J. Edgar Hoover's Secret War Against the World's Most Famous Scientist
St. Martin's Press, 2002.
Leider bisher nur auf englisch
(Die Einstein-Akte: J. Edgar Hoover's geheimer Krieg gegen den berühmtesten Wissenschaftler
der Welt)
Die im Buch beschriebene Bespitzelung und gesteuerte Verleumdung durch die US-amerikanische
Bundespolizei FBI unter der langjährigen Führung von J. Edgar Hoover ist ein Musterbeispiel
für Methoden, die gegen eine Vielzahl unbequeme und - was noch mehr überraschen
dürfte - auch bequeme US-Intellektuelle, eingesetzt wurden: illegales Öffnen der Post,
Abhören der Telefone, Durchsuchen des Hausmülls, detailliertes Aufzeichnen der politischen
Ansichten und Aktivitäten. Daß dies auch heute noch nicht wesentlich anders ist, belegt
der Artikel 'CIA und US-Akademiker'.
"Wir müssen dem FBI fast dankbar sein" für die Akte, sagte der Autor des Buchs, Fred
Jerome. Denn sie gäbe trotz vieler Fehler und Fehleinschätzungen viel Wissenswertes her.
Auch Dokumente über viele andere prominente Verdächtige sind zu finden: über Berthold
Brecht und den konservativen Thomas Mann, über John Steinbeck und über die Sängerin
Josephine Baker, über den Maler Pablo Picasso und Schauspieler wie Charlie Chaplin
oder Lucille Ball.
Fred Jerome mußte sich den Zugang zu vielen Dokumenten der Einstein-Akte in den Jahren
2000 und 2001 vor Gericht erkämpfen. Zuvor hatte das FBI lediglich rund 1000 teils
geschwärzte Seiten auf ihre Website gestellt
www.foia.fbi.gov/einstein.html).
Gegen den berühmten Physiker aus dem schwäbischen Ulm sei wegen dessen "Verbindungen zur
Kommunistischen Partei" ermittelt worden, so die auch heute noch dort zu findende
Begründung. Einstein sei zwischen 1937 und 1954 "Mitglied, Sponsor oder Anhänger von
34 kommunistischen Frontorganisationen" gewesen. Tatsächlich wurde die Einstein-Akte
22 Jahre lang und zwar seit 1933 geführt und erst einige Tage nach dem Tod Einsteins
am 18. April 1955 geschlossen.
Die Herausgabe wichtiger Dokumente der "Akte E" oder die Einsichtnahme
der geschwärzten Stellen hatte das FBI verweigert, angeblich, um die InformatInnen zu
schützen. Die Gerichte entschieden jedoch, daß es eine zeitliche Obergrenze für deren
Schutz gebe. Ein kleiner Rest des Materials ist weiterhin geheim.
Den "Grundstein" für die Einstein-Akte legte eine Frauen-Vereinigung, die 'Woman Patriot
Coporation'. In einem Traktat an das State Departement hatte sie bereits 1932, gewarnt,
Einstein dürfe kein US-Visum erhalten. Er gehöre "mehr anarcho-kommunistischen Gruppen
an als Stalin" und seine "internationalistischen Ansichten gegen den Krieg" seien bekannt.
Das hätte die Einsteins das Leben kosten können. Albert Einstein wurde im US-Konsulat in
Berlin verhört; aber wenige Stunden nachdem die Presse darüber informiert worden war,
genehmigte das State Departement ein Visum für Frau und Herrn Einstein. Beantragt (und
erhalten) hatte Albert Einstein dieses Visum wie schon einige Male zuvor wegen
Vorlesungstätigkeiten in den USA. Rund zwei Wochen nachdem die Einsteins mit dem Schiff
1933 die USA erreichten, kamen die Nazis in Deutschland an die Macht. Der Aufenthalt
der Einsteins in den USA wurde notgedrungen dauerhaft.
Obwohl Einstein sowohl den Kapitalismus als auch die nicht demokratisch gelenkte
Planwirtschaft der Ostblockstaaten ablehnte, ergriff er Partei für Kommunisten, die
allein aus politischen Gründen in der USA verfolgt wurden, als auch für Juden und
andere Flüchtlinge aus Europa. Zudem engagierte er sich in vom FBI als "subversiv"
bewerteten Organisationen wie der Liga gegen Krieg und Faschismus, der War Resisters
League oder den Freunden der Abraham-Lincoln-Brigade (Amerikaner, die in Spanien gegen
die Faschisten Francos gekämpft hatten). Dies muß J. Edgar Hoover, dem langjährigen
Chef (1924 bis zu seinem Tod 1972) des FBI, besonders gegen den Strich gegangen sein,
hatte er doch 1937 von Heinrich Himmler eine Einladung zur "Weltpolizeikonferenz"
angenommen und dort sein Portraitfoto mit Autogramm verschenkt.
Aus Furcht vor einer deutschen Atombombe hatte Einstein in diesen Jahren seine zuvor
pazifistische Haltung revidiert und war in seinem berühmten Schreiben 1939 an
US-Präsident Roosevelt für die Entwicklung dieser "extrem mächtigen Waffe" eingetreten.
Als dann von der US Army Wissenschaftler für das "Manhatten-Projekt" gesucht wurden,
konnte das FBI erstmals die Akte E einsetzen. Da diese noch nicht sonderlich
umfangreich war, ergänzte sie J. Edgar Hoover in einem Begleitbrief mit einer
"biographischen Skizze", die Lügen und Halbwahrheiten enthielt, sowie die Erklärung,
Einstein unterstütze "die wichtigsten kommunistischen Anliegen in den Vereinigten
Staaten" und "in Berlin (sei) sogar in der politisch freien und einfachen Zeit von
1923 bis 1929 das Haus Einstein als kommunistisches Zentrum und Zentrale bekannt"
gewesen. Einstein wurde ausgeschlossen.
Die Überwachung wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs und Beginn des Kalten Kriegs
intensiviert. In seiner Akte wurde Einsteins heftigen Widerstand gegen den ersten
Abwurf von Atombomben auf die Städte Hiroshima und Nagasaki vermerkt.
Allein seine Popularität bewahrte Einstein davor, selbst in die Mühlen der Justiz
zu geraten und bewirkte, daß alle Diffamierungsversuche an ihm abprallten. Obwohl
die Kampagne gegen ihn vom FBI geheim geführt wurde, wußte Einstein Bescheid. Bei
einer Dinnerparty 1948 sagte er dem polnischen Botschafter: "Ich nehme an, daß Sie
inzwischen wissen, daß die USA kein freies Land mehr ist, daß unsere Unterhaltung
zweifelsohne aufgenommen wird. Das Zimmer ist verwanzt und mein Haus wird streng
überwacht." Das Protokoll dieser Unterhaltung und damit die Bestätigung der Warnung
ist in der Akte Einstein enthalten.
Die Kampagne erreichte ihren Höhepunkt zwischen 1950 und 1954. Einsteins (oft
vergebliche) Hilfe für politisch verfolgte und Opfer der US-amerikanischen Justiz
und McCarthy-Ausschüsse und gegen die in den Südstaaten in dieser Zeit noch häufig
gegen Schwarze wütende Lynchjustiz wurde vom FBI als "kommunistisch" gebrandmarkt.
Die politische Hexenjagd gegen Kommunisten und Hysterie vor sowjetischen Spionen nahm
groteske Züge an. Klaus Fuchs wurde in London verhaftet und gab Spionage für die
Sowjetunion zu. Das FBI spekulierte über eine Zusammenarbeit zwischen Einstein und
Fuchs, weil Einsteins Sohn Albert ihn gekannt habe. Einer der Söhne heißt zwar Hans
Albert Einstein, doch die These brach schnell in sich zusammen.
In den FBI-Akten finden sich auch Berichte des militärischen Geheimdienstes G-2, wonach
ein gutes Dutzend Angestellte von 1929 bis 1932 in Einsteins "Büro" in Berlin
verschlüsselte Nachrichten für ein sowjetisches Spionagenetzwerk weiterleiteten.
Dieser Vorwurf ließ sich trotz wochenlanger Nachforschungen im bombenzerstörten Berlin
nicht erhärten. Einstein hatte nämlich gar kein Büro, erst recht keine Dutzend
Angestellte.
Kurz vor Einsteins Tod am 18. April 1955 schrieben mit der Sache befaßte FBI-Beamte
endlich: "Man
muß annehmen, daß es keine Notwendigkeit für weitere Ermittlungen gibt."
Rezension von: Klaus Schramm