Der Generalinspekteur der Bundeswehr
und ein Staatssekretär traten heute zurück
Heute mußten der Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan und der "Verteidigungs"-Staatssekretär Peter Wichert - offenbar auf Druck des neuen Kriegsministers Karl-Theodor zu Guttenberg - zurücktreten. Der frühere Kriegsminister und jetzige Arbeitsminister Franz Josef Jung sieht bislang keinen Grund zum Rücktritt.
Am 4. September hatten F-15-Kampfflugzeuge auf Befehl des deutschen Oberst Georg Klein in der Nähe des afghanischen Einsatzortes Kundus zwei gekaperte Tanklaster bombardiert. Bei der Bombardierung der in einem Flußbett feststeckenden Tanklaster, von denen für deutsche Truppen keine akute Bedrohung ausging, kamen bis zu 142 Menschen, darunter nach heutigem Wissensstand eine Vielzahl von ZivilistInnen ums Leben. Dieser Tage wurden Berichte deutscher Feldjäger bekannt, die bereits unmittelbar nach dem 4. September vorlagen und aus denen hervorgeht, daß ZivilistInnen bei der Bombardierung getötet wurden. Der damalige deutsche Kriegsminister Franz Josef Jung hatte die Bombardierung unmittelbar nach Bekanntwerden gerechtfertigt. Während Jung auch durch seine Pressesprecher den Tod von ZivilistInnen bis zum 7. September ausschließen ließ, fiel auf, daß sich der Generalinspekteur der Bundeswehr Schneiderhan in diesen Tagen öffentlich nicht zur Frage äußerte. Heute nun mußten Schneiderhan und Wichert den Part der Bauernopfer spielen, damit sich der damalige deutsche Kriegsminister Jung mit der Behauptung herausreden kann, er sei nicht informiert gewesen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ heute zwar deutliche Distanz zu Minister Jung erkennen, scheint aber an ihn festhalten zu wollen, solange nicht weitere Informationen durchsickern, die Jungs Position endgültig unterminieren. Auf einer Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vermied die Kanzlerin eine ausdrückliche Rückendeckung für Jung. Sie verwies lediglich auf eine unmittelbar bevorstehende Erklärung des Ministers. Jungs Stellungnahme vor dem Bundestag bestand dann allerdings im Wesentlichen in einer Aufzählung der von ihm seit dem 4. September vorgelegten Verlautbarungen.
Von den Mainstream-Medien wurde im Verlauf des heutigen Tages eine Vielzahl von Spekulationen und Falschinformationen verbreitet, die offenbar dazu dienen sollen, vom zentralen Aspekt des Kundus-Massakers abzulenken. Denn es geht weniger darum, was nach dem 4. September verheimlicht wurde, sondern im Kern ist entscheidend, ob die Bombardierung nicht selbst nach militärischen Maßstäben völlig verfehlt war und ob sie - wie der jetzige Kriegsminister zu Guttenberg noch am 6. November betonte - als "militärisch angemessen" bewertet werden kann.
Die US-amerikanischen F-15-Kampfflugzeuge, die die Bomben auf die beiden Tanklaster abwarfen, waren mit Maschinen-Kanonen ausgestattet. Nach den vorliegenden Informationen haben die Piloten der Kampfflugzeuge vor der Bombardierung angefragt, ob sie das Zielobjekt zuerst im Tiefflug überfliegen sollten, um so möglicherweise bei den Tanklastern stehende ZivilistInnen zu warnen. Auch hätte eine Salve aus den Maschinen-Kanonen alle Anwesenden sofort vertrieben. Ohne den Abwurf von Bomben hätten die Tanklaster bei einem zweiten Anflug mit den Bord-Kanonen in Brand geschossen werden können. Alles deutet darauf hin, daß die Piloten den Abwurf von Bomben für völlig überzogen erachteten. Rein aus militärischer Sicht lag ganz offensichtlich kein hinreichender Grund für die Bombardierung vor.
Entscheidend ist nicht so sehr, daß kurz nach der Bombardierung die ersten und vergleichsweise umfassenden Berichte deutscher Feldjäger vorlagen, aus denen hervorging, daß es zivile Tote gegeben hatte, sondern, daß bereits vor dem Befehl zur Bombardierung genügend Zeit war, um zu erkennen, daß es bei dem Angriff zu einer großen Zahl ziviler Toter kommen würde.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe unsere Artikel zum Thema:
Massaker in Afghanistan?
Regelverletzung bei Bombardierung? (10.09.09)
Afghanistan-Krieg: ZivilistInnen getötet
bei Bombardierung zweier Tanklaster? (7.09.09)