Zuletzt in der Rezension über das Buch von Barbara Ehrenreich über die US-amerikanischen "working poor"1,
hatten wir auf das Buch von Bruce Western und Katherine Beckett hingewiesen, das faktenreich den Mythos vom
US-amerikanischen "Job-Wunder" widerlegt. In ihrer Studie 'Das Strafrecht als Institution des US-amerikanischen
Arbeitsmarktes' wiesen Western und Benett nach, daß die Arbeitslosenzahlen in der USA "bereinigt" werden,
indem die Justiz dort Menschen (darunter überproportional viele Schwarze) massenhaft wegsperrt. Rechnet mensch die
Zahl der Inhaftierten heraus, liegt die Arbeitslosenquote auf demselben Niveau wie in Deutschland. Da außerdem
entlassene Häftlinge weitaus schlechtere Chancen auf einen Job haben und demzufolge die Rückfallquote in den USA
mit 70 Prozent sehr hoch ist, "verschwinden genau jene, deren Arbeitslosigkeits-Risiko hoch ist, aus der Statistik",
so Western und Beckett.
Bereits 1993 war der Anteil der Inhaftierten in der USA extrem hoch: Von 100.000 Einwohnern saßen 519 hinter Gittern -
also 5,2 Promille. In Deutschland 1993 im Vergleich dazu von 100.000 Einwohnern gerade mal 80 - also 0,8 Promille.
Nach neuesten Veröffentlichungen des US-amerikanischen Justizministeriums sind inzwischen über 2 Millionen
US-Bürger hinter Gittern verschwunden - bei aktuell 286 Millionen Einwohnern. Von 100.000 Einwohhnern sitzen
somit 757 hinter Gittern - also 7,6 Promille.
Um diese Quote einmal mit anderen Staaten zu vergleichen, die auch nicht als gerade zimperlich gelten: In China
sitzen (nach neutralen Quellen) bei einer Gesamtzahl von 1,3 Milliarden Einwohnern 1,4 Millionen in den Gefängnissen.
Das ist schon absolut eine geringere Zahl als in der USA und relativ zu 100.000 Chinesen sind dies 108 Gefangene -
also 1,1 Promille. Und in Rußland sitzen bei einer Gesamtbevölkerung von 144 Millionen immerhin 920.000 im Knast - 639
auf 100.000 Einwohner und entsprechend 6,4 Promille.
Angeblich ist das US-Justizministerium über die Zuwachszahlen "ratlos", der deutliche Anstieg sei "nicht erklärbar".
Ganz abgesehen davon, daß diese im internationalen Vergleich exorbitante Repression im "land of the free" für eine
vorläufige Stabilisierung der sozialen Verhältnisse sorgt, gibt es neben dem staatlichen weitere Nutznießer. Wenig
bekannt ist bisher in Deutschland, daß in der USA eine ganze Brache vom Betreiben privater Gefängnisse lebt, die
jährliche Zuwachsraten von über 40 Prozent verbucht und die an der Börse gut notiert ist. Die C.C.A. (Correction
Corporation of America) beispielsweise, größter privater Betreiber von Gefängnissen in der USA, steigerte den Wert
ihrer Aktien innerhalb von 10 Jahren von 50 Millionen auf 3,5 Milliarden.
Nicht nur ausbruch-sicher, sondern auch profit-sicher werden die privaten Knäste betrieben, denn pro Häftling wird
staatlicher Seits ein garantierter Betrag pro Tag bezahlt und so empfehlen Börsen-Fachleute die Aktien der C.C.A.
mit dem Spruch, die Firma gleiche "einem Hotel, das immer zu 100 Prozent belegt (...) und bis zum Ende des
Jahrhunderts ausgebucht ist".
Bereits 1983 wurden die ersten Gefängnisse - beginnend mit Abschiebeknästen für illegal eingereiste mexikanische
ArbeiterInnen - in der USA privatisiert. Mitte der neunziger Jahre begann ein richtiger Boom. Die mächtige
"security"-Brache in der USA bietet ein Komplett-Sortiment von der elektronischen Fußfessel über den E-Stuhl bis hin
zum Gefängnis-Komplex. Vor 5 Jahren gab es bereits 130 privat geführte Gefängnisse verteilt auf zwanzig Bundesstaaten.
Großbritannien und Frankreich sind Deutschland auch in dieser Sparte der Privatisierung weit voraus. In Großbritannien,
wo diese Entwicklung am weitesten fortgeschritten ist, beschloß die Labour-Regierung sogar, bis 2005 alle neuen
Haftanstalten privat bauen und führen zu lassen, jeweils beaufsichtigt von lediglich zwei staatlichen Kontrolleuren.
Seit 1991 wurde kein stattliches Gefängnis mehr gebaut. In Frankreich gelang es durch den Einsatz kommerzieller
Unternehmen, die Zahl der Haftplätze binnen weniger Jahre um 25 Prozent zu erhöhen, wobei dort, anders als in den
angelsächsischen Ländern, die Betreuung der Gefangenen in staatlicher Hand bleibt.
Geworben wird - wie in allen Bereichen der Privatisierung - längst auch in Deutschland mit dem Argument,
privatwirtschaftlich geführte Gefängnisse kämen den Staat erheblich billiger. Zumindest über die stark steigenden
Häftlingszahlen werden geringe Einspar-Effekte längst ins Gegenteil verkehrt. Und mit Resozialisierung würden
sich die privaten Gefängnis-Betreiber ins eigene Fleisch schneiden. Bei einer weltweit führenden Rückfall-Quote von
70 Prozent wie in der USA erhält man sich die Klientel. Denn selbstverständlich arbeiten die Gefängnis-Unternehmen
profitorientiert
und sind an steigenden Häftlingszahlen interessiert. Zudem werden die Anstalten möglichst kosten-effizient betrieben
und so wird an Personal, Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung gespart. Und nicht zuletzt stellen die Insassen
in US-Gefängnissen zu Minimallöhnen und bei oft miserablen Arbeitsbedingungen Waren für fast alle Sektoren der
Wirtschaft her.
Auch die Bauwirtschaft profitiert vom Trend zur Inhaftierung immer größerer Bevölkerungsteile, und in manchen
strukturschwachen ländlichen oder deindustrialisierten Gebieten der USA sind Gefängnisse längst die größten
Arbeitgeber weit und breit.
Petra Willaredt
Anmerkung:
1 Siehe: Rezension zu 'Arbeit poor'