HSK betreibt Vertuschung
Einen ganzen Monat lang ließ sich die Sicherheitsbehörde HSK Zeit.
Erst danach informierte sie die Öffentlichkeit, daß Mitarbeiter des
AKW Leibstadt in der Nacht von 28. auf 29. Mai gleich zwei grobe Fehler
gemacht hatten. Mit den beiden "Pannen" allein konnte allerdings nicht erklärt
werden, weshalb innerhalb wenigen Stunden vier Mal so viel radioaktives Jod-131 in die
Umwelt abgegeben wurde wie im Betriebsjahr 2003 durchschnittlich während
einer ganzen Woche. Greenpeace vermutete deshalb sofort zusätzliche
Brennelement- Defekte. Erst auf entsprechende Anfrage bestätigte die HSK
gestern diese Vermutung.
Die Verlautbarungen der HSK (Hauptabteilung für die Sicherheit der
Kernanlagen) kamen nicht nur reichlich spät, sondern waren überdies
unvollständig und warfen mehr Fragen auf als sie beantworteten. Das
Atomkraftwerk Leibstadt mußte heruntergefahren werden, um ein leckendes
Ventil im Primärkreislauf zu reparieren. Die HSK läßt keine Informationen nach außen dringen, die erklären würden, wie es zu einem solchen Leck kommen konnte.
Als der Reaktor wieder hochgefahren wurde, kam es zu den berichteten
Fehlern. Ab 19 Uhr ließen die Mitarbeiter vorschriftswidrig stundenlang
Lüftungsklappen offen stehen, die das Innerste des Reaktorgebäudes von
den umgebenden Bereichen abschotten sollen. Und kurz vor 23 Uhr fuhren
sie den Reaktor zu schnell hoch, was zur Überschreitung
der erlaubten Aufheiz-Rate führte. Die nach einem solchen Fehler nötigen
und vorgeschriebenen Neuberechnungen der Belastbarkeit des
Reaktor-Druckbehälters nahmen sie nicht vor.
In dieser Nacht war innerhalb weniger Stunden vier Mal so viel radioaktives
Jod-131 in die Umwelt entwichen wie im Betriebsjahr 2003 in einer ganzen
Woche. Die Mitteilung der HSK ("Die Werte für Jod lagen bei rund zwei
Prozent der so genannten Kurzzeitabgabelimite.") ist irreführend und
verharmlosend. Das radioaktive Jod ist normalerweise in der Matrix der
Brennstoff-Tabletten und in den Brennstab-Hüllrohren fest
eingeschlossen. Greenpeace vermutete sofort, daß es neben den berichteten
Fehlern zusätzlich auch zu Brennelement-Defekten größeren Ausmaßes
gekommen sein muß. Erst auf Anfrage bestätigte die Behörde gestern
diese Vermutung. Beim Abfahren des Reaktors war offenbar ein Brennstab
aufgeplatzt und verursachte die deutlich erhöhte Jod-Freisetzung.
Würde konsequent vorausschauende Instandhaltung betrieben, hätte das
Ventil-Bestandteil ausgetauscht werden müssen, bevor es das Leck
verursachen konnte. Es stellt sich daher die Frage, ob die
Kernkraftwerk Leibstadt AG, die bekanntermaßen unter hohem Kostendruck
steht, beim Unterhalt spart, die Alterungs-Überwachung venachlässigt und damit das Risikopotential des AKWs extrem verschärft.
Ute Daniels
Anmerkungen:
Siehe auch unsere Artikel
'Atom-Mafia europaweit im Aufwind?' (26.04.04)
Hierin u.a. zum Schweizer AKW Beznau
'Öko-Institut schadet Schweizer Atomkraft-GegnerInnen' (3.02.04)
'CASTOR-Transport in der Schweiz' (27.08.03)