11.11.2006

CASTOR La Hague - Gorleben
Teil 1
Die ersten Tage

Zivilpolizisten provozieren

Schon im Vorfeld hatte die Polizei über die Mainstream-Medien lanciert, in diesem Jahr sei mit besonders aggressiven CASTOR-GegnerInnen zu rechnen. Begründung: keine. Tatsächlich jedoch tat die Polizei alles, um ihre Prognose im Nachhinein zu rechtfertigen. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, 9. auf 10. November, waren ein Vater zusammen mit seinem 15-jährigen Sohn auf dem Nachhauseweg von einem Anti-CASTOR-Laternenumzug in Langendorf bei Dannenberg. Als die beiden ins Auto steigen wollten, wurden die Türen aufgerissen. Erst später stellte sich heraus, daß sie von Zivilpolizisten überfallen wurden. Die Aggressoren wiesen sich nicht als Polizisten aus und brüllten: "Aussteigen!" Der Vater rief um Hilfe und andere TeilnehmerInnen des kurz zuvor beendeten Laternenumzuges eilten hinzu. Die Zivilpolizisten versuchten zunächst mit dem Hinweis "Wir sind nicht von der Polizei, wir gehören zu euch" zu fliehen. Hieran wurden sie von den Bürgern und Bürgerinnen gehindert.

Einige der Zuhilfe-Eilenden wurden von den Zivilpolizisten "gleich mit Pfefferspray empfangen", so Zeugen. Einem anderen wurde sogar eine Schußwaffe an den Kopf gehalten. Der Betroffene erlitt einen Kreislaufzusammenbruch und mußte ins Dannenberger Krankenhaus eingeliefert werden.

Die dann eintreffende Polizei hielt rund 25 TeilnehmerInnen des Laternenumzugs fest, um die Personalien aufzunehmen. Laut Polizei wurde ein Beamter "durch einen Schlag mit einer Taschenlampe schwer verletzt" und habe daraufhin ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Drei der UmzugsteilnehmerInnen seien durch den Pfefferspray-Einsatz leicht verletzt worden und ambulant von SanitäterInnen versorgt worden.

Wie sich erst im Nachhinein klären ließ, war der Anlaß - jedoch kein vernünftiger Grund - des Vorfalls ein Betongewicht auf der Ladefläche des geparkten Autos. Ein solches Betongewicht dient in der Landwirtschaft zu bestimmten Arbeiten mit einer Zugmaschine als Kontergewicht, wäre jedoch für eine Straßenblockade denkbar ungeeignet. Dennoch verbreitete die Polizei zur eigenen Rechtfertigung die Falschmeldung, es habe sich bei dem Vorfall um eine Fahrzeugkontrolle gehandelt und um einen Betonblock mit Ankettvorrichtung.

In einer Stellungnahme der 'Bäuerlichen Notgemeinschaft' heißt es: "Der Übergriff der Polizei war unverhältnismäßig und überflüssig. Hätten sie wirklich das Fahrzeug kontrollieren wollen, hätten sie den Fahrer auf dem Weg zu seinem Auto ansprechen können. Wir fordern die Polizei auf, den Einsatz von Zivilkräften sofort einzustellen. Ein solcher Einsatz führt nur zu Eskalation. Als staatliche Institution sollte die Polizei darüber hinaus derartige Falschmeldungen unterlassen."

Kurze Zeit später fand sich ein Zivilstreifenwagen unter einer Laterne demoliert wieder. Wer die Scheiben eingeschlagen und die Reifen zerstochen habe, konnten AnwohnerInnen nicht beantworten. "Vielleicht ein Resultat der Polizeiaktion", mutmaßte einer von ihnen, der aus seinem Fenster die Szene betrachtete.

Kinder haften für ihre Eltern

SchülerInnen-Demo in Lüchow

Am Freitag morgen (10.11.) demonstrierten rund 1000 SchülerInnen in Lüchow gegen den bevorstehenden CASTOR-Transport. Die Demo war von den Behörden mit Hinweis auf die Schulpflicht zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt verboten worden. Eine spontan gegründete Elterninitiative meldete eine Demonstration gegen das Demonstrationsverbot um 9 uhr 30 an, zu der auch die SchüleriInnen eingeladen wurden.

"Wir, die SchülerInnen, WählerInnen und SteuerzahlerInnen von morgen wollen unser Recht auf Meinungsfreiheit und ganz besonders das der Versammlungsfreiheit immer und überall wahrnehmen dürfen", erklärte die 17jährige Anna unter begeistertem Applaus der Jugendlichen und Eltern. "Nicht zu irgendwelchen Zeiten, die uns aufgedrückt werden. Wir wollen demonstrieren, wann es uns paßt, denn schließlich wollen wir möglichst lange demonstrieren und so unserer Rechte durchsetzen. Was sind schon ein paar Eier an der Uniform gegen ein strahlenverseuchtes Leben mit Krebs?"

Die Stimmung der teilweise sehr jungen SchülerInnen war hervorragend. Einen negativen Eindruck hinterließ die Polizei, die zwar massiv in den Nebenstraßen präsent war, und auch permanent filmte, aber schlicht und einfach "versäumt" hatte, die Demo-Route vor dem fließenden Verkehr zu sichern. Dadurch kam es zu einigen gefährlichen Situationen, als Fahrzeuge und LKW den DemonstrantInnen auf den schmalen Lüchower Straßen entgegen fuhren.

Am Freitag abend (10.11.) konfiszierte die Polizei nach einer Blockade auf der Bundesstraße B 191 bei Pudripp nach eigenen Angaben 36 Trecker. Es bestehe Verdacht auf Nötigung - so die Polizei. Laut beteiligten Landwirten hatte die Polizei die Trecker-Blockade nicht ordnungsgemäß aufgelöst und zudem das Wegfahren der Trecker behindert. Offenbar war die Beschlagnahme-Aktion der Polizei geplant. Die Polizei will die Trecker erst wieder herausrücken, wenn die CASTOREN das Zwischenlager Gorleben erreicht haben.

Der CASTOR rollt

Der Atommüll-Transport mit den 12 CASTOR-Behältern verläßt am Freitag, 10.11.06, um 19 Uhr 47 den französischen Rangierbahnhof Valognes nahe der Plutonium-Fabrik (sogenannte Wiederaufarbeitungsanlage) La Hague in Richtung Gorleben. Der Zug besteht aus einer ziehenden Lokomtive zwei Wagons mit CRS (Polizei), 12 CASTOR-Behältern, einem weiteren Wagon CRS und am Ende eine weitere Lok.

CASTOR-Zug

68 Behälter mit hoch radioaktivem Abfall aus Atomkraftwerken stehen bereits in einer oberirdischen Zwischenlagerhalle in Gorleben. Nun soll mit dem aktuellen Transport die Zahl auf 80 erhöht werden. Wie lange die Behälter dort dann bleiben werden, ist unklar; eine "Endlager"-Stätte gibt es weltweit bis heute nicht.

Sicher ist jedoch, daß mit jedem weiteren CASTOR-Behälter, der in Gorleben abgestellt wird, Fakten geschaffen werden, während eine demokratisch legitimierte Entscheidung über einen "Endlager"-Standort noch aussteht.

Atom-Minister Gabriel ist bereits vorgeprescht und hat sich im Oktober 2006 im Bundestag bereit erklärt, "Gorleben in Betrieb zu nehmen, wenn es auch nur gleich gute Endlager an anderer Stelle gibt, weil in Gorleben das meiste Geld investiert worden ist". Gorleben wird nicht dadurch zu einem geeigneten Standort, weil dort Geld investiert wurde, noch dadurch, weil anderswo mögliche Standorte ebenso wenig geeignet sind.

Die Anti-Atom-Bewegung ist aus guten Gründen erst dann bereit, über die Endlagerfrage zu diskutieren, wenn sämtliche Atomanlagen abgeschaltet sind. Dies ist nun schon seit Jahrzehnten in der Anti-Atom-Bewegung Grundkonsens - nicht nur in Deutschland.

 

Ute Daniels & Klaus Schramm

 

Anmerkungen

    Siehe auch unsere Artikel:

    'CASTOR La Hague - Gorleben 2006
    Teil 2 - Samstag 11. November' (12.11.06)

    'CASTOR La Hague - Gorleben 2006
    Teil 3 - Sonntag, 12.11. und Montag, 13.11.' (14.11.06)

 

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