12.03.2008

Nano-Partikel in Lebensmitteln

Bundesregierung verweigert Schutz der Bevölkerung

Die Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die Gesundheits- und Umweltgefahren durch Nano-Partikel1 belegen, nimmt stetig zu. Dennoch werden nach Recherchen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Lebensmittelbereich nachweislich rund einhundert zum Teil auch in Deutschland verkauften Produkten Nano-Partikel zugesetzt. Dabei handelt es sich neben Lebensmitteln vor allem um Nahrungsergänzungsmittel, Küchenartikel, Verpackungen und Agrochemikalien. Die Verwendung von Nano-Materialien ist auf den Produkten jedoch häufig nicht ausgewiesen und wird von den Herstellerfirmen und Zwischenhändlern verschwiegen. Bislang gibt es keine gesetzlich vorgeschriebenen Tests, um VerbraucherInnen und Umwelt ausreichend vor den Risiken zu schützen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der ersten umfangreichen Studie zur Anwendung synthetischer Nano-Materialien im Lebensmittelsektor, die der BUND gleichzeitig mit seinen Partnerorganisationen von 'Friends of the Earth' in Australien, Europa und den USA veröffentlicht.

Zu den Firmen, die Nano-Partikel für den Lebensmittelbereich herstellen, gehören BASF und Evonik (vormals: Degussa und RAG). Nano-Partikel messen nur wenige hundert Nanometer und sind damit etwa 50.000 mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Sie wirken chemisch und physikalisch oft völlig anders als größere Teilchen des gleichen Stoffes und können leichter in Zellen, Gewebe und Organe eindringen. Ihre stärkere biologische Reaktionsfähigkeit kann auch zu höherer Toxizität führen. Beispielsweise kann der ansonsten unbedenkliche Lebensmittelzusatz Titandioxid in Nano-Größe die DNS sowie Zellfunktionen schädigen und so die Abwehrkräfte von Immunzellen beeinträchtigen. Mit der Nahrung aufgenommene Nano-Partikel können die Darmwände durchdringen und ins Blut übergehen. Sie können in verschiedene Organe gelangen und die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Außerdem werden sie mit einer zunehmenden Zahl von Fällen der entzündlichen Darmkrankheit Morbus Chron in Verbindung gebracht.

"Die Lebensmittelindustrie nimmt die Risiken des Einsatzes von Nano-Materialien in ihren Produkten offenbar nicht ernst", sagt Wilfried Kühling, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des BUND. "Weltweit sind schätzungsweise bereits bis zu 600 Lebensmittel mit Nano-Zusätzen auf dem Markt. Weil es aber keine Kennzeichnungspflicht gibt, weiß man nicht, in welchen Produkten Nano-Materialien enthalten sind. Selbst die zuständigen Behörden haben keine ausreichenden Informationen darüber. Und die Verbraucher haben kaum Chancen, die Aufnahme von Nano-Partikeln über die Lebensmittel zu vermeiden."

Nano-Materialien sind beispielsweise in verschiedenen Ketchups, Gemüsebrühen oder in Puderzucker enthalten, um deren Fließ- und Rieseleigenschaften zu verbessern. In Nano-Größe verkapselte Geschmacks-, Farb- und Konservierungsstoffe werden bei der Wurstherstellung eingesetzt, in Nano-Kapseln eingeschlossene Mineralstoffe und Vitamine sollen den Nährwert von Backwaren und Erfrischungsgetränken steigern. Zunehmend kommen außerdem Frischhalteboxen und Kühlschränke mit antibakteriell wirkenden Nano-Silberionen auf den Markt. Nano-Materialien halten auch Einzug in die Landwirtschaft: Über die Anwendung in Düngern und Pestiziden können sie in die produzierten Lebensmittel und in die Umwelt gelangen.

Patricia Cameron, BUND-Expertin für Chemikalienpolitik und Nano-Technologie: "Die mit Hilfe der Nano-Technologie erzeugten neuen Stoffeigenschaften werden im Lebensmittelbereich bei immer mehr Produkten genutzt. Die möglichen Gefahren sind jedoch kaum untersucht. Der Gesetzgeber sieht bisher keinen Handlungsbedarf. Das Vorsorgeprinzip muß aber für alle Technologien gelten: Wenn wir nicht wissen, wie groß die Gefahren sind, müssen solche Anwendungen untersagt und zuerst die Risiken umfassend untersucht werden."

Der BUND richtet - wie so oft schon ohne Aussicht auf Erfolg - eine Forderung an die Bundesregierung: Der Verkauf von Lebensmitteln, Verpackungen, Küchenartikeln und Agrochemikalien, die Nano-Materialien enthalten, müsse sofort gestoppt werden.

Erfolgversprechend sind dagegen Aktionen am Firmensitz der Hersteller. Allein die Wirkung, daß so ihr Name im Zusammenhang mit den gefährlichen Produkt an die Öffentlichkeit gelangt, könnte erheblichen Druck ausüben. Auch in der Zusammenarbeit von Umweltverbänden und Gewerkschaften liegt ein Schlüssel, in dieser seit Jahren von der Öffentlichkeit nahezu unbeachteten Problematik endlich etwas zu bewirken.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe zum Thema Nano-Technologie auch unsere Artikel:

      Nano-Technologie
      Eine neue Durchsetzungs-Strategie (18.12.07)

      Nano-Technologie - Ebenso vielfältig wie gefährlich (10.06.07)

      Warnung vor Nano-Technologie
      Waschmaschine von Media Markt birgt Umweltgefährdung (13.10.06)

      Nano-Technologie gefährlich
      Verletzungen durch 'Magic'-Spray (4.04.06)

 

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