7.05.2008

Filz statt Elite
in der Wissenschaft

Gentech weitgehend ohne neutrale wissenschaftliche Kontrolle

Die deutschen und europäischen Genehmigungsbehörden für Gentechnik sind von WissenschaftlerInnen durchsetzt, die zugleich für die Gentech-Konzerne arbeiten. So ist die wissenschaftlich neutrale Kontrolle und Risikoabschätzung des Anbaus von genmanipulierten Pflanzen durch Genehmigungsbehörden längst nicht mehr gegeben.

Eine aktuell veröffentlichte Studie über die Verfilzung zwischen Aufsichtsbehörden und Gentech-Konzernen bestätigt jahrelange Beobachtungen und einen investigativen TV-Beitrag von 'Report', in dem bereits im März 2005 merkwürdige Aktivitäten hochrangiger Mitarbeiter von Ministerin Künast aufgedeckt wurden.1

Über das Ausmaß der Verfilzung ist selbst Christoph Then, Co-Autor der Studie, überrascht. Then kennt sich in der Gentech-Szene aus, hat er doch lange Zeit bei Greenpeace zur Gentechnik gearbeitet. Vor allem, daß der Filz auf so vielen Ebenen anzutreffen ist, habe er nicht erwartet.

Die aktuelle Studie deckt auf, wie weit die Verflechtungen gehen und welche Auswirkungen es haben kann, wenn an zentralen Behördenstellen den Gentech-Konzernen genehme WissenschaftlerInnen arbeiten. So mußten mehrfach Doppelbeschäftigungen von WissenschaftlerInnen sowohl für Bundesbehörden als auch für eine von ihnen selbst mitgegründete Lobbyorganisation wie etwa dem Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik (WGG) festgestellt werden. Offenbar fühlten sich die LobbyistInnen im wissenschaftlichen Gewand vor Entdeckung so sicher, daß sie bei der Verwendung der Briefköpfe wenig Sorgfalt walten ließen.

Bemerkenswert ist etwa das fragwürdige Zulassungsverfahren für die zur Zeit einzige in Europa zum Anbau zugelassene Gentech-Pflanze, den Mais MON810 von Monsanto. Die Filz-Studie zeigt auf, daß MitarbeiterInnen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zusammen mit IndustrievertreterInnen und WissenschaftlerInnen, die ein großes Interesse daran haben, Freisetzungen durchzuführen, die Kriterien und Auflagen für die künftige wirtschaftliche Nutzung ausarbeiten und vorschlagen. Die amtlichen WissenschaftlerInnen versuchen mit dem Hinweis abzuwiegeln, sie würden in diesen Gremien nur als Privatpersonen mitarbeiten. Später werden sie sich dann als Amtsperson damit beschäftigen - nämlich dann, wenn sie kraft ihrer Funktion in der Bundesbehörde ihre eigenen, zusammen mit der Industrie ausgearbeiteten Vorschläge als verbindlich festlegen. So hatte Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer im Frühjahr 2007 das BVL angewiesen, die kurz zuvor erlassene Vertriebsgenehmigung für MON810 zu widerrufen. Das Vertriebsverbot kam jedoch erst, nachdem das Maissaatgut schon im Boden war. Der öffentlich angegebene Grund für das Vertriebsverbot waren ein fehlender Monitoring-Plan, mit dem die Umweltauswirkungen des Gentech-Anbau über einen längeren Zeitraum untersucht werden sollen. Obwohl nach EU-Recht ein Monitoring-Plan vorgeschrieben ist, hatte das BVL nichts gegen den Anbau unternommen. Ganz im Gegenteil: Der Leiter des Gentech-Gruppe beim BVL protestierte intern bei der BVL-Leitung gegen das Vertriebsverbot, obwohl das EU-Recht hier eindeutig ist. Laut Studie soll das BVL das Vertriebsverbot für MON810 verzögert haben, so daß es für die Anbauperiode zu spät kam.

Den Monitoring-Plan für MON810 legte Monsanto erst im Ende 2007 vor. Während das BVL sehr schnell dabei war, den Monitoring-Plan gutzuheißen und das Vertriebsverbot für MON810 wieder aufzuheben, bemängelte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) die Begleitungsuntersuchungen als mangelhaft und unzureichend.

Der Entwurf für den Monitoring-Plan stammte vom BVL. Dabei sollten auf mehrere bereits bestehende Biomonitoring-Netzwerke zugegriffen werden - etwa dem Tagfalter-Monitoring, das vom Helmholtz-Zentrum in Halle koordiniert wird. Auf Grundlage dieser Vorschläge reichte dann Monsanto seinen Monitoring-Plan ein. Peinlich nur, daß die bestehenden Biomonitoring-Netzwerke nicht davon informiert worden waren, daß sie jetzt auch für Monsanto arbeiten sollen. Dazu kommt, daß die dort gesammelten Daten für ein Gentech-Monitoring ungeeignet sind. Dies dürfte dem BVL jedoch sicherlich bekannt gewesen sein.

Bezeichnend ist, daß dieselben WissenschaftlerInnen, die in Deutschland an entscheidenden Stellen für den Durchbruch der Agro-Gentechnik arbeiten, auch wichtige Funktionen bei der EU-Lebensmittelbehörde EFSA haben.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel:

      Ministerin contra - Ministeriale pro Gentech?
      'Report Mainz' enthüllt wahre Aufgabe des Künast-Ministeriums
     (1.03.05)

Siehe auch:

      "Ich werde versuchen, so weiter zu arbeiten..."
      Interview mit dem gentech-kritischen Wissenschaftler
      Ignacio Chapela (7.10.04)

 

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