Wird mit der Stuttgarter Trinkwasser-Versorgung bald an der Börse spekuliert?
In Stuttgart hat sich eine Bürgerinitiative1 gebildet, die mit Veranstaltungen und einer Unterschriften-Sammlung der Forderung Nachdruck verleiht: "Die Trinkwasser-Versorgung muß in kommunales Eigentum zurück!"2
Nur wenige StuttgarterInnen wußten bisher, was in den letzten Jahren ohne großes Aufsehen im Bereich Wasser-Versorgung geschehen ist. Dazu beigetragen hat auch die unübersichtliche Struktur. So beliefert der 'Zweckverband Landeswasserversorgung' (LWV) rund 2,75 Millionen Menschen über ein 770 Kilometer langes Fernleitungsnetz. Bis 1996 gehörte die LWV zu einem Drittel der Stadt Stuttgart (über der 100-prozemtigen Aktienbesitz an der TWS AG) und zu zwei Dritteln einem Zusammenschluß von 109 Gemeinden und Verbänden. Ein weiterer großer Zweckverband ist die 'Bodensee-Wasserversorgung' (BWV), die rund 4 Millionen Menschen über ein 1.700 Kilometer langes Fernleitungsnetz mit dem lebensspendenden Element versorgt. Diese gehörte ebenso bis 1996 zu einem Drittel der Stadt Stuttgart (über der 100-prozemtigen Aktienbesitz an der TWS AG) und zu zwei Dritteln einem Zusammenschluß von 177 Gemeinden und Verbänden. Für die StuttgarterInnen von besonderem Interesse ist selbstverständlich die TWS AG (Technische Werke Stuttgart), die bis 1996 über ein 1.516 Kilometer langes Leitungsnetz die Trinkwasserversorgung Stuttgarts gewährleistete und darüber hinaus in Stuttgart Kraftwerke, Fernwärme, Erdgasversorgungsnetz und Stromnetz betrieb. Die TWS AG war bis 1996 zu 100 Prozent im Besitz der Stadt Stuttgart.
Zugleich mit der Fusion von EVS (Energieversorgung Schwaben) und Badenwerk zum Energie-Konzern EnBW (Energie Baden-Württemberg AG), an dem das Land Baden-Württemberg zwischen 1997 und 2000 lediglich 25,1 Prozent der Aktien und die Stadt Stuttgart 9 Prozent besaß, fusionierten TWS und Neckarwerke mit Sitz in Eßlingen zur NWS AG. An dieser wiederum war EnBW zu 25,5 Prozent und die Stadt Stuttgart zu 42,5 Prozent beteiligt.
2002 jedoch verkaufte die Stadt Stuttgart ihren NWS-Aktienbesitz (42,5 Prozent) für 1,627 Milliarden Euro an den EnBW-Konzern. Und dazu verkaufte Stuttgart den eigenen Anteil an EnBW (9 Prozent) für 865 Millionen Euro an EnBW. Seit diesem Zeitpunkt hat Stuttgart keinerlei Eigentum mehr an der städtischen Wasser-, Strom- und Gas-Versorgung. Eine weitere dunkle Stunde für die Wasser-Versorgung hatte bereits im Jahr 2001 geschlagen als für 24,68 Millionen Euro Anlagen der LWV per Cross-Border-Leasing für 99 Jahre an einen US-Konzern gingen. Und 2003 gingen ebenso Anlagen der BWV für 34,8 Millionen Euro per Cross-Border-Leasing über den Tisch.
Eher bekannt wurde der Verkauf der EnBW-Aktien des Landes Baden-Württemberg - 25,1 Prozent für 4,7 Milliarden Euro - im Jahr 2000 an den französischen Energie-Konzern EdF. Noch in diesem Jahr sollen EnBW und EdF an die Börse gehen. Dann wird es möglich sein, mit der Stuttgarter Trinkwasser-Versorgung zu spekulieren.
Doch all das ist kein Grund zu resignieren: Nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Baden-Württemberg wächst der Widerstand. Im Jahr 2003 hat die Bürgerinitiative Stuttgarter Wasserforum bereits entscheidend dazu beigetragen, daß am 11.12.03 vom Gemeinderat die geplanten Cross-Border-Leasinggeschäfte (CBL) mit insgesamt 27 Stuttgarter Schulzentren und Verwaltungsgebäuden gestoppt wurden. Vortragsveranstaltungen, Flugblatt-Aktionen und über 12.000 Unterschriften empörter BürgerInnen gegen CBL hatten im Stuttgarter Gemeinderat ihre Wirkung gezeigt. Die CBL-Beschlußvorlage wurde zurückgezogen.
Klaus Schramm
Anmerkungen:
1 Bürgerinitiative Stuttgarter Wasserforum:
www.unser-aller-wasser.de
2 Siehe auch unseren Artikel
'Stuttgart wird verramscht' v. 16.06.04