Demo auf dem Dorf
Wenn nicht ein Einsatzfahrzeug der Polizei mit Blaulicht vorneweg gefahren wäre, hätte das staunende Publikum meinen
können, mehrere Schulklassen hätten sich beim Wandertag auf die Landstraße verirrt. Doch die selbstgemalten Schilder
machten schnell klar, daß es sich um eine ungewöhnliche Demo von SchülerInnen und Eltern handelte. Diese hatten sich
früh morgens von Kippenheim auf den Weg nach Sulz gemacht. In Sulz, einem dem schwarzwälder Städtchen Lahr
eigemeindeten Dorf, befindet sich ihre Haupt- und Grundschule, wo sie denn auch - rechtzeitig vor Unterrichtsbeginn - mit
heißem Tee und Gebäck erwartet wurden.
Was nun die SchülerInnen veranlaßte, in morgendlicher Kälte früher als gewöhnlich aufzustehen und aus Protest den
Weg zur Schule zu Fuß zurückzulegen, ist nichts anderes als der inzwischen allgegenwärtige Sozialabbau. Die durch
verschenkte Steuereinnahmen und ungebremste Rüstungsausgaben auf Bundesebene fehlenden Gelder werden als
"Einsparungen" von oben nach unten durchgereicht. Nun machen sie sich nach dem Umweg über Landes- und
Kreishaushalte auch im Raum Lahr bemerkbar: In diesem Schuljahr sollen monatlich 15 Euro "Eigenanteil" für die
Busfahrkarte1 bezahlt werden. Daß es noch schlimmer kommen wird, ist jetzt schon klar, denn
eine
Erhöhung auf 24,50 Euro ab dem kommenden Schuljahr - also nächsten Herbst - wurde bereits jetzt bekannt.
Für viele der SchülerInnen war die Demo mit selbstgemalten Schildern sicher ihre erste konkrete politische Erfahrung,
vermutlich aber wohl nicht ihre letzte. Die Eltern sammeln zusammen mit der Elternbeiratsvorsitzenden Sabine Steinhauser
Unterschriften und wenden sich mit der Bitte um Solidarität an die Schulen im Lahrer und Offenburger Raum. Und am
Dienstag, 2. Dezember, findet in der FH Offenburg eine Podiumsdiskussion zum Thema Fahrtkostenbeteiligung statt.
Klaus Schramm
Anmerkung:
1 Siehe auch meinen Artikel
für Badische Zeitung (29.10.) und Lahrer Zeitung (4.11.):
Sozialabbau und Frieden v. 22.10.