Gen-Moratorium gefordert
Jüngst sorgte CSU-Generalsekretär Markus Söder für Aufregung in den Reihen der
Gentechnik-Lobby. Er hatte sich in einem Gastbeitrag im Berliner 'Tagesspiegel'
für ein "Moratorium bei der grünen Gentechnik" ausgesprochen. So schrieb er:
"Doch noch sind rund 80 Prozent der Menschen gegen gentechnisch veränderte
Lebensmittel. Ohne breite Akzeptanz jedoch wird grüne Gentechnik nicht
funktionieren. (...) Als Vorbild könnte hier die Schweiz dienen, die einen
fünfjährigen Aufschub für Gentechnik in der Landwirtschaft beschlossen hat."
Söders Vorschlag hat jedoch einen Pferdefuß: So soll der Anbau genmanipulierter
Pflanzen "zu wissenschaftlichen Zwecken" nach seinen Vorstellungen weiterhin
erlaubt sein. Was jedoch alles als zu "wissenschaftlichen Forschungszwecken"
deklariert werden kann, zeigt sich beispielsweise an den Fangquoten isländischer
und japanischer Walfang-Flotten.
Genfood in der Defensive
Bemerkenswert ist an diesem und ähnlichen Vorstößen der letzten Wochen, daß die
Befürworter der Gentechnik, zu denen Söder erkennbar weiterhin zählt, in die
Defensive geraten sind. Immer mehr Fakten sind nun auch in Mainstream-Medien
veröffentlicht worden, die klar erkennen lassen, daß eine sogenannte Koexistenz
zwischen Gentech-Landwirtschaft auf dem einen Feld und herkömmlicher
Landwirtschaft auf dem anderen, eine gefährliche Illusion ist.
Verbreitung von Gen-Mais durch Landmaschinen
Am 28. Juni erschien in der 'Frankfurter Rundschau' ein Artikel, in dem
offengelegt wurde, wie problematisch die gemeinsame Nutzung beispielsweise von
Mähdreschern bei der Ernte von Gen-Mais und herkömmlich angebautem Mais - sei es
mit Pestiziden oder in Bio-Anbau - ist. Trotz ständiger Reinigungen ist eine
Vermischung nicht zu vermeiden. Darüber hinaus sind die nötigen Reinigungen
unpraktikabel und verteuern die Ernte in eklatanter Weise. Die im Artikel
genannten Kosten von bis zu 2000 Euro pro Reinigung werden in der Bauernschaft
für Gesprächsstoff sorgen. Und selbst mit aufwendigen Reinigungen zwischen den
Ernteeinsätzen kann die Verschleppung von Gen-Mais nicht völlig vermieden
werden. Allenfalls ein Gen-Mais-Anteil unter 0,9 Prozent könne so garantiert
werden. Lebensmittelverarbeiter und Mühlen jedoch akzeptieren Mais jedoch nur
dann als Bio-Mais und sind bereit höhere Preise zu zahlen, wenn die
Gen-Verunreinigung unter einem jeweiligen Schwellenwert von 0,1 Prozent oder 0,3
Prozent liegt. Solche Werte sind jedoch selbst bei zweistündigen Reinigungen von
Mähdreschern nicht zu erzielen. Und selbst bei einer Schnellreinigung steigen
die Erntekosten um rund 150 Prozent. Dabei bleibt auf Grund der vagen
Bestimmungen des geltenden Gentechnik-Rechts offen, wer für diese zusätzlichen
Kosten aufzukommen hat. In Deutschland werden 80 bis 90 Prozent der Felder von
gemeinsam genutzten Mähdreschern abgeerntet.
Kennern der landwirtschaftlichen Praxis war bereits seit Jahren klar, daß ein
Nebeneinander von Gentech-Landwirtschaft und herkömmlicher Landwirtschaft
niemals funktionieren würde. Die Mitinitiatorin der Unterschriften Kampage 'Pro
Gen-Moratorium', Ute Daniels, wies bereits in einem
Artikel am 18.06.2003 darauf hin, daß die sogenannte Koexistenz zu
unüberwindlichen Problemen bei der Nutzung von Erntemaschinen führt: "Wie
BBC-online vermeldet, ist inzwischen nachgewiesen, daß sich Gen-Pflanzen auch
durch Anhaftungen von Samen an landwirtschaftlichen Maschinen über weite
Strecken verbreiten können. Laut einer französischen Studie ist diese
unkontrollierte Verbreitung sogar gravierender als die durch Pollenflug, dessen
Auswirkung in einer deutschen Risiko-Studie untersucht wurde. Sowohl mit dieser
als auch der neueren Studie von WissenschaftlerInnen der Universität Lille, die
eine Ausbreitung genmanipulierter Pflanzen über mehr als 1,5 Kilometern vom
ursprünglichen Feld entfernt nachweisen konnte, wird die bislang von der Politik
vertretene Philosophie der Sicherheitsabstände vollends obsolet."
Pollenflug und Verbreitung durch Bienen
Ebenfalls in jüngster Zeit wurde eine Untersuchung des Umweltinstituts München
bekannt laut der genmanipulierter Mais gentechnikfreie Pflanzen "weitaus stärker
und über wesentlich größere Distanzen als bislang propagiert" verunreinigt. Der
bayerische Landwirtschaftminister Miller mußte diese Ergebnisse im Juni in
Freising bekannt geben. Wissenschaftler äußerten bereits die Hoffnung auf ein
Umdenken innerhalb der CSU.
Tatsächlich hatte der Bericht bereits im Frühjahr veröffentlicht werden sollen,
war aber nach Darstellung des Umweltinstituts "auf Grund der brisanten
Ergebnisse monatelang zurückgehalten worden". Die bayerische Staatsregierung
müsse nun einräumen, daß Kontamination über Pollenflug in einem viel weiteren
Radius stattfände "als Gentechnik-Befürworter in Industrie und Politik bislang
zugeben wollten".
"Zu der Erkenntnis, daß Pollen weiter fliegen, hätte man auch kommen können,
ohne die Umwelt mit transgenem Material zu verschmutzen", kritisiert Andreas
Bauer vom Umweltinstitut München. "Aber wenigstens gibt es jetzt einen Beweis
dafür, daß die angestrebte Koexistenz insbesondere für unsere bäuerliche
Landwirtschaft nicht möglich ist." Es gehe nicht darum, ob der
Sicherheitsabstand 20, 200 oder 2000 Meter betrage, so Bauer. "Die CSU muß ihren
Eiertanz jetzt beenden und für alle Zeiten aus der Genmanipulation aussteigen."
Ergebnisse des "Erprobungsanbaus" haben außerdem auch gezeigt, "daß Honig und
Pollen in weit höherem Maß Maispollen enthalten als bisher vermutet". In 35 von
36 Proben hätten Maispollen nachgewiesen werden können. Zwei Pollenproben hatten
sogar die Kennzeichnungsschwelle überschritten und waren zu 5 Prozent mit
genverändertem Material belastet.
Walter Haefeker, Berufsimkers vom Vorstand des Deutschen Berufs- und
Erwerbsimkerbundes erklärte zu diesen Ergebnissen: "Die wenigen Studien über die
Gefährlichkeit von Gen-Pflanzen für Bienen zeigen, daß die Tiere geschädigt
werden und die Zukunft der Imkerei somit bedroht ist. Die Aussagen der
bayerischen Staatsregierung, eine Schädigung von Bienen sei wissenschaftlich
widerlegt, sind eine Farce." Haefeker konstatiert: "Politik und Industrie haben
die Ergebnisse einfach uminterpretiert."
Zweckdienliche Illusionen
Offenbar wurde die Illusion, "Koexistenz" sei praktikabel, mit dem Zweck
verbreitet, Akzeptanz für die "grünen Gentechnik" zu schaffen. Inzwischen
distanzieren sich auch die "Grünen" im Bundestag von dieser zwischen 1998 und
2005 maßgeblich von der damaligen Ministerin Künast betriebenen Politik. Ende
Juni reichte die "grüne" Bundestagsfraktion einen Antrag ein, der das von
CSU-Generalsekretär Söder ventilierte 5-jährige Gen-Moratoriums aufgreift.
Klaus Schramm
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel
Koexistenz hat sich in Kanada
als nicht praktikabel erwiesen (11.07.06)
Koexistenz ist nicht möglich
- Greenpeace-Report: »Impossible Coexistance« (9.04.06)
Monsanto knebelt US-Landwirtschaft (26.04.05)
Gen-Pflanzen
Streit vor Kanadas höchstem Gericht (1.08.03)