Über 39 Jahre nach der Ermordung des chilenischen Sängers Víctor Jara hat die Justiz des Landes die Festnahme von acht Ex-Militärs angeordnet. Zwei Offiziere im Ruhestand stehen im Verdacht, an der Erschießung Jaras beteiligt gewesen zu sein. Einer der mutmaßlichen Täter wird mit internationalem Haftbefehl gesucht - er lebt in den USA. Ob die Rolle der US-Regierung bei dem blutigen Umsturz am 11. September 1973, der Augusto Pinochet an die Macht brachte, näher untersucht wird, ist fraglich.
Richter Miguel Vázquez vom Berufungsgericht in Santiago verfügte, daß sich zwei Ex-Militärs wegen Mordes und sechs weitere wegen Beihilfe verantworten müssen. Als Haupttäter werden Hugo Sánchez Marmonti und Pedro Barrientos Núñez gesucht - Letzterer mit internationalem Haftbefehl. Offenbar können sich die Putschisten, die mit Hilfe des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA am 11. September 1973 eine demokratisch gewählte linke Regierung stürzten und eine Diktatur errichteten, nicht mehr auf die 1990 ausgehandelte Straffreiheit verlassen. Nach dem Ende der Diktatur hatte der neue Präsident, Patricio Aylwin, dem 17 Jahre in Chile herrschenden Pinochet politische Immunität zugesichert. Zudem blieb Pinochet bis 1998 Oberbefehlshaber des Heeres.
Mit dem Putsch im Jahr 1973 gelangte eine Militärjunta unter Pinochet in Chile an die Macht. Während der ersten Tage des Militärregimes wurden Tausende von Menschen in Gefangenenlager wie das zentrale Chile-Stadion eingesperrt. Mitglieder der linken Parteien standen im Mittelpunkt der Repression. 2.500 Personen verschwanden. Nicht selten wurden die Leichen Ermordeter aus Flugzeugen über dem Meer abgeworfen. Hinzu kommen die von der Junta zugegebenen zahlreichen Toten aufgrund der Anwendung des internen Kriegszustandes. Im Dezember 1973 ernannte sich Pinochet selbst zum Präsidenten der Nation. Rund 150.000 ChilenInnen verließen das Land.
Der unaufgeklärte Mord an dem damals 41-jährigen Musiker und Theaterregisseur Víctor Jara beschäftigt bis heute die Öffentlichkeit. Jara wurde einen Tag nach dem Putsch festgenommen und mit 5.000 anderen Gefangenen im Chile-Stadion eingesperrt. Der damalige CDU-Generalsekretär Bruno Heck, erklärte nach einer "solidarischen" Reise nach Chile: "Soweit wir Einblick bekommen haben, bemüht sich die Militärregierung in optimalem Umfang um die Gefangenen. Die Verhafteten, die wir ... sprachen, haben sich nicht beklagt." Über die Lage der im Stadion von Santiago gefangenen und gefolterten ChilenInnen sagte Heck der 'Süddeutschen Zeitung' am 18.10.73: "Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Wetter recht angenehm."
Laut den Ermittlungen der chilenischen Justiz wurde Jara am fünften Tag nach dem Putsch, dem 16. September 1973, mit "mindestens 44 Kugeln" erschossen. Die Täter hatten ihm zuvor die Hände gebrochen, um ihm die Fähigkeit zu nehmen, Gitarre zu spielen. Das Stadion, das von der Junta als Gefangenenlager genutzt wurde, trägt heute Jaras Namen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
11. September vor 35 Jahren
Ein blutiger Putsch mit Beteiligung der CIA (11.09.08)
Chile: Gefängnis für Pinochets
Geheimdienst-Chef Contreras (8.09.08)
Der Prager Frühling
Auch 40 Jahre nach dem 21. August 1968
kann die Geschichte etwas lehren (21.08.08)
Pinochet immun
Oberstes Gericht gegen irdische Gerechtigkeit (25.03.05)
Ex-Chef der "Colonia Dignidad"
in Argentinien festgenommen (10.03.05)
Gladys Marín ist tot
Chilenische KP-Vorsitzende erhält Staatsbegräbnis (7.03.05)
Wird Pinochet nun doch der Prozeß gemacht?
Für Chiles Ex-Diktator wird es eng (5.01.05)
CIA und US-Wissenschaftler
Artikel der 'Times', Los Angeles (28.01.01)