26.11.2004

Sudan:
Bundestag beschließt
Platz an der Sonne

Am heutigen Freitag wird der Bundestag vermutlich mit großer Mehrheit und großer Heuchelei dem alten deutschen Motto folgen und dafür sorgen, daß auch Deutschland einen "Platz an der Sonne" bekommt.

Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde in Deutschland offen darüber geredet, daß der "Platz an der Sonne", also ein angemessenes Stück von großen Kuchen der Kolonialgebiete, dazu dienen soll, der deutschen Wirtschaft die insbesondere in Afrika reichlich vorhandenen Rohstoffe zu sichern. Zwei Weltkrieg sind noch nicht ganz vergessen. Da hilft nur Heuchelei. Ähnlich der US-amerikanischen Regierung, die ihre Gier nach Öl und Gas beim Afghanistan-Krieg und beim Irak-Krieg mit der Propaganda vom "Krieg gegen den Terrorismus" zu bemänteln versuchte, und entsprechend der Propaganda, die bereits 1999 beim Kosovo-Krieg Erfolg hatte, bemüht "Rot-Grün" humanitäre Gründe.1

Als Einstieg soll die Entsendung einer Bundeswehreinheit dienen, die lediglich die Truppen der Afrikanischen Union bei ihrem Transport in die sudanesische Krisenregion Darfur unterstützen soll. Blutvergießen oder tote deutsche SoldatInnen wären gleich zu Beginn einer schleichenden Gewöhnung der deutschen Öffentlichkeit an Auslandseinsätze der Bundeswehr abträglich.

Einblicke in die Realität heutiger Kriegsführung bietet unvermutet ein deutsches Magazin. Wie der 'stern' (Nr. 46 v. 4.11.04) in einer Reportage über den Einsatz der Elite-Einheit KSK in Afghanistan berichtet, ist es dieser Spezialtruppe bekannt, daß das US-amerikanische Militär skrupellos auch unbeteiligte Zivilisten tötet:

Kommt so eine blöde Ziege daher. Wir werfen Steine - nutzt nix. Wenig später ist der Hirte da, ein Alter. Du zielst auf ihn. Deine Dipolantenne ragt aus der Stellung. Der bückt sich runter zu dir, sagt 'Salem Aleikum' und geht ganz cool weiter. Du bist enttarnt,... (...) Es sind die Amerikaner, die hart nachfragen, weshalb der Oberfeldwebel den Zigenhirten nicht "eliminiert" habe. Schallgedämpft abknallen, dann hätte er den Auftrag fortsetzen können.

Doch in dem wie eine Werbebroschüre für die Bundeswehr aufgemachten 'stern'-Artikel ist noch heftigeres zu erfahren:

"Die Amis eliminieren solche Bedrohungen tatsächlich", sagt ein Ex-Offizier der KSK. (...) Die Deutschen hätten auch erlebt, wie Amerikaner "bei der Operation Anaconda ganze Dörfer platt machten" (...) "Die Bilder von Abu Ghraib, das Foltern in irakischen Gefängnissen, haben mich absolut nicht überrascht."

Aber auch dies ist noch zu steigern:

Offiziell heißt es im Verteidigungsministerium, KSK-Soldaten hätten in Afghanistan nur eine Hand voll Gefangene gemacht und die wieder laufen lassen. Wahr ist, "daß wir immer Amerikaner dabei hatten, wenn Gefangene gemacht wurden. So haben die eben die Verdächtigen festgenommen, nicht wir." Eigentlich dürfen deutsche Soldaten Gefangene nicht an ein Land übergeben, in dem die Todesstrafe verhängt wird. "Im Grunde ist es eine Sauerei, unsere Jungs mit ungeklärter Rechtslage da rein zu schicken", sagt der Ex-Offizier.

Selbstverständich sind diese wenigen Zeilen zwischen seitenweiser Heroisierung kaum zu finden, alles ist mit vielen schönen Bildern ausgestattet und irreführend unter dem Titel "Terrorkampf" abgedruckt.

Der nun geplante Bundeswehr-Einsatz im Sudan ist zunächst auf ein halbes Jahr befristet und soll "nur" 6,75 Millionen Euro kosten. Die EU stellt mehr als 80 Millionen Euro - wovon wiederum ein großer Teil aus deutschen Steuergeldern stammt - für die "Militärmission" zur Verfügung.

Formal wäre der Bundeswehr-Einsatz zwar nicht nach dem Grundgesetz, jedoch nach UN-Resolution und bestellter Hilfeersuchen der 'Afrikanischen Union' zulässig. Es ist jedoch offensichtlich, daß die von der Bundesregierung herausgegebene und in den Massenmedien verbreitete Darstellung über die humanitäre Lage in der Krisenregion Darfur und im angrenzenden Tschad ein völlig falsches Bild gibt. Von "Völkermord", der sich dort unter den Augen der Weltöffentlichkeit abspiele, wird nur von US-amerikanischen und deutschen PolitikerInnen gesprochen. Es gibt tatsächlich massive Umweltprobleme in der Region, Flüchtlingsströme und Vertreibungen. Allerdings sind diese nicht allein den Dschandschawid-Milizen sondern auch den gegen die Zentralregierung kämpfenden Rebellen- Organisationen zuzuschreiben. Die Lage entspricht der in vielen anderen Regionen Afrikas, in denen auf Betreiben westlicher Konzerne verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander gehetzt werden.2 Die Lage in der Region Darfur ist schlimm, aber sie ist nicht durch Mord und Totschlag gekennzeichnet und erst recht kann von "Völkermord" keine Rede sein.

Die Außenpolitik der Bundesregierung gegenüber Sudan ist von einer feindseligen Haltung gegenüber der Zentralregierung in Khartoum geprägt. Seit längerem heizen Außen- und Entwicklungsministerium die öffentliche Diskussion in Deutschland durch ständig wiederholte Forderungen nach einem entschiedenen militärischen Eingreifen von außen in Darfur an. Am 2. November beschlossen die Außenminister der EU durch verschiedene Maßnahmen den "politischen Druck" auf die Regierung und die Rebellenorganisationen zu erhöhen.

Jeder Hubschrauberflug kostet mehr als die Rettung eines Kinderlebens im Sudan. Der "rot-grüne" Bundeswehreinsatz-Antrag stützt sich auf die UN-Resolutionen vom Juli und September 2004. Die neueste UN-Resolution, die am 19. November in Nairobi verabschiedet wurde, betont die Wichtigkeit der humanitären Hilfe und fordert die Mitgliedstaaten auf, "dringende und großzügige Beiträge zu den humanitären Maßnahmen bereitzustellen" (UN-SR-Res. 1574)

Eine militärische Befriedung des Gebietes, das so groß ist wie Frankreich, ist auch mit noch so vielen Truppen nicht möglich. Das viele Geld, das von der EU, aber auch von den afrikanischen Staaten für militärische Aktionen ausgegeben werden soll, wird allein dazu dienen, den beteiligten EU-Staaten einen zukünftigen Zugriff auf die Ölquellen im Westsudan zu sichern.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkungen

1 Schon seit Monaten wird mit Hilfe der Massenmedien eine "humanitäre Katastrophe" im Sudan beschworen. Siehe hierzu auch unsere Artikel
      'Das "humanitäre" Interesse am Sudan...
      ...gilt den Bodenschätzen' (4.06.04)

      'Neue Runde im Propagandakrieg gegen den Sudan' (25.07.04)

      'Sudan: Lügen für den Krieg' (9.08.04)

2 Siehe hierzu beispielsweise unsere Artikel
      'Was macht den Kongo plötzlich so interessant?' (22.06.034)

      'Die vergessenen Kriege' (28.03.03)

 

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