ver.di veröffentlicht 'Schwarzbuch Lidl'
Gerade erst vor einer Woche wurde ein Rekord-Umsatz des Billig-Discounters und Aldi-Konkurrenten Lidl vermeldet: 36 Milliarden Euro. Wie die Gewerkschaft ver.di nun aufdeckt, basiert dieser angeblich auf der "Geiz-ist-geil"-Welle erzielte Rekord wesentlich auf Extraklasse: in Ausbeutung und unvergleichlichem1 Druck auf die Belegschaft.
ver.di klagt den Discounter massiv an. In einem gestern vorgestellten 'Schwarzbuch Lidl' beschreibt ver.di die Arbeitsbedingungen in dem Konzern, die von einem "Klima der Angst" bestimmt seien. Die rund 30.000 Lidl-Beschäftigten seien "gnadenloser Ausbeutung", "Kontrollen bis in die intimsten Bereiche" und "brutaler Unterdrückung" bei Versuchen, Betriebsräte zu gründen, unterworfen, erklärte ver.di-Vorstand Franziska Wiethold.
Die Schwarz-Gruppe mit Sitz im baden-württembergischen Neckarsulm, zu der neben der Lidl-Kette auch die 'Kaufland'-Warenhäuser gehören, reagierte blitzschnell mit einer PR-Kampagne. Zeitgleich zur Vorstellung des Schwarzbuches wurden 1.600 neue Ausbildungsplätze angekündigt. Die Vorwürfe von ver.di wies ein Sprecher als "anonyme Diffamierungen" zurück. Schon im Vorfeld hatte Klaus Gehrig, Geschäftsführer der 'Lidl-Stiftung' von einer "Kampagne" gesprochen und angedeutet, bei den dargelegten Mißständen könne es sich höchstens um Ausnahmen handeln, die auf persönliche Schwächen einzelner Filialleiter zurückzuführen seien.
Mit diesen Reaktionen konfrontiert, erklärte der Autor des 'Schwarzbuch Lidl', Andreas Hamann, seine Informationen beruhten auf der Befragung von rund 250 Lidl-MitarbeiterInnen und es seien "immer wiederkehrende" Muster erkennbar: "Vor Einzelfällen kann daher keine Rede sein." Seine Rechechen hätten zwei Jahre in Anspruch genommen und es habe sich ihm das Bild einer "systematischen Verletzung" von ArbeitnehmerInnen-Rechten geboten.
Vielfach abgesichert seien Berichte von Verkäuferinnen, die einem pausenlosen Einsatz unter Akkordbedingungen ausgesetzt sind, Berichte von Kündigungen nach fingierten Testkäufen, bei denen Lidl-Kontrolleure versuchten, Waren an der Kasse unbemerkt vorbeizuschleusen. Für Kassenkräfte gelte die Vorgabe, mindestens 40 Artikel pro Minute zu scannen. In etlichen Filialen seien versteckte Kameras installiert um die Angestellten zu überwachen. Die Gründung von Betriebsräten wurde massiv unterdrückt, indem Beschäftigte, die eine solche Absicht erkennen ließen, sofort entlassen, zu Aufhebungsverträgen oder Selbstkündigungen gezwungen worden seien.
Anfangs hatte Hamann im Auftrag von ver.di die verschachtelte Unternehmensstruktur der Schwarz-Gruppe untersuchen sollen, die aus hunderten von kleinen GmbH & Co KGs besteht. Diese Struktur erschwert es nicht nur der Konkurrenz, die Kalkulationen des Konzerns zu durchschauen, sie macht es auch unmöglich, einen Konzern- oder Gesamtbetriebsrat zu gründen. Erst im Laufe seiner Recherchen gelangte er an die Informationen, die bisher aus diesem - ähnlich wie bei Aldi - gewerkschaftsfreien Raum nicht an die Öffentlichkeit gelangten.
Monika Wittmer
Anmerkungen
1 Vergleiche auch mit unserem Artikel
'Der 1,5-Millionen-Euro-Artikel
- Aldi straft die Süddeutsche' (20.04.04)