GM streicht 12.000 Arbeitsplätze
"Faktisch sind diese Leute arbeitslos"
10.000 Arbeitsplätze hatte der Mutter-Konzern GM angekündigt, in Deutschland streichen zu wollen. Nach siebentägigem "wildem" Streik* und rein verbaler "Solidarität" bei den Beschäftigten in Europa, würgte die IG-Metall-Spitze den Widerstand bei Opel in Bochum ab, ging in nächtelange Verhandlungen mit dem Management und erreichte "einen positiven Schritt", so IG-Metall-Vize Berthold Huber. 9.500 Arbeitsplätze werden nun in Deutschland gestrichen, 12.000 in Europa bei den GM-Töchtern Opel, Saab und Vauxhall insgesamt.
"Es ist der schärfste Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte", erklärte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Klaus Franz, gestern offenherzig. 500 Millionen Euro kann GM so jährlich einsparen. Von den 9.500 in Deutschland Betroffenen - es könnten auch mehr werden, wenn mehr Beschäftigte als vorgesehen "freiwillig" mit einer Abfindung ausscheiden - entfallen 5.000 auf das Werk in Rüsselsheim, 3.600 auf Bochum, 400 auf Kaiserslautern und 500 auf 'Powertrain', das GM-Joint-Venture mit Fiat. Für eine "sozialverträgliche Gestaltung" des Ganzen habe die Verhandlungsleitung der IG Metall dem GM-Konzern eine Milliarde Dollar "aus den Rippen geschnitten", meinte Klaus Franz zugleich stolzerfüllt.
Opel droht schon jetzt indirekt damit, daß das erst der Anfang war: Der Personalvorstand kündigte gestern an, daß trotz dieses Sparprogramms Opel auch 2005 und 2006 keine schwarzen Zahlen schreiben werde. Dabei schreibt Opel nicht allein wegen Absatz-Schwierigkeiten, sondern zu mindestens gleichem Anteil wegen Bilanzierungstricks des Mutter-Konzerns, seit fünf Jahren Verluste. Ein Sprecher des Instituts für Automobilmarktforschung in Essen deutete bereits jetzt an, daß Kündigungen "unumgänglich" sein werden und zwar "in massiver Art".
Auch die "sozialverträgliche Gestaltung" erweist sich bei näherer Betrachtung als wenig tragfähig. Die vom Betriebsrat geforderte Bestandsgarantie bis 2010 jedenfalls ist nicht Teil des Verhandlungs- Ergebnisses. In der in den letzten sieben Wochen ausgehandelten Vereinbarung ist die Einrichtung von Transfer-Gesellschaften vorgesehen. Kernpunkt hierbei sind Abfindungsangebote an "freiwillig" ausscheidende Beschäftigte. Hinzu kommen die Auslagerung von Teilbereichen und Alters-Teilzeit für alle, die 58 Jahre und älter sind. Laut Angaben von Opel haben sich bereits 2.500 Beschäftigte für eine dieser "Lösungen" entschieden.
Klaus Franz meint, die Abfindungs-Angebote für den Wechsel in die "Auffang-Gesellschaften" seien "äußerst attraktiv". Am Beispiel eines 50-jährigen Mitarbeiters, der 30 Jahre bei Opel gearbeitet und zuletzt 3.600 Euro verdient habe, rechnet er vor, daß ihm eine Abfindung von 216.000 Euro angeboten werde. Dies reicht gerade - ohne Inflation - für fünf Jahre. Die Betriebsrente bleibe in vollem Umfang erhalten - allerdings gibt es darauf keinen Kredit.
Die Kommentare aus der Belegschaft sind düster: "Da kann ich mir gleich die Kugel geben", "Eine bittere Pille", "Das ist ein Sterben auf Zeit", "Wir landen doch alle bei Hartz IV, hier im Revier kriegst du doch keinen anderen Job." Allgemein wird bezweifelt, ob angesichts der "großzügigen Offerte" die erforderlichen 6.500 Beschäftigten tatsächlich freiwillig in die Auffang-Gesellschaften wechseln. Selbst der Betriebsrats-Vorsitzende des Bochumer Opel-Werks, Dietmar Hahn, der beim "wilden" Streik als Bremser gewirkt hatte, meint nun: "Ich kann niemandem empfehlen, diesen Schritt zu tun."
"Ausstieg mit sozialer Abfederung" Karikatur: Horst Haitzinger
Angeblich liegt die Weitervermittlungs-Quoten bei den Auffang- oder Transfer-Gesellschaften bei 70 Prozent. Doch wie das WDR-Morgenmagazin recherchiert hat, verbleiben davon nach Abzug derer, die in Vorruhestand, scheinselbständige Mini-Jobs, weitere Beschäftigungs-Maßnahmen der Arbeits-Agenturen und ähnliches abgeschoben werden, weniger als 10 Prozent. Und Herbert Buscher vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle sagte im ZDF zu den Transfer-Gesellschaften: "Faktisch sind diese Leute arbeitslos."
Glücklich jedenfalls ist "Super"-Minister Clement, der schon am 15.10. von der "Gründung von Transfergesellschaften" geredet hatte und das Verhandlungsergebnis nun überschwenglich lobt.
Harry Weber
Anmerkungen
* Siehe auch unsere Artikel
'Streik bei Opel' (15.10.04)
'Sechster Streiktag in Bochum'
mangelnde europäische Solidarität (19.10.04)
'Opel-Arbeitsplätze und Kampfjet F16' (25.10.04)
'Opel Bochum: Fristlose Kündigung von "Rädelsführern"?'
(27.10.04)