6.06.2008

Schwerer Störfall
im AKW Philippsburg I

Reaktor heruntergefahren

Wegen eines Druckverlusts im sicherheitsrelevanten Bereich mußte das im Mai 1979 in Betrieb genommene AKW Philippsburg I heruntergefahren werden. Der Energie-Konzern EnBW teilte heute (Freitag) mit, beim Wiederanfahren nach der sieben Wochen dauernden Jahresrevision sei in dem mit Stickstoff gefüllten Sicherheitsbehälte ein "gringer Druckabfall" festgestellt worden. EnBW ordnete das Ereignis auf der INES.Skala als "Störung" ein, womit sie eine Stufe oberhalb des Levels liegt, auf dem offiziell der Störfall im slowenischen Atomkraftwerk Krsko eingeordnet wurde. Um die Ursache zu klären und das Problem zu lösen, wurde der Reaktor laut EnBW "vorsorglich" vom Netz genommen und heruntergefahren.

Der Sicherheitsbehälter stellt eine metallene Innenhülle in geringem Abstand von der Betonaußenhülle des Reaktorgebäudes dar. Dieser aus Brandschutzgründen mit Stickstoff gefüllte Raum enthält neben dem Reaktordruckbehälter Umwälzpumpen und Rohrleitungen. Das AKW Philippsburg I besitzt einen Siedewasser-Reaktor mit einer Leistung von 926 MW. Im vergangenen Jahr produzierte es nach offiziellen Angaben über 7 TWh (Milliarden Kilowattstunden) Strom. Es ist das siebstälteste der insgesamt 17 in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke. Mit dem "Atom-Ausstieg" im Jahr 2000 war dem AKW Philippsburg I eine Reststrommenge von 87,14 TWH ab 1. Januar 2000 zugestanden worden. Bei einer jährlichen Stromproduktion von 7 TWh müßte das AKW also im Jahr 2012 stillgelegt werden. In einer vor mehreren Jahren veröffentlichten Tabelle des Bundes-"Umwelt"- Ministeriums war als Ende der "Restlaufzeit" der 26. März 2012 eingetragen. Je älter und maroder das AKW jedoch wird, desto länger werden die Stillstandszeiten - und entsprechend länger soll das AKW nach der Vereinbarung aus dem Jahr 2000 in Betrieb bleiben dürfen.

Bereits in den ersten beiden Wochen der am Dienstag beendeten Jahresrevision waren vier meldepflichtige Ereignisse festgestellt worden, darunter eine undichte Rohrleitung und ein defekter Schalter in einer Notstromschaltanlage. Beim Herunterfahren hatten zudem zwei Ventile nicht funktioniert, so daß die dazugehörigen Speisewasserpumpen werden mußten.

Wie nicht anders zu erwarten versicherte EnBW, der Störfall habe "keine Auswirkungen auf Personen, die Anlage oder die Umgebung" gehabt. Diese Darstellung wird von der baden-württembergischen Atomaufsicht unterstützt: Nach den bisherigen Überprüfungen gebe es keinen Hinweis auf einen Austritt von Radioaktivität in die Umgebung. Dennoch stufte EnBW den Vorfall vorläufig als "Eilmeldung" ein und ordnete ihn auf der internationalen INES-Skala auf der Stufe 1 (Störung) ein.

Bereits vor rund einem Jahr ereignete sich im AKW Philippsburg I ein vergleichbarer Zwischenfall. Damals entwich ebenfalls Stickstoffgas aus dem Sicherheitsbehälter. Es wurde bestritten, das dieses Gas radioaktiv kontaminiert gewesen sei. Das war über die Personenschleuse aus fehlerhaft verschlossenen Ventilen in die Zwischenhülle unterhalb des Stahlmantels des Sicherheitsbehälters gelangt.

Das AKW Philippsburg I ist binnen kürzester Zeit das zweite Atomkraftwerk in Baden-Württemberg, in dem es zu einemStörfall kam. Heute ging das baden-württembergische AKW Neckarwestheim I, an dessen Reaktordruckbehälter am 21. Mai eine Undichtigkeit festgestellt worden war, wieder ans Netz. Bei den Reparaturarbeiten wurde angeblich eine undichte Stelle an einer "Kleinleitung" entdeckt und abgedichtet.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel

      Schwerer AKW-Störfall in Slowenien
      Radioaktives Kühlwasser trat aus (4.06.08)

      AKW Neckarwestheim I heruntergefahren
      Reaktordruckbehälter undicht (23.05.08)

      AKW-Unfall in Spanien
      Greenpeace ortet Radioaktivität bei Tarragona (8.04.08)

      Brand im AKW Brokdorf (14.03.2008)

      AKW Fessenheim: Block 2 abgeschaltet
      Leck im Primärkreislauf (20.02.08)

      AKW Gundremmingen Block B abgeschaltet
      Weitere Indizien für illegales "AKW-Tuning" (9.01.08)

      Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"

      Atom-Ausstieg selber machen!

 

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