16.08.2003

Artikel

Künstlicher Konflikt:
Großtrappe oder Windkraft ?

Wohin steuert das EEG ?

150 Arten sterben täglich aus. Über das Desinteresse Minister Trittins am Schutz der vom Aussterben bedrohten Rotbauchunke mußten wir erst kürzlich berichten.1 Die Großtrappe (otis tarda) gilt mit ihren bis zu 20 Kilogramm Gewicht als der schwerste flugfähige Vogel der Welt. Exakt 76 Exemplare dieser vom Aussterben bedrohten Art leben in nur noch drei Gebieten in Deutschland. Von dieser im 18. Jahrhundert noch häufigen Vogelart waren 1997 lediglich 55 freilebende Tiere übrig geblieben. Nur durch aufwendige - und sehr teuere - Schutz- maßnahmen konnte der Bestand soweit erhalten werden. Trotz leichter Bestandserholung kann noch keineswegs von einer Stabilisierung die Rede sein. Das Land Sachsen förderte den Erhalt dieser bedrohten Art mit Hilfe von Vertragsnaturschutzmitteln und aus dem EU-Fonds LIFE mit Mitteln in zweistelliger Millionenhöhe. Im Gebiet Zitz (Kreis Potsdam-Mittelmark) / Fiener Bruch wurde zum Schutz der Vögel beispielsweise eine Mittelspannungsleitung erdverkabelt.

Und genau in diesem Gebiet - allerdings auf brandenburger Gemarkung - sollen nun Windkraftanlagen aufgestellt werden. Ein Schildbürgerstreich ? Wohl eher ein Politikerstreich. Denn in Brandenburg sind es keinesfalls rückwärtsgewandte Atomlobbyisten wie der baden-württembergische Ministerpräsident Teufel, die gegen die Windkraft zu Felde ziehen, sondern im Gegenteil naturliebende einfache BürgerInnen und NaturschützerInnen. Der in Brandenburg in der Bevölkerung gut verankerte NABU (Naturschutzbund), dem mit Sicherheit keine Feindschaft zu regenerativen Energien nachgesagt werden kann, führt - mittlerweile in zweiter Instanz - Klage das Windpark-Projekt Zitz.

Nach Auffassung des NABU Brandenburg würde der bereits im Bau befindliche Windpark katastrophale Auswirkungen auf die letzten deutschen Großtrappen haben. Nach klarer Aussage des erstinstanzlich mit der Klage befaßten Verwaltungsgerichtes Potsdam sind die vom Landkreis erteilten Baugenehmigungen für die Windräder rechtswidrig. Sie können trotzdem nicht vom NABU gerichtlich angegriffen werden, weil dieser nicht klagebefugt sei - eine Rechtsauffassung, die der NABU jetzt vom Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder überprüfen lassen will.

"Es kann nicht sein, daß offensichtlich rechtswidrige Genehmigungen vollzogen werden dürfen, nur weil sie niemand anfechten kann", so Tom Kirschey, Landesvorsitzender des NABU. Der NABU hat deshalb das Brandenburger Umweltministerium als Aufsichtsbehörde über die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises aufgefordert, einen Stop der unrechtmäßigen Bauarbeiten durchzusetzen. Da die Genehmigungen auch gegen europäisches Umweltrecht verstoßen, werde das Land mit Sicherheit früher oder später von der EU zur Verantwortung gezogen werden, wenn es jetzt nicht handele, so Kirschey. Beim Planungs- und Genehmigungsverfahren sei so ziemlich alles falsch gemacht worden, was falsch gemacht werden könne.

Auch der Förderverein Großtrappenschutz, der aus eigenen Mitteln bereits wesentlich zum Erhalt dieser seltenen Art beigetragen hat, und dessen Vorsitzender Dr. Heinz Litzbarski kämpfen mit aller Kraft für das Überleben ihrer Schützlinge. Sie versuchen verzweifelt, die Öffentlichkei dafür zu interessieren, daß dieses kleinste der drei letzten Einstandsgebiete als Überwinterungsgebiet überlebensnotwenig ist. In der kalten Jahreszeit findet die Großtrappe in den Moorniederungen des Fiener Bruchs nicht mehr genug Nahrung und ist auf das jetzt als Standort für den Windparks bestimmte Gebiet angewiesen. Der frühere Bestands-Rückgang der Trappe ist auch auf ihre ausgeprägte Ortstreue zurückzuführen. "Selbst wenn es in näherer Umgebung geeignete Flächen gäbe, würden die Trappen ihre traditionellen Einstandsgebiete aufsuchen", erläutert Experte Litzbarski die Bodenständigkeit der Vögel. Die Natur ist nun mal nicht so flexibel wie es immer von ihr gefordert wird.

Dabei hatte es schon einmal gut für das Überleben der Großtrappe ausgesehen: Als der erste Planungsträger des Windparks, der bereits 2001 die Genehmigung bekommen hatte, pleite ging, schien das Thema erledigt. Doch im Frühjahr 2003 erwarb die Windkraft Nord AG aus Husum die Baurechte und im Juni begannen die Arbeiten. Örtliche TrappenschützerInen schlugen sofort Alarm als zwischen den Fundamenten und Baufahrzeugen ein verlassenes Trappengelege gefunden wurde und eine Küken führende Henne vor den Bauarbeiten geflüchtet war. Doch das hat bundesweit noch kaum für Aufsehen gesorgt.

Nach der erstinstanzlichen Niederlage des NABU ist der zwischenzeitliche Baustop jetzt wieder aufgehoben, obwohl die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung gerichtlich festgestellt worden war. NABU und Förderverein Großtrappenschutz bezeichnen es als Skandal, daß trotz rechtswidriger Baugenehmigung weitergebaut wird. Der NABU hat hiergegen beim Oberverwaltungsgericht einen neuerlichen Baustop beantragt. Heute wird darüber entschieden.

Der Vorsitzende des NABU Brandenburg, Tom Kirschey, hebt hervor, daß es sich nach seiner Ansicht um einen künstlichen Konflikt zwischen Windkraft und Großtrappe, zwischen Klimaschutz und Artenschutz handele. Der NABU befürworte Windenergie, dränge aber auf eine Auswahl verträglicher Standorte: "Es kann mittelfristig auch nicht im Interesse der Windenergienutzung sein, sich auf so zweifelhafte Genehmigungsverfahren zu stützen und sich dann später von der EU rechtswidriges Handeln bescheinigen lassen zu müssen."

In diesem Zusammenhang ist es auch interessant, sich einmal die gerade erst vor wenigen Tagen vorgelegte Novellierung des EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) genauer anzusehen. Atom-Minister Trittin läßt sich für das "ehrgeizige Ziel" einer "angestrebten Verdoppelung" des Anteils von Ökostrom bis 2010 feiern, das heißt: einer Erhöhung von 6,25 auf 12,5 Prozent. Zugleich wird weiterhin der Ausbau der Kraftwärmekopplung blockiert. Umweltfreundliche Blockheizkraftwerke tragen in Dänemark und Holland bereits zu über 50 Prozent zur Stromgewinnung bei. Hierzulande sind dezentrale Blockheizkraftwerke ein Dorn im Auge der vier marktbeherrschenden Stromproduzenten EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall. Bei einer dezentralen Stromerzeugung droht ihnen die Macht zu entgleiten.

Statt dessen wird mit Hilfe des EEG weiterhin einseitig Windenergie gefördert und mit einer - gelinde gesagt - merkwürdigen Standortpolitik ein künstlicher Konflikt zwischen Naturschutz und Klimaschutz provoziert. Zu befürchten steht, daß es am Ende der Regierungszeit von "Rot-Grün" in drei Jahren heißen wird, der Ausbau der alternativen Energien sei gescheitert und Windkraft könne nun mal - wie schon immer vorhergesagt - niemals die Atomenergie ersetzen. Das wäre eine wunderbare Vorlage für eine schwarz-gelbe Regierung, die sich eine bessere Begründung für einen forcierten Ausbau der Atomenergie kaum wünschen könnte.

 

Petra Willaredt

 

Anmerkung:
1 Siehe auch unsere Artikel:
'Energie-Multi gegen Lacoma und Rotbauchunke' vom 9.08.03
'Lacoma und Rotbauchunke weiterhin bedroht' vom 15.08.03

 

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