25.08.2004

Anti-Kommentar

Unrechtsstaat

Zu: »DDR-Bewältigung«,
Kommentar von Friedrich Wolff in der 'jungen Welt' vom
24. August 2004

Daß bei einer Abrechnung, bei der ein Unrechtsstaat über einen anderen zu Gericht sitzt, nichts rechtes heraus kommen kann, war jedem politisch bewußten Menschen von vornherein klar. Und wenn Friedrich Wolff in Erinnerung ruft, was der westdeutsche Außenminister Kinkel schon 1991 sagte, nämlich, daß die westdeutsche Justiz die Aufgabe habe, "das SED-System zu delegitimieren", ist das zu begrüßen und angesichts mancher Geschichtsvergessenheit auch unbedingt nötig.

Dennoch vermengt er in seinem Kommentar - und ich unterstelle ihm: ganz bewußt - Recht und Rechtsprechung. Er versucht hier den billigen Trick, uns die Schlußfolgerung aufzutischen: Wenn die juristische "Bewältigung" der DDR offensichtlich fadenscheinig ist, kann die DDR also kein Unrechtsstaat gewesen sein. Er schreibt ganz unverblümt: "Alles in allem zeigt die Bilanz der Vergangenheitsbewältigung, die Strafverfahren haben trotz des großen Aufwands die These vom Unrechtsstaat nicht nur nicht bestätigt, sondern widerlegt."

Die DDR war eine üble Diktatur, die mit Sozialismus wie ihn noch Karl Marx und Friedrich Engels, August Bebel und Wilhelm Liebknecht, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht oder etwa auch Albert Einstein und Bertrand Russell verstanden, nicht das geringste zu tun hatte. Wenn in einer linken Tageszeitung wie der 'jungen Welt' ein Egon Krenz hofiert wird und über zwei Seiten versucht wird, die DDR nachträglich zu legitimieren, finde ich das zum Kotzen.

Darüber hinaus versucht Friedrich Wolff auf ganz üble Weise eine Verbindung zu den heutigen Montags-Demos zu konstruieren: "In Mißkredit mußte die DDR gebracht werden, damit der Sozialabbau ungestört von Erinnerungen an den Sozialismus stattfinden kann." Das erinnert mich an einen Leserbrief von vor vierzehn Tagen, in dem ein neunmalkluger Alt-SEDler rechthaberisch meinte, jetzt müßten sie doch endlich einsehen, daß sie 1989 nur gegen sich selbst demonstriert hätten. Da geht's dann doch ins Groteske über.

Gegenüber solchen restaurativen Tendenzen, ebenso wie gegenüber denen von attac oder WASG, die auf eine Wiederbelebung einer fiktiven Sozialdemokratie keynesianischer Prägung zielen, müssen die Montags-Demos allerdings genutzt werden, um eine eigenständige, emanzipatorische Perspektive zu entwickeln.

 

Klaus Schramm

 

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