Neue wissenschaftliche Ergebnisse
Daß Kiffen je nach Häufigkeit ähnlich schädlich für die Lunge ist wie Rauchen, dürfte mittlerweile allgemein bekannt sein.1 Daß es zu Psychosen und sogar zu Schizophrenie führen kann, ist dagegen weit weniger bekannt.
ForscherInnen und ÄrztInnen sehen den Zusammenhang allerdings schon länger und warnen vor allem davor, früh mit dem Kiffen anzufangen. Denn in der Pubertät kommt es zu Umbauprozessen im Gehirn, die durch Cannabis beeinflusst werden.
Und je jünger eine Person und je höher der Konsum, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie irgendwann Stimmen zu hören meint oder sich verfolgt fühlt. Schizophrenie läßt sich heute behandeln. Einfach mehr zu kiffen, um die Probleme zu verdrängen, ist dagegen die schlechteste Lösung.
Rund ein Drittel bis die Hälfte der EuropäerInnen haben laut Hannelore Ehrenreich die Veranlagung zu einer Schizophrenie. Bei den meisten breche die Krankheit unter normalen Lebensbedingungen aber nicht aus, sagt die Forscherin vom Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen.
Konsumieren sie Cannabis, indem sie Joints rauchen oder Space-Cakes essen, sieht das hingegen anders aus: "Wenn man regelmäßig Cannabis zu sich nimmt, steigt das Risiko, eine Schizophrenie zu entwickeln, um den Faktor drei", erklärt Professor Peter Falkai von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in Berlin. Das gelte vor allem für junge Menschen, denn bei ihnen ist das Gehirn noch nicht ausgereift.
In der Regel konsumieren die Betroffenen schon länger Cannabis, und oft gibt es frühe Warnzeichen. Die Leute seien schlecht drauf oder kämen in der Schule kaum noch mit, erklärt Falkai. Ängstlichkeit und Schlafstörungen kämen ebenfalls vor, sagt Professor Heinz Häfner vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim.
Nur können diese unspezifischen Beschwerden auch ganz andere Gründe haben - deshalb suchten die wenigsten einen Arzt auf.
Irgendwann kommt es dann zu psychotischen Phasen. Die Betroffenen sehen Dinge, die nicht existieren, und hören Stimmen, die gar nicht da sind. "Die Kranken stehen irgendwo und fühlen, wie sie jemand berührt, aber da ist niemand", schildert Ehrenreich. Treten diese Wahnvorstellungen über ein halbes Jahr hinweg auf, kommt es zu Konzentrationsstörungen. Und zieht sich die Person zurück, sprechen Ärzte von einer Schizophrenie, erklärt Ehrenreich. "Wenn man irgendwas davon merkt, sollte man schnellstmöglich zu einem Arzt gehen", rät Häfner.
Und man sollte vor allem sofort mit dem Cannabis-Konsum aufhören. Das hört sich naheliegend an, ist aber längst nicht selbstverständlich. Viele schizophren Erkrankte litten an einem Gefühl von Leere und spürten wenig Freude. Wenn sie etwas kiffen, fühlten sich einige von ihnen erstmal besser. Das Kiffen fördere aber die Halluzinationen und Wahnvorstellungen.
Nur bei 20 Prozent der Betroffenen bleibe die Schizophrenie eine Episode, die sich wieder verläuft, sagt Ehrenreich. 80 Prozent hätten dauerhaft damit zu tun. Mit Psycho-Pharmaka lasse sich die Krankheit aber gut behandeln, wenn die Betroffenen von Anfang an zuverlässig mitmachen. Auch verschiedene Richtungen der Psychoanalyse versprechen Heilung bei Schizophrenie.
Wer früher gekifft, schon vor Jahren aber damit aufgehört hat, muß sich keine Sorgen machen. "Es gibt kein schlafendes Risiko", sagt Falkai. Und wer schon viele Jahre kifft und nie Probleme mit einer Psychose hatte, der werde sie wahrscheinlich auch nicht mehr bekommen.
Was aber kein Argument dafür ist, immer weiter zu kiffen - nicht nur, weil der Besizt illegal ist. "Regelmäßiger Cannabiskonsum ist einfach Mist", sagt Falkai. "Das macht das Hirn kaputt."
THC-Konzentration in Cannabis deutlich gestiegen
Die Cannabispflanze enthält mehr als 60 sogenannte Cannabinoide. Delta-9-Tetrahydrocannabinol - kurz THC - gilt als die stärkste Wirksubstanz. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) schwankt der THC-Gehalt meistens zwischen 1 und 14 Prozent.
Insgesamt sei die THC-Dosis im verkauften Haschisch oder Marihuana im Vergleich zu den frühen 70er Jahren aber deutlich gestiegen, sagt Prof. Heinz Häfner vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit. Deswegen sei auch mit schlimmeren gesundheitlichen Folgen zu rechnen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe auch unsere Artikel
Cannabis: Schneller schwarze Lungen
Kein April-Scherz (1.04.04)
Tabak - Schlachten oder Melken?
(27.05.03)