Entgegen dem medial verbreiteten Nimbus befürwortet auch der US-amerikanische Präsident Barack Obama die "Todesstrafe." Doch die USA geraten weltweit immer mehr unter Druck: Sowohl in Deutschland wie auch in Großbritannien regt sich Widerstand gegen die Lieferung von Chemikalien, die beim Vollzug des in den USA legalisierten Mordens benötigt werden. Im Iran wurden heute zwei Menschen von der Staatsmacht ermordet, weil diese sie der Mitgliedschaft in der Widerstandsorganisation Volksmudschaheddin für schuldig befand.
In den USA fehlt derzeit das bisher bei der legalen Vergiftung zum Tode Verurteilter eingesetzte Betäubungsmittel. Deutsche Pharma-Konzerne geraten unter Druck, da sie im Falle einer Lieferung der Chemikalie an die US-Behörden mit einem Image-Schaden rechnen müssen. Für die zum Tode Verurteilten steigert sich die Anspannung in dem um unbestimmte Zeit verlängerten Schwebezustand zwischen Leben und Tod ins Unerträgliche, da jede Verlängerung der "Galgenfrist" die Hoffnung auf eine Begnadigung zu lebenslanger Haftstrafe nährt.
Mehrere US-Bundesstaaten mußten die Vollstreckung von Todesurteilen aufschieben, weil der einzige in den USA zugelassene Hersteller, der Pharma-Konzern Hospira, das Narkosemittel Natrium-Thiopental nicht weiter produzieren will. Zunächst hatte Hospira vorgesehen, die Chemikalie in Italien zu produzieren, nachdem die US-Produktion im August 2009 wegen eines Engpasses bei einem chemischen Bestandteil unterbrochen werden mußte. Italien hat jedoch wegen der in der EU aufrecht erhaltenen zivilisatorischen Mindeststandards den Export in die USA untersagt, solange das Präparat beim legalisierten Mord eingesetzt wird. Nach dem gegenwärtigen Informationsstand hat Hospira daher entschieden, das Narkosemittel Natrium-Thiopental vom Markt zu nehmen. "Das wird ganz eindeutig ein Problem für viele Bundesstaaten sein", sagte Richard Dieter vom 'Informationszentrum Todesstrafe' in Washington. Die Suche nach Ersatzstoffen und deren Zulassung für den legalisierten Mord könnten Monate oder länger dauern. Als einziger US-Bundesstaat hatte New Jersey die "Todesstrafe" im Dezember 2007 nach rund 30 Jahren wieder abgeschafft.
Auch die deutschen Pharma-Konzerne sehen sich verschärfte Beobachtung durch eine kritische Öffentlichkeit ausgesetzt und scheuen sich, das Präparat in die USA zu liefern. Selbst der deutsche "gelbe" Gesundheitsminister Philipp Rösler sah sich gezwungen, der deutschen Pharma-Industrie von entsprechenden Lieferungen in die USA abzuraten. Offenbar ist das Motiv für Röslers öffentliche Äußerung jedoch rein taktischer und nicht grundsätzlicher Natur: So habe das Gesundheitsministerium zwar ein Ausfuhrverbot geprüft, angeblich aber keine rechtliche Möglichkeit dafür gefunden.
Natrium-Thiopental ist einer von drei Bestandteilen des Giftcocktails, der beim legalisierten Moden mit der Giftspritze in den USA verwendet wird. Dabei wird die Chemikalie in einem ersten Schritt zur Betäubung der Todeskandidaten eingesetzt. Zwei danach verwendete Mittel führen zur Lähmung und schließlich zum Herzstillstand. Bereits 2010 hatten Nachschub-Probleme dazu geführt, daß behördliche Ermordungen verschoben wurden. Vielerorts sind zwar noch Rationen vorhanden, allerdings scheint es Probleme mit dem Haltbarkeitsdatum zu geben. Nur noch wenige Vergiftungen können deshalb wie geplant durchgeführt werden. Die Justizbehörde des US-Bundesstaates Arizona ließ Natrium-Thiopental im Oktober 2010 sogar von einem britischen Hersteller liefern, der in den USA nicht zugelassen ist. Das oberste US-Gericht hatte die Anwendung zwar erlaubt, aber auch die britische Firma will das Präparat nun nicht mehr in die USA liefern. Angeblich wurde erst nach der Lieferung entdeckt, daß diese EU-Vorschriften widersprach. Oklahoma ersetzte den fehlenden Stoff dagegen bereits mehrfach mit einem Medikament zum "Einschläfern" von Tieren.
Im November vergangenen Jahres appellierte der UN-Menschenrechtsrat in Genf an US-Präsident Barack Obama, die "Todesstrafe" auszusetzen. Auch eine Reihe von europäischen Regierungen wandte sich an die Obama-Administration, die Vollstreckung der "Todesstrafe" zu stoppen und diese möglichst abzuschaffen.
In der 1960er Jahren waren die USA zivilisierter als heute: 1966 sprachen sich nur 42 Prozent der US-AmerikanerInnen für die "Todesstrafe" aus. Am 29. Juni 1972 erklärte der Oberste Gerichtshof vierzig Todesstrafengesetze für nichtig und setzte die "Todesstrafe" landesweit aus. Doch bereits 1976 wurde der staatliche Mord unter US-Präsident Gerald Ford wieder legalisiert. Der als liberal gehandelte US-Präsident James ("Jimmy") Carter, der 1976 gewählt wurde, beließ es dabei. Die legalisierten Morde per Hinrichtung wurden ab 1977 fortgesetzt.
Die USA stehen damit zivilisatorisch auf der selben Stufe wie der Iran, China und Saudi-Arabien. Im Iran wurden heute zwei zum Tode verurteilte Regimegegner bei einer legalen Hinrichtung ermordet. Ihnen wurde die Mitgliedschaft in der Widerstandsorganisation Volksmudschaheddin zur Last gelegt. Laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA hatte ein Berufungsgericht die "Todesstrafe" für die beiden Männer zuvor bestätigt. Sie waren im Zusammenhang mit den Unruhen nach der Präsidentenwahl 2009 verurteilt worden. Außerdem sollen sie den Stützpunkt der Volksmudschaheddin im benachbarten Irak zu Ausbildungszwecken besucht haben.
Siehe auch unsere Artikel:
Todesstrafe
USA und Iran Seit an Seit (10.11.10)
Obama stärkt Diktatur
Waffen-Deal für 60 Milliarden US-Dollar eingefädelt (14.09.10)
Wegen angeblicher Gotteslästerung
mit Todesstrafe bedroht (22.10.08)
Barack Obama und das Nadelöhr
... anderes zu erwarten als von Bush? (6.10.08)
Zitterpartie für Mumia Abu-Jamal verlängert
Verurteilung wegen Mordes aufrecht erhalten (28.03.08)
Todesstrafe in New Jersey abgeschafft
Kommt es zu einer Trendwende in den USA? (15.12.07)