Die Umweltschutz-Organisation Greenpeace veröffentlichte geleakte Geheim-Dokumente aus den Verhandlungen zum sogenannten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. Offenbar drohen mit TTIP drastische Einschnitte bei den Lebensmittel-, VerbraucherInnen- und Umweltschutz-Rechten in Europa.
Greenpeace fordert den Stop der geheimen TTIP-Vertragsverhandlungen. Aus den Geheim-Dokumenten im Umfang von über 240 DIN-A-4-Seiten, die den Zwischenstand der Verhandlungen im April 2016 wiedergeben, geht nach Einschätzung unabhängiger ExpertInnen hervor, daß selbst rückwirkend bestehende Standards und Regularien zum Schutz von Umwelt und VerbraucherInnen gekippt werden können. Weiter soll es nach Abschluß des TTIP-Vertragswerks möglich sein, daß die Kennzeichnung von Lebensmitteln und die Regeln für erneuerbare Energien im Interesse US-amerikanischer Konzerne als "Handelshemmnisse" eingestuft und so beseitigt werden können. Der Einführung von genmanipulierten Nahrungsmitteln in die EU und einer massiven Ausweitung des Anbaus genmanipulierter Pflanzen in der EU wären so Tür und Tor geöffnet.
Mit dem Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit US-Präsident Barack Obama in Hannover vor einer Woche wurde zwar vielen BundesbürgerInnen bewußt, daß die deutsche Regierung rückhaltlos hinter dem TTIP-Vorhaben steht. Wenig bekannt ist allerdings die ebenso bedingungslose Unterstützung US-amerikanischer Interessen durch Vize-Kanzler und Wirtschafts-Minister Sigmar Gabriel. Auch Bundespräsident Joachim Gauck erklärte kürzlich, er wolle trotz der NSA-Abhöraffäre an dem geplanten "Freihandelsabkommen" TTIP festhalten. Dieses könne "den Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks mehren". Die Beziehungen ruhten fest auf "gemeinsamen Anschauungen über die Welt. Bei weitem überwiegen die Werte, die wir gemeinsam schätzen, bewahren und verteidigen," betonte Gauck.
"Was bislang aus diesen Geheimverhandlungen an die Öffentlichkeit drang, klang wie ein Albtraum. Jetzt wissen wir, daraus könnte sehr bald Realität werden. Das Abkommen bedroht Rechte und Gesetze, die über Jahrzehnte mühsam erkämpft wurden," erklärte heute dagegen Jürgen Knirsch, Handels-Experte von Greenpeace. Auch mit Wachstums-Beschleunigern erzeugtes Fleisch könnte in Zukunft mit Hilfe von TTIP in der EU vermarktet werden. Was bisher nur Befürchtung war, verifizierten die Dokumente nun - so Greenpeace- Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, sagte: "Es ist sehr interessant zu sehen, was die USA fordern. In den Texten bestätigen sich bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen."
Mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen bestätigten die Authentizität der von der Pressestelle Greenpeace Niederlande veröffentlichten TTIP-Geheim-Dokumente. Greenpeace erklärte, im Besitz von Original-Dokumenten zu sein. Der veröffentlichte Text sei zunächst abgetippt worden, um so Rückschlüsse auf den Whistleblower unmöglich zu machen und dessen Sicherheit zu gewährleisten. Vor Kurzem erst erhielten Abgeordnete die Möglichkeit, in eigens eingerichteten Leseräumen, wo sie sich weder Kopien noch handschriftliche Notizen machen dürfen, Einsicht in die Verhandlungs-Dokumente zu nehmen. Sie müssen zuvor eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Ein Verstoß gegen die Geheimhaltung wird mit Gefängnisstrafen bedroht.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
300 Kommunen gegen TTIP,
CETA und TiSA (29.10.15)
250.000 TeilnehmerInnen auf der
Anti-TTIP-Demo in Berlin (11.10.15)
TTIP-Studie:
Rund 600.000 Arbeitslose mehr in Europa (16.11.14)
TTIP und Transparenz
Verhandlungen im Hinterzimmer (5.06.14)
BUND gegen Freihandelsabkommen
Geheimverhandlungen
auf Kosten von Umwelt und VerbraucherInnen (13.07.13)