Nachdem Ende letzten Jahres auch der Versuch der italienischen Regierung1 scheiterte, am äußersten Zipfel Süditaliens ein atomares "Endlager" zu bauen, ist nach wie vor der Stand der Dinge: Es gibt weltweit kein "Endlager" und: es wird nie ein Endlager geben.
In der Begründung ist die aktuelle richterliche Entscheidung in den USA, die Pläne für ein atomares "Endlager" im Yucca Mountain2 in Nevada zu stoppen, allerdings ebenso unsinnig wie der Versuch, sich auch nur einen Zeitraum von bescheidenen 24.400 Jahren vorstellen zu wollen. Das Gericht argumentierte, die von der US-Regierung abgegebene Sicherheitsgarantie für 10.000 Jahre sei unzureichend. 24.400 Jahre ist beispielsweise die Halbwertszeit von Plutonium-239. Das bedeutet, daß von den 30 Tonnen Plutonium, die im deutschen Hanau gelagert sind, nach 48.800 Jahren immer noch 7,5 Tonnen weiterstrahlen. Seit Christi Geburt lebten rund 80 Generationen - Ein Zeitraum von 24.000 Jahren entspricht rund 960 Generationen.
Eine "Sicherheitsgarantie" für 10.000 Jahre abgeben zu wollen, ist grenzenloser Hochmut. Es ist zwar logisch, angesichts der Zeiträume über die große Mengen der heute produzierten radioaktiven Stoffe äußerst gefährlich bleiben, eine Sicherheitsgarantie für 20.000 Jahre oder mehr zu fordern. Dennoch ist es sinnlos und zwecklos, denn selbst nach 366.000 Jahren3 strahlt immer noch ein Kilogramm der 30 Tonnen Plutonium-239 aus Hanau. Und wenige Tausendstel Gramm dieses Stoffes einzuatmen genügt, um unausweichlich Lungenkrebs zu bekommen.
Die ältesten bekannten Keilschriften hinterließen die Sumerer vor 5.000 Jahren - entsprechend rund 200 Generationen. In 8.000 bis 12.000 Jahren spätestens wird der heutige Sprachschatz komplett verloren sein. Niemand wird mehr die Warnschilder vor atomaren "Endlagern" entziffern können. Als "Lösung" dieses Problems wurde schon ernsthaft vorgeschlagen, eine spezielle Priesterkaste zu begründen, um das Wissen um die Gefährlichkeit der "Endlager" zukünftigen Generationen zu übermitteln. Allein diese Überlegungen müßten jeden verantwortungsbewußten Menschen überzeugen, daß der Betrieb von Atomkraftwerken ein Verbrechen ist.
Eine zusätzliche Gefahr für die heute in den USA lebenden Menschen würden die Atom-Transporte in ein "Endlager" im Yucca Mountain bedeuten. Derzeit wird der radioaktive Müll direkt bei den Atomkraftwerken zwischengelagert. Um ihn zum Yucca Mountain zu befördern, müßte er Tausende von Kilometern durch 43 US-Bundesstaaten gefahren werden. Entlang den Strecken sind 50 Millionen Menschen gefährdet.
Für die US-Administration ist dies uninteressant. Wenn es nach ihr geht, wird im Yucca Mountain im Jahre 2010 ein "Endlager" für atomaren Müll in Betrieb genommen. Die Entscheidung für den Standort ist ganz offensichtlich allein der politischen Schwäche Nevadas geschuldet. Kein Bundesstaat wollte die gefährliche Hinterlassenschaft auf seinem Gebiet akzeptieren. Spätestens seit 1992 ist bekannt, daß der Yucca Mountain als Endlagerstandort ungeeignet ist. Die geologischen Voraussetzungen sind unzulänglich. Das Basalt-Gestein bietet keine Barriere gegen austretende Strahlung. Im Gebiet um den Yucca Mountain hat es zudem in den letzten 20 Jahren mehr als 600 Erdbeben gegeben, das letzte im Jahre 2002. Auch eine Wiederkehr des Vulkanismus in der Region kann in Zeiträumen von zehn- oder hunderttausenden von Jahren nicht ausgeschlossen werden.
Um den Standort trotzdem durchsetzen zu können, wurden kurzerhand die Sicherheitsstandards der US-Umweltschutzbehörde EPA an die Realität "angepasßt". Seit 2001 gibt es spezielle, "vernünftige" Yucca-Mountain-Richtlinien. So gerüstet, konnte Präsident Bush dem Kongress im Jahre 2002 die richtige Empfehlung geben. Yucca Mountain wurde abgesegnet, das Veto des Gouverneurs von Nevada überstimmt.
Staatliche und nichtstaatliche Gegner des Projekts, darunter Vertreter des Volks der Westlichen Schoschonen, die Landrechte geltend machen, gingen vor Gericht. Die Kritiker sind zuversichtlich. Steve Frishman von der Nevada Nuclear Waste Task Force im November 2002: "Um Yucca Mountain zu stoppen, muss Nevada nur einen der fünf Prozesse gewinnen. Die anderen müssen alle Prozesse gewinnen."
Ute Daniels
Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel
ItalienerInnen erfolgreich - kein Endlager weltweit (2.12.03)
2 Siehe auch unseren Artikel
Die US-"Endlager"-Pläne und die Schoschonen (10.09.03)
und
Endlager-Wahnsinn (28.02.01)
3 Nach 15 Halbwertszeiten bleibt von 30.000 Kilogramm:
30.000 mal 0,5 (hoch 15) = 0,9155 kg
und 15 mal 24.400 = 366.000