4.11.2004

Interview

mit dem Heidelberger Berufsverbots-Opfer
Michael Csaszkóczy

Mit ihm sprach Klaus Schramm

Vorbemerkung:
Bundesweites Aufsehen erregt die Neuauflage der Berufsverbotspraxis1 durch die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan. In ihrer letztverantwortlichen Entscheidung liegt es, daß der Heidelberger Lehrer Michael Csaszkóczy nicht in den Schuldienst übernommen wird. Seit dem 15. Dezember 2003, dem Tag als Csaszkóczy einen Brief des Oberschulamtes Karlsruhe erhielt, bis Mitte 2004 zog sich das Verfahren hin.

K. S.:
Inzwischen hat sich auch die SPD-Landtagsfraktion mit einer Anfrage in Deiner Sache engagiert. Du hast Unterstützung durch die GEW und von vielen Menschen in Heidelberg. Dieses Bündnis gegen das Berufsverbot, das gegen Deine Person gerichtet ist, scheint relativ neu zu sein? Anläßlich des letzten Aufmarsches von Neonazis in Heidelberg sah das doch noch ganz anders aus?

Michael Csaszkóczy:
Ja, damals wollten die Parteien und Gewerkschaften fünf Kilometer entfernt vom Nazi-Aufmarsch eine Kundgebung durchführen. Doch sie standen dann ziemlich allein herum und lasen sich gegenseitig ihre Reden vor. Über 1000 Menschen stellten sich vor Ort den Nazis entgegen und konnten so - ähnlich wie in Freiburg, wo dies mit vereinten Kräften gelang - deren Aufmarsch verhindern. Einige haben wohl aus dieser Erfahrung gelernt. Doch bereits zuvor gab es Ansätze für eine Bündnispolitik. Während des Irak-Kriegs hatten wir in Heidelberg ein breites Friedensbündnis gegen Militarismus und Krieg. Und mit der Geschichtsarbeit der AIHD (Antifaschistische Initiative Heidelberg) - wir förderten einiges über die Geschichte der studentischen Verbindungen zutage, über ermordete Widerstandsleute aus Heidelberg - entwickelten sich Kontakte zur VVN und zum DGB. Bemerkenswert ist allerdings, daß dabei sofort vom Verfassungsschutz versucht wurde, Druck auf den DGB auszuüben.

K. S.:
Außer solch offensichtlichem Druck, was ja sogar in den Verfassungsschutz-Berichten nachzulesen ist - was steht einer stärkeren gesellschaftlichen Solidarisierung im Wege?

M. C.:
Heute ist eine irrationale Angst, selbst betroffen zu werden, weit verbreitet. Und statt dies gerade zum Anlaß zu nehmen, sich zu wehren, üben sich viele in vorauseilendem Gehorsam. Das ist zum Teil noch eine Folge der Berufsverbote in den 70er Jahren. Die damalige Gesinnungsschnüffelei hat bei der Lehrerschaft, die heute überaltert ist und zu großen Teilen damals ihr Referendariat machte, deutliche Spuren hinterlassen. Und das Duckmäusertum wird an die jüngeren Generationen weitergereicht. Immer wieder hörte ich von älteren KollegInnen ein gut gemeintes "Paß auf!" oder "Mach Dich nicht zur Zielscheibe!" Ein innovativer, pädagogischer Elan geht dabei schnell verloren. Dabei haben ältere KollegInnen oft nicht einmal Angst vor politischen Maßnahmen, sondern allein davor, sie könnten scheel angesehen werden.

Immerhin genießt Du in Heidelberg eine breite Solidarität bei SchülerInnen, Eltern und KollegInnen. Gab es dabei auch Fälle, wo Einzelne Angst bekamen?

Meine Mentorin beispielsweise hatte zunächst immer wieder öffentlich bestätigt, daß ich im Referendariat sehr gut gewesen sei. Inzwischen ließ sie mir ausrichten, daß sie sich dazu nicht mehr äußern könne, weil auf sie Druck ausgeübt wurde.

Durch die Anfrage der SPD wurde ja nun auch bestätigt, daß Dir keine Verfehlungen gegen Rechtsvorschriften während Deiner Referendariatszeit vorgeworfen werden können. Hast Du eine Erklärung, warum Du überhaupt ins Visier des Verfassungsschutzes geraten bist?

Das ist so etwas wie ein cirsulus vitiosus: Wer beobachtet wird, ist schuldig - und wer schuldig ist, wird beobachtet. Von der Politik wird die Verantwortung auf den Verfassungsschutz übertragen, denn laut Vorschriften gilt die Einschätzung des Verfassungsschutzes als ausreichend. Dies überantwortet den Geheimdiensten einen Teil der Exekutiv-Gewalt.

Wie sind die Reaktionen in Deinem Freundeskreis?

Da gibt es total viel Solidarität und ganz viel Unterstützung. Mein Glück ist halt auch, daß mich viele Leute kennen.

Wie siehst Du Deine persönlich Perspektive?

Sicherlich will ich diese Berufsverbots-Sache nicht zu meiner Zukunftsperspektive machen. Aber auf jeden Fall will ich zusammen mit der GEW - ähnlich wie im Fall Vogt - zur Not bis in die letzte Instanz, also bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Anmerkung

1 Siehe auch unsere Artikel
        'Protest gegen das Berufsverbot für Michael Csaszkóczy'
        (3.08.04)

        'Berufsverbotsverfahren gegen Realschullehrer
        in Heidelberg' (11.02.04)

        'Berufsverbote
        - Auch 32 Jahre nach dem Radikalenerlaß keine
        Entschädigung für Opfer (28.01.04)

 

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