15.05.2008

Regenwaldvernichtung
durch europäische Nachfrage
angeheizt

Brasilianische Umweltministerin Marina Silva tritt zurück

Während des Besuchs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel trat am Dienstag, 13. Mai, die brasilianische Umweltministerin Marina Silva zurück. Gestern (Mittwoch) schloß Merkel wie geplant mit dem umweltverbrecherischen brasilianischen Präsidenten Lula öffentlichkeitswirksam vermeintliche Umweltschutz-Abkommen. Gründe für den Rücktritt waren offiziell zunächst nicht zu erfahren - doch der Zeitpunkt und die jüngst publik gewordenen Horrorzahlen über die ungebremst fortschreitende Regenwaldvernichtung sprachen für sich.

Holz aus illegalen Quellen, für das weltweit - und an vorderste Stelle in Brasilien - riesige Wälder vernichtet werden, landet in großen Mengen in der Europäischen Union. Anhand der Außenhandelsdaten von 2006 berechnete die Umwelt-Organisation WWF laut einer am 9. Mai veröffentlichten Studie, daß fast ein Fünftel des in die EU importierten Holzes unter Mißachtung geltender Gesetze gefällt und gehandelt wird. Mit einem Anteil von zehn Prozent steht Deutschland nach Finnland und Großbritannien auf Platz 3 der Hauptabnehmerländer für illegales Holz.

"Es handelt sich schlicht und einfach um Hehlerware, für die wertvolle Urwälder zerstört werden. Den hohen Anteil von illegalem Holz hierzulande können wir verhindern, wenn die Geschäftemacherei auf Kosten der Natur endlich unter Strafe gestellt wird und der Markt für solche Produkte in der ganzen EU austrocknet," meint Nina Griesshammer, Waldexpertin des WWF. Doch schon während der sieben Jahre "rot-grüner" Bundesregierung zwischen 1998 und 2005 hatte sich gezeigt, daß die Forderungen und Hinweise der Umwelt-Verbände auf taube Ohren stießen. So ist es kaum verwunderlich, wenn auch "Schwarz-Rot" unter Kanzlerin Merkel lediglich an Umwelt-Propaganda statt an Maßnahmen zur Eindämmung des Raubbaus interessiert ist.

Seit Jahrzehnten ist der deutsche und europäische Holzhandel durch die unvermindert hohe Nachfrage nach Tropenholz maßgeblich für die Zerstörung der letzten großen Waldgebiete der Erde verantwortlich. Die Aufgabe von PolitikerInnen der "schwarz-rot-gelb-grünen" Blockflöten-Parteien besteht allein darin, diese globalen Verbrechen hinter einem Vorhang von Umwelt-Rhetorik verschwinden zu lassen. Die Mainstream-Medien spielen dabei ihren Part. Kaum bekannt ist daher, daß der Deutsche Bundestag ein von Umweltverbänden gefordertes Urwaldschutzgesetz mit der Begründung ablehnte, das Problem müsse auf EU-Ebene gelöst werden.

Nicht nur in Brasilien, auch in Indonesien und Rußland werden die Urwälder in atemberaubendem Tempo vernichtet. In Rußland existiert mit immerhin noch 345 Millionen Hektar die weltweit drittgrößte Urwaldfläche. Doch deren Holz landet ebenso wie illegale Ware aus Südamerika, Asien und Afrika zu großen Teilen in Europa. Laut der aktuellen WWF-Studie verkaufen globale Holz-Konzerne rund 20 Prozent des insgesamt gehandelten Tropenholzes - rund 30 Millionen Kubikmeter pro Jahr in der EU. In deutschen Baumärkten und Möbelhäusern wird das Holz verkauft, wie Greenpeace, WWF, Rettet den Regenwald und andere Umwelt-Organisationen seit Jahren unermüdlich anprangern.

Im Amazonasgebiet verschwindet jährlich eine Fläche von 6 Millionen Hektar Regenwald. In Indonesien liegt der jährliche Waldverlust bei 2 Millionen Hektar, im Kongobecken - überwiegend in der unter Kabila jr. nun westlich ausgerichteten DR Kongo gelegen - bei 1,5 Millionen Hektar. Birma hat in den vergangenen 15 Jahren mehr als ein Fünftel seiner Wälder verloren. Auch in Rußland, Lettland, Estland, Bulgarien, Georgien, Tadschikistan, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Albanien nimmt die Waldfläche rapide ab. Bis zur Hälfte der Bäume werden illegal gefällt. Jede Minute verschwinden weltweit Wälder mit einer Fläche von 38 Fußballfeldern, vor allem wegen Brandrodung, aber auch wegen des illegalen Holzeinschlags.

Die heute 50-jährige Marina Silva gehörte der brasilianischen Regierung seit 2003 als Umweltministerin an. Durch ihre Herkunft aus einfachen Verhältnissen - sie war selbst Kautschuk-Zapferin und lernte erst im Alter von 16 Jahren Schreiben und Lesen - und ihr unerschrockenes Eintreten für den Schutz des Regenwaldes verlieh sie der neoliberalen und umweltzerstörerischen Politik von Präsident Lula unverdiente Glaubwürdigkeit. Bereits im März 2005 war erstmals die Frage aufgetaucht, wie lange sie trotz offenkundiger Erfolglosigkeit als ökologisches Aushängeschild dienen würde. Ein ähnliches Schicksal war einige Jahre zuvor dem bekannten Öko-Aktivisten José Lutzenberger beschieden. Ebenso wie Marina Silva war er als Umweltminister zurückgetreten, nachdem er hatte erkennen müssen, daß zwischen den Worten und den Taten eines Präsidenten ein himmelweiter Unterschied bestehen kann.

"Bundeskanzlerin Merkel steht bei ihrem Staatsbesuch in Brasilien vor einem weiteren Scherbenhaufen deutscher Umwelt- und Energiepolitik", erklärt Klaus Schenck von 'Rettet den Regenwald'. Ende April hatten der deutsche "Umwelt"-Minister Sigmar Gabriel und seine brasilianische Amtskollegin noch die "Nachhaltigkeit" der brasilianischen Agrospritproduktion beteuert und ein bilaterales Energieabkommen mit Schwerpunkt Agrokraftstoffe angekündigt. Der jetzige Rücktritt der brasilianischen Umweltministerin Marina Silva zeigt - so Schenk, daß "diese Beteuerungen nichts mehr sind als schöne Worte."

In ihrem mittlerweile bekannt gewordenen Rücktrittsschreiben begründet Marina Silva ihre Entscheidung mit dem "Widerstand, den ihre Umweltpolitik in wichtigen Sektoren der Regierung und Zivilgesellschaft erfahren hat". Mit Marina Silva traten weitere hohe FunktionärInnen des brasilianischen Umweltministeriums und der Direktor der Waldbehörde IBAMA zurück. Brisant ist zudem, daß Brasilien mit Marina Silva den Vorsitz bei der "UN-Biodiversitätskonvention" innehatte, die dieser Tage in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn tagt, und daß Deutschland nun den Vorsitz übernommen hat.

Marina Silva war die einzige Ministerin in Lulas Regierung, die sich - gleichfalls erfolglos - gegen den Bau neuer Atomkraftwerke wie Angra 3 und gegen den Anbau genmanipulierter Pflanzen ausgesprochen hat. Ihr Rücktritt kurz vor Verabschiedung einer von der Agro-Industrie seit 2005 angestrebten Änderung des Waldschutzgesetzes (Código Florestal), die faktisch die Abholzung des Regenwaldes in großem Stil erlaubt, zeigt deutlich, daß Umweltpolitik in der Regierung Lula keine Bedeutung beigemessen wird.

Die Soja- und Zuckerrohrbarone feiern bereits den Abgang der Umweltministerin. Diese galt bei ihnen als "Radikale", weil sie immer wieder die öffentliche Aufmerksamkeit auf die fortschreitende Waldzerstörung gelenkt hatte. Die gekoppelte Produktion von Sojaöl zur Beimischung im Dieselkraftstoff und Sojaschrot für die Fleischproduktion ermöglichen den Konzernen überdurchschnittliche Gewinne.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

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      Kyoto-Protokoll und Regenwaldvernichtung (20.08.07)

      Landkonflikt mit Zellstoff-Konzern Aracruz in Brasilien
      Papiertaschentücher und Regenwaldvernichtung (26.07.07)

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      Ein weiterer Irrer giert nach der A-Bombe (11.07.07)

      Brasiliens Wiedereinstieg in die Atomenergie
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      »Landliebe« ist Genfood
      Greenpeace deckt die Herkunft der Futtermittel auf (3.03.06)

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