14.01.2004

Salomonischer Bagger

Deutschland-Premiere in Freiburg:
"Grüner" Oberbürgermeister läßt besetztes Gebäude räumen

Die am Sonntag von über 200 Anwohnern des Freiburger Stadtteils Vauban besetzte ehemalige Kaserne wurde gestern morgen um 8 Uhr mit einem aggressiven Polizeieinsatz geräumt. Schon seit Monaten hatte sich eine Initiative engagierter Bürger dafür eingesetzt, im Gebäude kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. Doch Oberbürgermeister Dieter Salomon begründete seine Ablehnung allein damit, daß die Initiative nicht rechtzeitig genügend Geld für den Erwerb der Immobilie bereitgestellt hätte. Die Vermarktung des im Besitz der Stadt befindlichen Grundstücks zählt offenbar mehr als soziale und ökologische Gesichtspunkte.

Dabei war das Vauban-Quartier einmal unter genau dem Leitbild einer "sozial-ökologischen Stadtplanung" entstanden. Und in keinem anderen Stadtteil hatte der bei der OB-Wahl auf dem grünen Ticket kandidierende Salomon mehr Stimmen erhalten. Bezeichnender Weise wurde durch den Polizei-Pressesprecher verbreitet, "die wenigsten" der festgenommen Hausbesetzer kämen aus dem Vauban. Die Vauban-Bewohner wissen es besser, denn die Räumung fand gerade zur Zeit eines gemeinsamen Frühstücks statt, bei dem auch Anwohner der umliegenden Häuser zugegen waren. Einer der geistigen Väter des Stadtteils, Matthias-Martin Lübke, hatte noch dieser Tage versucht, in einem offenen Brief1 den Freiburger Stadtrat und OB Salomon daran zu erinnern, daß bei der Planung des Stadtteils beabsichtigt war, auch weniger einkommensstarke Bürger anzusiedeln: "Dafür gab es einen entsprechenden Beschluß."

Nach Augenzeugenberichten ging die Polizei bei der Räumung des Hauses, die zudem nicht formgerecht angekündigt worden war, und bei der Räumung einer Sitzblockade unverhältnismäßig aggressiv vor. Einige Personen bekamen von Polizisten einen Ellenbogen ins Gesicht, wurden am Ohr gezogen oder der Arm verdreht. Eine Person wurde mit solcher Wucht gegen eine Glasfront geschleudert, daß diese riß. Auch einige der gerade beim Frühstück anwesenden Anwohner wurden bei der Räumung zunächst ins Haus gedrängt und dort ohne rechtliche Handhabe erkennungsdienstlich behandelt.

Die Deutschland-Premiere einer Hausräumung unter grüner Flagge wird in Freiburg noch für einigen Gesprächsstoff sorgen. Doch besonderen Unmut zog sich OB Salomon im Vauban-Quartier dadurch zu, daß er unmittelbar nach der Räumung die Bagger auffahren ließ. Um das Gelände potenten Investoren zuführen zu können, mußte eine Abrißfirma bis in die späten Nachtstunden Löcher in die Außenwände des umstrittenen Gebäudes reißen, um es so unbewohnbar zu machen.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkung:
1 Dieser wurde hier am 12.01. veröffentlicht.

 

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