25.10.2006

Deutsche Soldaten in Afghanistan
zeigen ihr wahres Gesicht

Der Skandal ist die militärische Normalität

Die Affaire um "perverse" Fotos von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ähnelt mehr und mehr der Affaire Abu Ghraib1 des US-Militärs und der Affaire "Ali Baba"2 des britischen Militärs. Nachdem die Dämme gebrochen sind, werden mehr und mehr Serien von Fotos veröffentlicht, die den entmenschlichten Charakter des Militärs offen zur Schau stellen.

Die Frage stellt sich jedoch, was ist perverser: Fotos von Soldaten, die religiöse Tabus verletzen oder Fotos von den "gewöhnlichen" Folgen des Krieges wie zerfetzte und verstümmelte menschliche Leiber nach Bombenangriffen oder MG-Feuer? Während letztere - soweit sie je an die Öffentlichkeit gelangen - mit der Illusion eines "ehrenhaften" oder "sauberen" Kriegshandwerks vereinbar erscheinen, stellen jene diese Illusion in Frage.

Erstaunlich ist, wie lange der Damm gehalten hat. Denn wie RTL mit der Veröffentlichung einiger dieser Fotos bekannt gab, datieren sie vom März 2004, andere vom Frühjahr 2003. Und es ist schlicht lachhaft, wenn in den Mainstream-Medien Europas seit vier Jahren fast ausnahmslos das Bild der in Afghanistan "beliebten deutschen Soldaten" gezeichnet wurde - so, als ob sich in Afghanistan nicht längst herumgesprochen hätte, was deutsche Soldaten dort so treiben, während sie den Opium-Anbau beschützen. Ohne diese nur in Industrieländern flächendeckend wirkende Medienmacht ist die afghanische Bevölkerung nicht annähernd in dem Ausmaß zu verdummen wie der weit überwiegende Teil hierzulande.

Es ist auch keineswegs zufällig, wenn ausgerechnet die Speerspitzen der Medienmacht von RTL oder vom Toilettenpapier mit den vier Buchstaben sich an die vorderste Front der Empörung setzen. Denn exakt aus dieser Position läßt sich die stets bereit liegende Interpretation durchsetzen, bei dieser Affaire handele es sich um "Auswüchse", die auf das Konto weniger "schwarzer Schafe" gingen. So wird auch umgehend ein Zitat des Generalinspekteurs der Bundeswehr beigefügt. Dieser erklärt - wie nicht anders zu erwarten: "Bei den Bildern handelt es sich um einen weiteren Einzelfall". Weiter: "Es ist nicht zu fassen, daß es solche Menschen gibt und es ist außerordentlich entsetzlich, daß es solche Menschen in unseren Reihen gibt."

Quer durch alle politischen Parteien geben sie sich "erschüttert". Kriegsminister Franz Josef Jung kündigt Konsequenzen an: für die Soldaten. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Fotos am Mittwoch abscheulich. "Die Bundesregierung wird gegen die Soldaten, die dabei eine Rolle spielen, ermitteln und mit aller Härte durchgreifen", sagte sie in Berlin. So wird versucht, die Deutungshoheit über den Skandal nicht zu verlieren. Konsequent fuhr die deutsche Kanzlerin im selben Atemzug fort: "Der internationale Militäreinsatz in Afghanistan wird fortgesetzt."

Denn worin besteht der Skandal? Der wirkliche Skandal besteht schlicht und einfach darin, daß jede Armee Menschen dazu abrichtet, sie als Mörder einsetzen zu können. Schon seit über hundert Jahren ist bekannt - psychologische Untersuchungen haben dies immer wieder bestätigt - , daß diese Abrichtung zum Mord-Einsatz unvermeidlich Charakterdeformationen und Verrohung nach sich zieht. Für jeden einigermaßen geistig gesunden jungen Menschen ist die "Ausbildung" zum Soldaten - ebenso wie die zum Henker - nichts anderes als eine psychische Vergewaltigung. Doch das größere Problem sind die wirklichen Psychopathen. Diese können sich im Militär so richtig ausleben und gelangen nicht selten in Spitzenpositionen. Der schlagendste Beweis hierfür ist die weltweite Unfähigkeit zur atomaren Abrüstung.3

 

Ute Daniels

 

Anmerkungen

1 Siehe unseren Artikel:

      Irak: Folter as usual (25.12.05)

2 Siehe unseren Artikel:

      "Operation Ali Baba"
      Auch britisches Militär folterte im Irak (19.01.05)

3 Siehe unsere Dokumentation:

      Sind Kernwaffen notwendig?
      Rede des US-amerikanischen Ex-Generals Lee Butler (14.01.02)

 

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