6.01.2008

Artikel

Schwindel mit Öko-Strom

Atom-Strom wird mit RECS umetikettiert

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und die Umwelt-Organisation Greenpeace werfen einigen der großen Strom-Konzerne Etikettenschwindel mit Öko-Strom vor. Die Praxis, Atom- oder Kohle-Strom durch den Handel mit RECS-Umweltzertifikaten auf dem deutschen Markt als Öko-Strom zu verkaufen, sei "Betrug am Verbraucher", so Greenpeace energy, selbst Anbieter auf dem Markt für Öko-Strom.1

"Umweltzertifikate" nach dem Renewable Energy Certificate System (RECS) erlauben es Strom-Konzernen beispielsweise an der Leipziger Strombörse für 7 Cent je Kilowatt Strom aus dem AKW Krümmel einzukaufen, diesen für 0,05 Cent mit einem Zertifikat eines norwegischen Wasserkraftwerks als Öko-Strom zu etikettieren und mit saftigem Aufschlag zu verkaufen. Der Betreiber des Wasserkraftwerks darf dann allerdings die entsprechende Menge seines Öko-Stroms nur noch als "Egal-Strom" vermarkten. Der springende Punkt: Im Gegensatz zu echten Öko-Strom-Anbietern wie Greenpeace energy oder den Energiewerken Schönau fließt der Aufschlag in die Taschen der Atom-Mafia und wird nicht zum Ausbau von Erneuerbaren-Energie-Kraftwerken, also neuen Windkraftanlagen, neuen Wasserkraftanlagen oder neuen Photovoltaikanlagen eingesetzt.

Aktuell wurden einige solche Umetikettierungen bekannt. Rechtlich sind die Konzerne allerdings nicht zu belangen, da RECS-Umweltzertifikate legal sind und sogar von der EU unterstützt werden. Kriminell wird es allerdings, wenn das beim Etiketten-Tausch beteiligte Energiewerk den beispielsweise aus Wasserkraft erzeugten Strom nicht etwa herabstuft, sondern ebenfalls als Öko-Strom verkauft.

Thorsten Kasper vom Bundesverband der Verbraucherzentralen spricht von einem "reinen Verschiebebahnhof". Auch er weist darauf hin, daß bei diesem System keine einzige Kilowattstunde mehr an Öko-Strom erzeugt wird. "Eine Täuschung des Verbrauchers", sagt auch Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Nun zeigt sich, daß die unabhängigen Anbieter von Öko-Strom nicht ohne Grund jede Geschäftsbeziehung zu Unternehmen aus der Atombranche ablehnen. Auch bei den Vergleichen, die der Bund der Energieverbraucher über die Jahre hinweg immer wieder unter den verschiedenen Öko-Strom-Anbietern vornahm, war ein entscheidendes Kriterium ("Atomindex"), ob das Unternehmen Connections zur Atombranche unterhielt. So gehört beispielsweise der regionale Versorger Badenova, der seit 1. Januar 2008 Freiburg2 angeblich atomstrom-frei beliefert, zu 47 Prozent der Thüga, einer Tochter des Atomkraftwerk-Betreibers E.on.

Die RECS-Zertifizierung wurde 2002 in 15 europäischen Ländern eingeführt, um angeblich so einen Herkunftsnachweis für Strom aus erneuerbaren Energien zu schaffen und den Handel mit Öko-Strom-Zertifikaten zu ermöglichen. Inzwischen sind 173 Unternehmen beteiligt, darunter Energie-Konzerne und Umweltverbände. Bezeichnender Weise befindet sich der deutsche RECS-Hauptsitz ausgerechnet im Haus des mit dem AKW Krümmel3 im Juni in die Schlagzeilen geratenen Energie-Konzerns Vattenfall in Hamburg. Zudem ist der RECS-Vorsitzende bei Vattenfall angestellt und dessen Vertreter bei E.on. Auch die anderen beiden der Großen Vier, die den deutschen Strommarkt beherrschen, RWE und EnBW haben ihre Finger im Spiel. Illusionen, welchem Zweck RECS dient, dürften sich somit erübrigen.

In anderen europäischen Ländern, in denen RECS genutzt wird, kommt der Zweck der Sache teils offen zur Sprache. In einer Schweizer Werbebroschüre von RECS ist beispielsweise zu lesen, das System sei "sehr interessant", weil es "eine einfache Ergänzung des Angebotsportfolios ohne Zubau erlaubt" - also ohne Zubau von Kraftwerken für den Strom aus Wasser, Wind oder Sonne.

So ist nun auch der Verdacht aufgekommen, daß sich Städte wie Freiburg oder Kassel, die sich neuerdings als "atomstrom-frei" deklarieren, der Hilfe solcher Tricks bedienen. Der 'spiegel' deckte auf, daß die Stadt Kassel, die damit wirbt, sich seit Oktober 2007 ausschließlich mit Öko-Strom beliefern zu lassen, lediglich per RECS umetikettiert wurde. Die Aussage der Städtischen Werke Kassel, ihr Strom werde "klimaneutral durch skandinavische Wasserkraft erzeugt", erhält so einen faden Beigeschmack. Zudem stellt sich die Kasseler Behauptung, die "eingesparten Emissionen" wirkten sich "weltweit positiv auf das Klima aus", als Bluff heraus.

"Das System ist eine Mogelpackung", sagt Robert Werner, Geschäftsführer von Greenpeace energy. Er empfiehlt VerbraucherInnen, sich bei ihrem Versorgungsunternehmen zu erkundigen, ob diese RECS-Zertifikate nutzen, und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln.

Der Bluff kann für die Großen Vier, RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, allerdings auch nach hinten losgehen. Die Ankündigungen von Kassel und Freiburg hatten - ob zu recht oder nicht - eine große und positive Öffentlichkeits-Wirkung. Folgen nun immer mehr Städte dem Beispiel könnte schon bald der in Europa erzeugte Öko-Strom den Bedarf nicht mehr decken. Die Folge wäre, daß auch die Großen Vier einerseits gezwungen wären, Öko-Kraftwerke zu bauen und daß sie andererseits zunehmend auf ihrem Atom-Strom sitzen bleiben.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch:

      Atom-Ausstieg selber machen

      Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"

2 Siehe auch unseren Artikel:

      Freiburg jetzt atomstromfrei? (14.12.07)

3 Siehe auch unseren Artikel:

      Abgeschaltetes AKW Krümmel mit "normalen" Pannen
      War "AKW-Tuning" Ursache des Beinahe-GAU am 28. Juni?
      (28.12.07)

 

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