Deutschland-Premiere in Freiburg:
"Grüner" Oberbürgermeister läßt besetztes Gebäude räumen
Die am Sonntag von über 200 Anwohnern des Freiburger Stadtteils Vauban besetzte ehemalige Kaserne wurde gestern
morgen um 8 Uhr mit einem aggressiven Polizeieinsatz geräumt. Schon seit Monaten hatte sich eine Initiative engagierter
Bürger dafür eingesetzt, im Gebäude kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. Doch Oberbürgermeister Dieter Salomon
begründete seine Ablehnung allein damit, daß die Initiative nicht rechtzeitig genügend Geld für den Erwerb der Immobilie
bereitgestellt hätte. Die Vermarktung des im Besitz der Stadt befindlichen Grundstücks zählt offenbar mehr als soziale
und ökologische Gesichtspunkte.
Dabei war das Vauban-Quartier einmal unter genau dem Leitbild einer "sozial-ökologischen Stadtplanung" entstanden.
Und in keinem anderen Stadtteil hatte der bei der OB-Wahl auf dem grünen Ticket kandidierende Salomon mehr Stimmen
erhalten. Bezeichnender Weise wurde durch den Polizei-Pressesprecher verbreitet, "die wenigsten" der festgenommen
Hausbesetzer kämen aus dem Vauban. Die Vauban-Bewohner wissen es besser, denn die Räumung fand gerade zur Zeit
eines gemeinsamen Frühstücks statt, bei dem auch Anwohner der umliegenden Häuser zugegen waren. Einer der geistigen
Väter des Stadtteils, Matthias-Martin Lübke, hatte noch dieser Tage versucht, in einem offenen Brief1 den
Freiburger Stadtrat und OB Salomon daran zu erinnern, daß bei der Planung des Stadtteils beabsichtigt war, auch weniger
einkommensstarke Bürger anzusiedeln: "Dafür gab es einen entsprechenden Beschluß."
Nach Augenzeugenberichten ging die Polizei bei der Räumung des Hauses, die zudem nicht formgerecht angekündigt
worden war, und bei der Räumung einer Sitzblockade unverhältnismäßig aggressiv vor. Einige Personen bekamen von
Polizisten einen Ellenbogen ins Gesicht, wurden am Ohr gezogen oder der Arm verdreht. Eine Person wurde mit solcher
Wucht gegen eine Glasfront geschleudert, daß diese riß. Auch einige der gerade beim Frühstück anwesenden Anwohner
wurden bei der Räumung zunächst ins Haus gedrängt und dort ohne rechtliche Handhabe erkennungsdienstlich behandelt.
Die Deutschland-Premiere einer Hausräumung unter grüner Flagge wird in Freiburg noch für einigen Gesprächsstoff sorgen.
Doch besonderen Unmut zog sich OB Salomon im Vauban-Quartier dadurch zu, daß er unmittelbar nach der Räumung die
Bagger auffahren ließ. Um das Gelände potenten Investoren zuführen zu können, mußte eine Abrißfirma bis in die späten
Nachtstunden Löcher in die Außenwände des umstrittenen Gebäudes reißen, um es so unbewohnbar zu machen.
Klaus Schramm
Anmerkung:
1 Dieser wurde hier am 12.01. veröffentlicht.