19.06.2009

Kommentar

BRD ruiniert

86 Milliarden Euro Neu-Schulden nicht rückzahlbar

Je nach dem, wer in zehn oder zwanzig Jahren die Deutungshoheit über unsere Geschichte erlangt haben wird, werden HistorikerInnen in die Geschichtsbücher eine von zwei Varianten hineinschreiben. Variante A würde ungefähr so lauten: In der Krise des Jahres 2009 hatten die verantwortlichen deutschen Politiker unter Bundeskanzlerin Angela Merkel keine andere Wahl, als alles auf eine Karte zu setzen, um den Zusammenbruch des gesamten Wirtschaftssystems zu vermeiden. Daß dies aufgrund tragischer Umstände scheitern würde, konnte damals niemand ahnen. Variante B würde hingegen wahrheitsgetreu zusammenfassen: Da die damalige deutsche Elite keinen anderen Ausweg mehr sah, ihre Macht wenigstens noch für kurze Zeit aufrecht zu erhalten, türmte sie im Jahr 2009 einen gigantischen Schuldenberg von über tausend Milliarden Euro auf. Bereits im Jahr 2009 war jedem verständigen Deutschen klar, daß dies unausweichlich den Ruin des deutschen Staates nach sich ziehen würde.

Heute nun mußte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück notgedrungen ein wenig Licht auf seine Pläne fallen lassen, mit denen er den deutschen Staat im Auftrag von Konzernen und Banken geradewegs in den Ruin steuert. Er mußte - wenn auch reichlich verharmlosend - Zahlen nennen, die ein ungefähres Bild dessen bieten, was an Folgekosten vom größten jemals in der Nachkriegsgeschichte angehäuften Schuldenberg zwangläufig ausgelöst wird. Allein im Jahr 2010 muß die Bundesregierung demnach neue Schulden von mehr als 86 Milliarden Euro aufnehmen. Die im Etatplan veranschlagte Neuverschuldung liegt 2010 um 38,5 Milliarden Euro über der im zweiten Nachtragshaushalt für 2009 vorgesehenen Nettokreditaufnahme von 47,6 Milliarden Euro. Dabei liegt der gesamte Bundeshaushalt in einer Größenordnung von lediglich 300 Milliarden Euro.

Anders als von Regierung und Mainstream-Medien behauptet, geht es dabei längst nicht mehr darum, den wirtschaftlichen Absturz in der Weltwirtschaftskrise abzumildern. Längst geht es auch nicht mehr darum, die Wirtschaftskrise zu verhindern, wie es noch vor wenigen Monaten hieß. Die milliardenteure Stützung der Banken und die "Konjunktur-Pakete" setzen nicht an der Ursache der Weltwirtschaftskrise an, sondern verschärfen die Krise und verbauen die letzte Möglichkeit, daß die herrschende Elite diese unter Beibehaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems überstehen könnte. Sie dienten lediglich dem Zweck, den Zusammenbruch hinauszuschieben, um sich wenigstens noch kurze Zeit an der Macht zu halten.

Selbst JournalistInnen, die jahrelang das neoliberale Credo nachbeteten, stellen heute die bange Frage: Wie soll es gelingen, diesen Schuldenberg abzutragen? Vermutlich wird diese Frage mit aller Macht aus dem Wahlkampf vor der Bundestagswahl am 27. September herausgehalten werden. Denn allein diese Frage zu stellen, könnte für die "schwarz-rot-grün-gelben" Blockflötenparteien zu einem Desaster führen.

Doch vielleicht werden sie selbst dumm genug sein, die Staatsschulden zum Thema zu machen, indem sie auf ihr Gesetzesvorhaben verweisen, eine "Schuldenbremse" ab dem Jahr 2016 ins Grundgesetz zu schreiben. Aus jahrelanger Erfahrung heraus verwechseln sie die phänomenale Geduld des deutschen Michel mit Dummheit. Die naheliegende Frage, wie denn in wenigen Jahren ein Schuldenberg von über 1000 Milliarden Euro abgebaut werden soll, wird sich nicht unterdrücken lassen.

Um der Hoffnung Nahrung zu geben, daß von 2011 an ein Aufschwung die Rückzahlung der Schulden ermöglichen wird, werden die Mainstream-Medien selbstverständlich nichts unversucht lassen. Ein wenig ökonomische Grundkenntnisse lassen jedoch schnell erkennen, daß ein solcher Aufschwung nicht lediglich ein Wirtschaftswachstum von zwei oder drei Prozent, sondern ein Vielfaches dessen aufweisen müßte, um einen Zuwachs an Steuereinnahmen auch nur in annährend zweistelliger Milliardenhöhe zu generieren. Wer jedoch die vergangenen sechs Jahrzehnte der wirtschaftlichen Konjunkturen in der BRD vor dem geistigen Auge Revue passieren läßt, wird erkennen, daß eine solche Hoffnung völlig illusionär wäre. Im Gegenteil: Die globalen wirtschaftlichen Strukturen, die in die Überproduktionskrise geführt haben, werden sich unter kapitalistischen Vorzeichen nur auf dem Weg über Firmenkonkurse und Fusionen - also in einem weiteren beschleunigten Konzentrationsprozeß an die nachlassende Nachfrage anpassen. Daß dies zumindest für die kommenden zehn Jahre einen Aufschwung ausschließt, ist leicht nachzuvollziehen.

Wenn die Einnahmen fehlen, um 1000 Milliarden an Schulden und drückende Zinslasten abzubauen, bleibt - theoretisch - nur der Ausweg, Ausgaben zu kürzen. Entgegen allen Wahlkampf-Versprechungen droht in Deutschland also weiterer Sozialabbau und Steuererhöhungen zu Lasten der seit Jahren beschleunigt erodierenden Mittelschichten. Selbstverständlich kommt auf diesem Weg noch nicht einmal so viel zusammen, daß so ein weiteres Anwachsen des Schuldenberges verhindert werden könnte. Darum geht es längst auch gar nicht mehr. Es geht nur noch darum, den Zusammenbruch ein wenig hinauszuzögern.

Am 29. März gingen in Deutschland Zehntausende mit der lächerlichen Parole auf die Straße "Wir zahlen nicht für eure Krise". Wie diese Weigerung realisiert werden könnte, wollte oder konnte der DGB, der diese Parole aufgestellt hatte, nicht verraten. Ohne irgendwelche Perspektiven, wie denn ein Umsturz diesen Staat gewaltfrei beseitigen und die Schuldenlast abschütteln könnte, wirkte die Parole "Wir zahlen nicht für eure Krise" wie der hilflose Ausruf des Suppen-Kaspars "Ich esse meine Suppe nicht!" aus dem grauslichen Struwwelpeter-Buch Heinrich Hoffmanns. So ist absehbar, daß dem deutschen Michel für einige Jahre bis zum endgültigen Zusammenbruch dieses Staates nichts anderes übrig bleiben wird, als die Suppe auszulöffeln, die ihm seine "Elite" eingebrockt hat - es sei denn, es vergeht ihm der Appetit.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Zehntausende protestieren gegen den G-20-Gipfel
      Motto von unfreiwilliger Komik (29.03.09)

      G8-Gipfel in Heiligendamm
      Zwei Sorten Gewalttäter,
      zwei Sorten Unpolitische
      und eine strahlende zweifache Blenderin (8.06.07)

 

neuronales Netzwerk