25.10.2005

Artikel

Teilprivatisierung des
französischen Strom-Konzerns EdF

Profitgier kann Atomenergie stoppen

EdF, der französische Strom-Monopolist, der insgesamt 58 Reaktoren an 19 Standorten betreibt und am Aktienkapital der EnBW, einem der vier deutschen Strom-Giganten zu 45 Prozent beteiligt ist, soll nun nach jahrelanger Verzögerungstaktik an die Börse gebracht werden. Im August war die EdF in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Frankreichs Finanzminister Thierry Breton kündigte eine erste Teilprivatisierung bis 21. November an. Dabei sollen ab Freitag rund 300 Millionen Aktien emittiert werden. Laut Breton wird der Erlös von "maximal sieben Milliarden Euro" der EdF zufließen und nicht dazu dienen, Haushaltslöcher zu stopfen. Premierminister Dominique de Villepin betonte, der französische Staat werde zunächst bis 2007 "mindestens" 85 Prozent des EdF-Kapitals halten.

Standorte der französischen Atomkraftwerke

Drei Viertel ihres Stroms produziert die EdF mit Atomenergie.

Die EdF wird von den Mainstream-Medien gerne und häufig als wirtschaftlich gesundes Unternehmen dargestellt. Doch mit der EdF ist die "force de frappe", die französische Nuklearstreitmacht, untrennbar verbunden. Die "friedliche Nutzung der Atomenergie" zur Stromgewinnung und die permanente und aufwendige Instandhaltung des Atomwaffen-Arsenals sind siamesische Zwillinge und stellen zumindest für den französischen Staat, wenn auch nicht für die Nuklear-Industrie, ein Milliardengrab dar. Mit simplen Tricks konnte dies immer wieder verschleiert werden: So setzte der größte Stromproduzent Europas 2003 eine Verlängerung der Laufzeit der 58 Atomreaktoren von 30 auf 40 Jahre durch und konnte damit den Buchwert in der Bilanz drastisch erhöhen. Trotz der angeblich so rentablen Atomenergie und mangels der gewohnten Milliarden-Zuschüsse des französischen Staates drohte der EdF in der ersten Halbjahresbilanz 2003 noch ein Defizit von 6 Milliarden Euro. Allein durch die Laufzeitverlängerung konnte der Konzern einen Gewinn von 728 Millionen Euro ausweisen. 2004 brachte es die EdF auf einen Umsatz von 46,9 Milliarden Euro und steigerte den Gewinn auf 1,34 Milliarden Euro. Für dieses Jahr wird ein Gewinn von 2,1 Milliarden Euro erwartet. Es ist geplant, damit den Schuldenberg um 22 Prozent auf 19,1 Milliarden Euro zu senken.

Weltweit beschäftigt die EdF über 160.000 Menschen und zählt 36,2 Millionen KundInnen, davon in Frankreich 27,6 Millionen. Im PrivatkundInnenbereich in Frankreich hat die EdF bislang das Monopol. Durch die Liberalisierung der europäischen Energiemärkte mußte der Staatskonzern im Bereich der Industrie-Kundschaft gegen andere europäische Stom-Konzerne konkurrieren. Dennoch liegt der Marktanteil in Frankreich immer noch bei rund 87 Prozent. Hauptkonkurrent ist der Energie- und Wasser-Konzern Suez, der gerade erst den belgischen Strom-Konzern Electrabel geschluckt hat. Ihrerseits hat die EdF neben ihrer Beteiligung an der deutschen EnBW gerade erst mit der Mailänder Gruppe AEM die Mehrheit an Edison, dem zweitgrößten Strom-Konzern Italiens, übernommen. Auch in Österreich ist die EdF mit einer Sperrminorität an der steierischen EStAG beteiligt. Auf dem Schweizer Strommarkt mischt die EdF ebenfalls mit: Nach der geplanten Zusammenführung der Energie-Holding Motor-Columbus und des Strom-Konzerns Atel wird sie 25 Prozent an der neuen Gesellschaft kontrollieren. Darüberhinaus engagiert sie sich in Südamerika, Afrika und Asien.

Die EdF ist in Frankreich eine Hochburg der Gewerkschaften und insbesondere der CGT, die der finanziell maroden KPF nahesteht. Die CGT verwaltet riesige Sozialfonds der EdF und kassiert entsprechend hergebrachtem Statut jährlich zwei Milliarden Euro. Dies erklärt die irrationale Politik der französischen Kommunistischen Partei, die stets einer der getreuesten Bundesgenossen der französischen "sozialistischen" oder "neo-gaullistischen" Pro-Atom-Politik war.

Gegen die Teilprivatisierung der EdF gibt es heftigen Protest von der gesamten französischen Linken. Die Frage der Atomenergie spielt dabei keinerlei Rolle. Dabei geht es dem französischen Staat in diesem besonderen Fall nicht so sehr um den bei Privatisierungen obligatorischen Abbau von Arbeitsplätzen, sondern um die - höchst irrationale - Hoffnung, einen finanziellen Klotz am Bein los zu werden. Daß damit unweigerlich auch eine Demontage der Nuklearrüstung verbunden sein würde, macht sich die neue Regierung von Dominique de Villepin offenbar noch nicht klar.

Ebenso wenig macht sich die französische Linke und die Gewerkschaften klar, daß die mit der Atomenergie verknüpften Arbeitsplätze mit dem weltweiten Versiegen der Uranvorräte, also spätestens in dreißig Jahren unrettbar verloren sein werden. Die einzige Perspektive nicht nur für den Erhalt, sondern für eine Zunahme von Arbeitsplätzen wäre eine möglichst rasche Energiewende hin zur Kraft-Wärme-Kopplung und zu den regenerativen Energien. Die Durchsetzung des Profitprinzips wird den Strukturwandel allerdings noch beschleunigen. Denn schon heute zeigt sich, daß Atomstrom entgegen allen neoliberalen Wunschträumen beispielsweise gegen billigen Strom aus Gaskraftwerken oder gar aus Gas-getriebenen Blockheizkraftwerken nicht konkurrenzfähig ist.*

Um der Linken Wind aus den Segeln zu nehmen, vermied Premierminister de Villepin gestern den Begriff "Privatisierung" und sprach stattdessen von einer "Kapitalaufnahme", die für weitere internationale Zukäufe der EdF nötig sei. Zugleich unterzeichnete er einen "Vertrag über den öffentlichen Dienst". Dieser garantiert niedrige Tarife und verpflichtet die EdF, die Stromtarife in den nächsten fünf Jahren nicht über das Maß der Inflationsrate hinaus zu erhöhen. Gleichzeitig reservierte de Villepin 15 Prozent der zum Kauf angebotenen Aktien den 160.000 LohnempfängerInnen der EdF zu einem Vorzugspreis und unterzeichnete ein Abkommen mit der Betriebsleitung, das die Beibehaltung der Versorgungspflicht für PrivatkundInnen vorsieht.

Ein weiterer Schwerpunkt im Zuge des Privatisierungverfahrens ist ein massiver Investitionsplan, der in den Bereichen der Produktion und des Vertriebs 40 Milliarden Euro Ausgaben in der Zeitspanne zwischen 2006 und 2010 vorsieht. Allein in Frankreich soll durch die Investitionen nach Angaben des EdF-Geschäftsführers Pierre Gadonneix die Stromleistung um 5000 Megawatt gehoben werden, was der Kapazität von fünf Atomkraftwerken entspricht. Ob allerdings bei den steigenden Kosten für eine wenn auch nur nur notdürftige Instandhaltung der überalterten französischen AKWs genügend Mittel übrigbleiben, um in den geplanten Bau neuer AKWs vom EPR-Typ zu investieren, ist recht fraglich. Die Kosten für den Bau eines einzigen solchen Reaktors werden auf 3,2 Milliarden Euro geschätzt. Dabei sind zusätzliche Investitionen in Großbritannien, Deutschland, Italien und in weiteren "wachstumsfähigen Regionen" geplant.

Die enormen Baukosten eines AKW spielen sich erst nach über 10 Jahren Betriebszeit wieder herein. Und in Anbetracht der Konkurrenz kostengünstiger moderner Gaskraftwerke, die wesentlich kürzere Amortisationszeiten bieten, finden sich keine privaten Finanziers für einen AKW-Neubau. Auch die AktionärInnen werden unerbittlich auf die profitträchtigsten Investitionen drängen. Waren in den 50er und 60er Jahren noch fast alle europäischen Regierungen mit der Aussicht auf eine eigene Atombombe zu Milliardensubventionen für den Aufbau der Atomtechnologie zu ködern, erscheint heute eine solche "Anschub-Finanzierung" wenig aussichtsreich. Denn erstens haben sich sämtliche europäischen Staaten durch eine seit Mitte der 80er Jahre mehr oder weniger konsequent verfolgte neoliberale Wirtschaftspolitik in eine desolate Haushaltslage manövriert, die zusätzliche Milliarden-Subventionen nur um den Preis wachsender sozialer Unruhen möglich erscheinen lassen. Und zweitens verblaßt die Attraktivität der "nationalen Atomstreitmacht" angesichts der Perspektive, als Teil der EU auf einfacherem und billigerem Wege Zugriff auf eine EU-Atomstreitmacht zu erlangen.

Die Interessen der europäischen Staaten sind zudem recht disparat. Zwölf Länder sind frei von Atomenergie: Italien, Dänemark, Österreich, Irland, Luxemburg, Griechenland, Portugal, Estland, Lettland, Polen, Zypern und Malta. Vier weitere EU-Staaten haben - zumindest auf dem Papier - einen Atom-Ausstieg erklärt: Deutschland, Schweden (bereits per Volksabstimmung 1980 und per Reichtags-Beschluß 1997), Spanien und Belgien. In Litauen soll bald auch der zweite und letzte Reaktor vom Tschernobyl-Typ aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden. Und nicht zuletzt auf Grund der überall in Europa - außer Norwegen - um sich greifenden Finanzmisere, dürfte über kurz oder lang der von allen EU-Mitgliedsstaaten finanzierte Zufluß von Atom-Subventionen zum Versiegen kommen.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      'EURATOM und EU-Verfassung' (11.06.04)

      [*] ''British Energy' und der europäische Atom-Ausstieg
      Blair kämpft ums Überleben des Atom-Konzerns 'British Energy'
      (8.05.04)

      'Atom-Mafia europaweit im Aufwind?' (26.04.04)

      'Neue Atommacht EU?'
      Die militärische Dimension des EURATOM-Vertrags (24.04.04)

 

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