18.05.2007

Artikel

Telekom-Streik
in der zweiten Woche

Protestkundgebung in München

Die Telekom-Konzernleitung zeigte sich in den letzten 8 Tagen seit Beginn des Streiks1 unnachgiebig. Diese provokante Haltung brachte heute in München rund 2.500 Telekom-Beschäftigte - überwiegend aus Bayern - auf die Straße. 96,5 Prozent der Telekom-Beschäftigten hatten in der Urabstimmung für Streik gestimmt. Sie müssen nun zugleich Druck auf die eigene Gewerkschaftsführung ausüben, die sich bislang allzu kompromißbereit gezeigt hat.

Der Streik richtet sich gegen die Pläne des Telekom-Konzerns, über 50.000 Arbeitsplätze in neu zu gründende "T-Service"-Tochterunternehmen auszugliedern, um so die Löhne drücken und zugleich die Arbeitszeit verlängern zu können. Die Telekom will die Löhne um 9 Prozent senken und gleichzeitig die Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden erhöhen.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger hatte zudem die Stimmung gestern aufgeheizt, indem er die Streikenden beschuldigte, sie würden "Telekom in Lebensgefahr" bringen. Tatsächlich jedoch hat die Privatisierung dazu geführt, daß Post und Telekommunikation immer weniger den Bedürfnissen der überwiegenden Mehrheit dienen, sondern an erster Stelle der Steigerung der Profite.

Die Telekom wurde 1995 privatisiert und 1996 in eine Aktiengesellschaft (sogenannte Volksaktien) umgewandelt. Seitdem mußten die Beschäftigten schon insgesamt 18 Umstrukturierungsmaßnahmen über sich ergehen lassen, bei denen 120.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden. Diese Arbeitsplätze gingen indirekt an Konkurrenzunternehmen, die zu weitaus schlechteren Konditionen einstellten. Nun wird den Telekom-Beschäftigten zynischerweise vorgehalten, ihre Beschäftigungsverhältnisse seien im Vergleich zu jenen "privilegiert". Während auch viele Telekom-AktionärInnen sich durch überzogene Versprechungen betrogen fühlten, sackten Vorstände und Aufsichtsräte astronomische Beträge ein. Zuletzt wurden vor vier Jahren die Arbeitszeit bei entsprechenden Gehaltseinbußen gekürzt und Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekürzt beziehungsweise gestrichen. Viele Telekom-Beschäftigte hofften darauf, daß sie so ihre Arbeitsplätze sichern könnten.

Ende April 2006 erwarb die Blackstone-Group, eine Investment-Gesellschaft, einen 4,5 Prozent-Anteil an der Deutschen Telekom. Vorbesitzer dieses Anteils war die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Seitdem ist sie drittgrößte Aktionärin mit einem Sitz im Aufsichtsrat. Die Bundesrepublik Deutschland ist bei der Telekom und mit 14,83 Prozent direkt und mit 16,87 Prozent indirekt über die KfW beteiligt.

Dieses "Engagement" einer Investment-Gesellschaft half, die gerne verbreiteten Theorien von der Gefahr von "Heuschrecken" aufzuwärmen. Verdeckt wird damit, daß der Angriff der Konzernleitung auf die Telekom-Beschäftigten keinesfalls ungewöhnlich ist und ganz im Trend der Globalisierung liegt. Verdeckt wird so zudem, daß nach wie vor die Bundesrepublik Deutschland größte Anteilseignerin der Telekom ist.

Diese Einsicht darf allerdings nicht zu dem Fehlschluß verleiten, daß das Telekom-Management lediglich die Vorgaben aus Berlin ausführe. Umgekehrt: Sowohl die "schwarz-rote" Regierungskoalition als auch die beiden anderen neoliberalen Parteien im Deutschen Bundestag dienen uneingeschränkt den Interessen der großen Konzerne. Dies führt im Falle der Telekom allerdings zum selben Ergebnis: Die Bundesregierung wird sicherlich nicht im Interesse der Telekom-Beschäftigten eingreifen.

Hinzugefügt werden muß, daß auch die von der Telekom ausgesetzten "Steikbrecherprämien" keine Novität mehr sind. Während diese Tendenzen von der Gewerkschaftsführung zurecht angeprangert werden, setzten Gewerkschaftsführer wie Ver.di-Chef Bsirske jedoch im Gegensatz zu ihren verbalradikalen Reden wie beispielsweise in München real auf einen Schmusekurs mit der Telekom-Leitung. So hat ver.di ein "Bündnis für Servicequalität" ins Leben gerufen, um im Interesse des KundInnen die Leistungen des Unternehmens zu verbessern. Auch der Auslagerung der Arbeitsplätze tritt ver.di nicht entgegen, wenn zugleich über Sozialpläne verhandelt werden soll. Auch an eine Ausdehnung des Streiks auf andere Telekommunikations-Unternehmen scheint für die Gewerkschaftsführung nicht in Frage zu kommen.

So darf es nicht verwundern, wenn sich die Konzern-Leitung der Telekom vom Streik bislang nicht beeindruckt zeigt. Sie kann sich sicherlich besser als viele Menschen aus den unteren Zweidritteln der Gesellschaft, deren politische Einsichten von den Mainstream-Medien und von Deutschlands meinstverkauftem Toilettenpapier beeinflußt sind, daran erinnern, daß sämtliche Umstrukturierungsmaßnahmen in all den Jahren kaum auf nennenswerten gewerkschaftlichen Widerstand gestoßen waren. Vor sechs Jahren beispielsweise hatte die Gewerkschaftsführung dem neuen Lohnsystem zugestimmt, das erhebliche Verschlechterungen und eine Abkehr vom damals gültigen System des öffentlichen Dienstes mit sich brachte.

Doch während die Gewerkschaften nur unter Druck die Interessen der Beschäftigten wahrnehmen und in Mainstream-Medien und von PolitikerInnen gegen die Streikenden gehetzt wird, ist die Sympathie der Bevölkerung groß: Im neuen ZDF-Politikbarometer sagten 77 Prozent, daß sie den Streik richtig fänden. Diese Sympathie war auch auf der Kundgebung in München sichtbar. So waren auch Angestellte der Universitäten, der Uniklinik München und anderer Einrichtungen und Unternehmen anwesend, um die Streikenden zu unterstützen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Beitrag:

      Urabstimmung über Streik bei Telekom (10.05.07)

 

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