23.07.2004

Palästina:
Pressefreiheit und
der Zweck der EU-Gelder

Die Nichtregierungs-Organisation 'Reporter ohne Grenzen' (RoG) fordert den Palästinensischen Journalistenverband (PJS) auf, eine Berichterstattung über die Konflikte zwischen verschiedenen palästinensischen Gruppen nicht länger zu blockieren. Der Verband PJS hatte am Dienstag Journalisten mit Sanktionen gedroht, falls sie weiter über Demonstrationen und Straßenkämpfe berichten würden, die sich gegen die Ernennung von Musa Arafat zum Sicherheits-Chef richteten. Der PJS hatte den Standpunkt vertreten, wichtiger als die Pressefreiheit sei die nationale Einheit.

Seit dem vergangenen Wochenende war es im Gazastreifen zu Zusammenstößen gekommen zwischen AktivistInnen der Fatah-Bewegung des Palästinenser-Präsidenten Jassir Arafat und AnhängerInnen von Musa Arafat, einem Cousin Jassir Arafats. Die Ernennung des als korrupt geltenden Musa Arafat (durch Arafat höchstselbst) hatte die Proteste ausgelöst. Darüber hinaus hatte der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia seinen Rücktritt erklärt und mit der schlechten Sicherheitslage und dem Stillstand bei den angekündigten Reformen begründet. Arafat zog inzwischen die Ernennung seines Neffen zurück.

Gerüchte um den Mißbrauch der von der EU zur Verfügung gestellten Mittel, die seit Jahren immer wieder kursieren, nie entkräftet wurden und aktuell neue Nahrung bekamen, komplizierten die Situation. Allein im Jahr 2003 stellte die EU "für Westbank und Gaza-Streifen" 255 Millionen Euro zur Verfügung. Der Etat-Posten "humanitäre Hilfe" ist mit 100 Millionen Euro den größte Einzel-Betrag. Verwaltet werden die Gelder von der PLO Jassir Arafats. Gestützt auf israelische Geheimdienst- Quellen hatte es immer wieder geheißen, große Teile dieser Gelder flössen in die Beschaffung von Waffen. Zudem hatte der luxuriöse Lebensstil mancher El-Fatah-Granden und auch von Mitgliedern der Arafat-Familie immer wieder für Unmut in der palästinensischen Bevölkerung gesorgt.

Über die EU-Mittel hinaus stellten mehrere EU-Mitglieds-Staaten weitere 750 Millionen Euro zur Verfügung. In den Jahren zuvor hatte die EU beispielsweise in den Jahren 2000 und 2001 jeweils rund 120 Millionen an die PLO für Gehälter, Strom und andere laufende Kosten - so der offizielle Verwendungszweck - überwiesen. 2002 stellte die EU ihre Pauschalzahlungen vorübergehend ein. Mit den früheren Zahlungen sollten der palästinensischen Seite Zolleinnahmen ersetzt werden, die vom israelischen Staat nach Beginn der zweiten Intifada eingefroren worden waren. Es hatte sich um Zolleinnahmen für Produkte aus den besetzten Gebieten gehandelt, die den Palästinenser-Behörden rechtlich zustanden.

Einen Großteil der Gelder überweist die EU noch immer pauschal und ohne überhaupt nach einem Verwendungszweck zu fragen an das Palästinenser-Hilfswerk der UN. 80 Millionen Euro aus dem Gesamt-Topf überweist die EU gegen Vorlage von Rechnungen an die palästinensischen Ministerien, 20 Millionen sind für Lebensmittel in den Palästinenser-Gebieten ausgewiesen und 22 Millionen Euro gehen an das palästinensische Gesundheits- und das Erziehungs-Ministerium mit der Auflage, diese Gelder für die Betriebskosten von Krankenhäusern und Universitäten zu verwenden.

In den 70er und 80er Jahren hatte es wohlbegründete Vermutungen gegeben, die USA und die UdSSR hielten mit exakt ausbalancierten Zahlungen an die jeweilige Seite den Nah-Ost-Konflikt gezielt am Brennen, um sich so einen lukrativen Absatzmarkt für Waffen zu erhalten. Die Frage, warum die EU sich nie ernsthaft für eine transparente Verwendung der Gelder interessierte, findet hier eine Antwort. Offiziell wird die nur ungern in den Massenmedien beleuchtete indirekte Finanzierung der PLO wie folgt begründet: Der EU-Rat, die Versammlung der Staats- und Regierungs-Chefs der EU-Mitglieds- staaten, sähe in der PLO Arafats einen Stabilitäts-Faktor für den Nahen Osten. So stellt sich die Forderung, finanzielle Mittel und Hilfsgüter sollten von der EU direkt an die Palästinenser verteilt werden, vor diesem Hintergrund als naiv heraus. Wie jede Großmacht versucht auch die EU mit ihrem Geld direkten Einfluß auf Machthaber auszuüben - humanitäre Argumente dienen wie immer nur zur Blendung des Publikums. Gingen die Gelder hingegen an die Menschen vor Ort, wären sie gewissermaßen verschenkt. - noch schlimmer: sie könnten eventuell gar zur Entstehung echter Demokratie beitragen.

Die genannte Forderung an die EU ist also so nutzlos wie die Forderung an die Metzgerinnung, die Verbreitung des Vegetarismus zu unterstützen. Im übrigen wäre eine solche nutzlose Forderung an die EU nur dann legitim, wenn sie mit der gleichzeitigen Forderung verknüpft wäre, die israelische Staatsmacht paritätisch zu schwächen.

 

Harry Weber

 

Anmerkungen:

    Siehe auch unsere Artikel

    Kinder & Künstler malen Gemälde an die Mauer (20.07.04)

    Machsomwatch
    - konkrete Friedenspolitik an den
    israelisch-palästinensischen Checkpoints (17.03.04)

 

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