhen.
Da es anscheinend keine große und bundesweit organisierte
Friedensbewegung mehr gibt, sind die Ostermärsche die einzige
Gelegenheit, aus der weitgehenden Isolation rauszukommen und zu zeigen,
dass es uns reicht! Neue Nato-Strategie und Umrüstung auf
Angriffsfähigkeit wird dieses Jahr bundesweites Thema der Ostermärsche
sein. Der Ostermarsch ist dieses Jahr nicht „das übliche
Familien- treffen“, sondern er hat eine politische Bedeutung, die er
mindestens seit der Wiederbewaffnung, wenn nicht sogar seit Bestehen der
Bundesrepublik, nicht mehr hatte. Bei der Wiederbewaffnung ging es "nur"
darum, ob dieses Land wieder eine Armee haben sollte oder nicht. Jetzt
geht es darum, ob dieses Land wieder Angriffskriege führen darf!
Es ist keine Selbstverständlichkeit, andere Länder zu überfallen, wenn
einem die dortigen Verhältnisse nicht passen. Man darf darüber nicht
allein auf der Ebene diskutieren, ob die Verhältnisse in diesen Ländern
"wirklich schlimm" sind oder nicht. Im übrigen muss man sich einmal
anschauen, wie viele diktatorische Regimes von den USA und auch von der
Bundesregierung unterstützt wurden und werden. Immer wieder in die
Kritik geraten ist z.B. die Lieferung deutscher Panzer an die Türkei.
Die türkische Regierung hat einen langen, grausamen Krieg gegen die
kurdische Zivil- bevölkerung geführt. Massaker gab es dabei genug. Aber
auch die nichtkurdische Opposition des Landes wird mit der Brutalität
eines Militärregimes verfolgt. Die türkische Regierung schreckt dabei
nicht einmal davor zurück, regelrecht militärische Überfälle auf
Gefängnisse zu starten, wo sich politische Gefangene im Hungerstreik
gegen die Folter befinden. Wer ein solches Regime auch noch durch
Waffenlieferungen unterstützt, ist als Hüter der Menschen- rechte
vollkommen unglaubwürdig!
Nach amtlicher bundesdeutscher Statistik wurden 1999 mehr als doppelt so
viele Kriegswaffen in alle Welt geliefert wie 1998 (1998: Waffen im Wert
von 1,338 Milliarden, 1999: im Wert von 2,844 Milliarden). Wichtigste
Empfängerländer waren Israel und die Türkei. Die Bundesregierung muss
sich die Frage gefallen lassen, welche Form von "Krisenintervention" das
denn nun darstellen soll?
Die Forderung nach Abschaffung der Bundeswehr ist angesichts der
jüngsten Entwicklung und angesichts der geschichtlichen Erfahrungen
keine rein pazifististische Forderung mehr. Eine Regierung, die sich
dafür rüstet, an zwei Fronten gleichzeitig, und zwar in anderen Ländern,
Krieg zu führen, und die dazu offen und ungestraft die Verfassung des
Landes bricht, sollte von der Bevölkerung vorsichtshalber entwaffnet
werden. Wer die Frage “Die Russen kommen zur Tür rein, vergewaltigen die
Oma, schießen auf die Kinder, Sie haben zufällig ein Maschinengewehr in
der Hand, was tun Sie?” unbedingt mit “Schießen!” beantworten möchte,
kann sich zur Not ein Maschinengewehr unter´s Bett legen. Falls die
Russen kommen. Oder die Deutschen. Das ist immer noch vernünftiger, als
diese Art von “Spielzeug” in den Händen dieser Regierung zu belassen.
Maike Varenkamp