Auf ihrem Bundesparteitag in Freiburg hat die pseudo-grüne Partei die Grundlagen für ihre zukünftige "Regierungsfähigkeit" geschaffen. Eine klare Position zu Gorleben wurde vermieden und so steht die Führung der Partei bereit - ebenso wie 1998 für Kosovo-Krieg und Afghanistan-Krieg - als Akzeptanzbeschafferin für ein atomares Endlager Gorleben zu dienen.
Daß Gorleben für pseudo-grünes Führungspersonal wie Trittin, Künast, Fischer und auch Roth nur Verhandlungsmasse im Schacher um Ministerposten war, zeigte sich in den Jahren seit Antritt der "rot-grünen" Bundesregierung Gerhard Schröders insbesondere darin, daß Trittin sofort nach dem 2000 verkündeten "Atom-Ausstieg" ein Schreiben an Partei-Mitglieder richtete, um diese von der Teilnahme an CASTOR-Protesten abzuhalten. Seitdem war von den Pseudo-Grünen im Wendland nur noch wenig zu sehen. Und konsequenter Weise ist auch heute noch in Parteikreisen - ebenso wie beim "roten" Sigmar Gabriel - die Sprachregelung in Kraft, wonach die Republik durch den "Atom-Ausstieg" vom Jahr 2000 "befriedet" worden sei. Passend dazu wird von dieser Seite an "Schwarz-Gelb" der Vorwurf gerichtet, mit den "Laufzeitverlängerungen" sei dieser Friede - der nie im Wendland angekommen war - nunmehr aufgekündigt und "Schwarz-Gelb" habe damit "Spaltung und Unfrieden" provoziert.
Von unschätzbar aufklärerischem Wert ist eine (vermutlich versehentliche) Äußerung des früheren Aufsichtsrats von Daimler-Chrysler und Deutscher Bank, Hilmar Kopper, der die Rolle, die "Rot-Grün" seit Beginn dieses Jahrtausends in der Politik spielt, unverhohlen darlegte: "Wenn Sie mich vor anderthalb Jahren gefragt hätten, ob ich mir eine aktive Beteiligung der Bundesregierung auf dem Balkan unter rot-grüner Beteiligung vorstellen könnte, dann hätte ich Sie für nicht recht gescheit gehalten. Genauso aber kam es. Und es konnte nur von der rot-grünen Regierung kommen, sonst hätten wir in diesem Land eine Revolution gehabt. Ähnliches gilt wohl auch für die Veränderung des Sozialstaates. Wahrscheinlich müssen die heiligen Kühe von denen geschlachtet werden, die an ihrer Aufzucht am aktivsten beteiligt waren." ('Hamburger Abendblatt', 4. November 1999)
So war es nun auch kaum anders zu erwarten, als daß die Pseudo-Grünen sich auf ihrem Bundesparteitag an diesem Wochenende nicht gegen ein Endlager in Gorleben aussprachen. Greenpeace veröffentlichte eine empörte Pressemitteilung unter der Überschrift "Rote Karte für die Grünen in der Gorleben-Frage". Dabei dürfte wohl vorausgesetzt werden, daß sich die Delegierten dieses Parteitages darüber im klaren sind, daß der Gorlebener Salzstock aus fachlichen Gründen als Endlager für hochradioaktiven Müll ausscheidet. Spätestens seit der Folge von Skandalen um das "Versuchs-Endlager" Asse II und dem Wissen darüber, daß dieses Bergwerk abzusaufen droht, ist offensichtlich, daß Gorleben nur aus Profitinteresse weiterhin als Endlager gehandelt wird.
Noch am 6. November tummelte sich medienwirksam ein Großteil des pseudo-grünen Partei- und Bundesfraktions-Vorstandes auf den Protestkundgebungen im Wendland. "In Gorleben protestieren und den Salzstock nicht als atomares Endlager ausschließen - das paßt nicht zusammen", kommentiert dies Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl.
Auf dem Parteitag sollte ein Leitantrag der Parteivorstände zur Energiepolitik verabschiedet werden. Während der Co-Vorsitzende Cem Özdemir mit Tremolo in der Stimme versprach: "Wir werden Gorleben beenden", hieß es zunächst in diesem Papier, es müsse nun eine "ergebnisoffene" Endlager-Suche beginnen mit einer quasi weißen Landkarte von Deutschland. Gorleben war in dieser Formulierung nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Einige Delegierte hatten nun aber den definitiven Ausschluß des Gorlebener Salzstocks als Endlager gefordert. Der Vorstand konnte diesen Mini-Aufstand allerdings in gewohnter Souveränität abbiegen, indem er ein "Kompromiß-Papier" aus dem Ärmel zog. Darin heißt es nun ebenso wachsweich zu Gorleben: "Bündnis 90/Die Grünen werden daher alles daran setzen, innerhalb einer Legislaturperiode die Aufgabe des Endlagerstandortes zu erreichen."
Greenpeace stellt in der Pressemitteilung fest: Zur Zeit der "rot-grünen" Bundesregierung von 1998 bis 2005 wurde zwar ein 10-jähriges Moratorium zum Endlager-Standort Gorleben ausgesprochen, aber: "Der Standort Gorleben wurde nie endgültig aus der Endlagersuche herausgenommen, geschweige denn die CASTOR-Transporte in das Zwischenlager gestoppt."
Auch der baden-württembergische Landesvorsitzende der Pseudo-Grünen, Winfried Kretschmann, der sich derzeit wegen eines Höhenfluges bei den Umfrageergebnissen Hoffnungen machen darf, bei der Landtagswahl am 27. März kommenden Jahres Ministerpräsident und Nachfolger von Stefan Mappus zu werden, hat sich schon beim Nachbarland Schweiz ein raffiniertes Konzept abgeschaut, wie es gelingen könnte, den Deutschen Gorleben als atomares Endlager schmackhaft zu machen. In einem Interview mit der 'Badischen Zeitung' (Samstags-Ausgabe, 20.11.10) erklärt er: "Wir brauchen ein transparentes Verfahren mit Bürgerbeteiligung nach Schweizer Muster." In Jahrzehnten anhaltenden Widerstands hat die Schweizer Atom-Lobby gelernt, daß es nicht mit dem Hau-Ruck-Verfahren klappt, mit dem sie es auch im "Land der Volksabstimmungen" zunächst versucht hatte. Tatsächlich jedoch haben sich nur die Durchsetzungs-Methoden geändert, nicht das Ziel. (Siehe auch unseren Artikel v. 18.06.09) Unverändert läuft auch in der Schweiz das Verfahren auf einen einzigen (ungeeigneten) Standort für ein atomares Endlager hinaus: Benken, ein Ort unweit des Rheinfalls bei Schaffhausen.
Die Anti-AKW-Bewegung dies- wie jenseits des Rheins ist gut beraten, wenn sie an ihrem wohlbegründeten Standpunkt festhält: Eine Endlager-Suche mit Bürgerbeteiligung hat erst dann einen Sinn, wenn sämtliche Atom-Anlagen stillgelegt sind.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
"Bundeshauptstadt im Klimaschutz 2010"
Wie kommt Freiburg zu der Ehre? (26.10.11)
Freiburg bleibt schwarz
Salomon knapp über 50 Prozent (25.04.10)
Desinformation in der 'Badischen Zeitung'
Die Schweizer Endlager-Suche (18.06.09)
Verwelkter Lorbeer
Freiburg war einmal Ökohauptstadt (10.09.07)
Einer Zombie-Partei
zum 14-jährigen Jubiläum (20.09.04)
Das ungelöste Problem der Endlagerung
Info-Serie Atomenergie - Folge 12