Öko-Verbände jahrelang zum Narren gehalten
Nur durch einen Zufall wurde dieser Tage bekannt, daß in den Jahren der "rot-grünen" Koalition nicht nur auf offiziell deklarierten Versuchsfeldern, sondern auch geheim in großem Maße Gen-Mais in Deutschland angebaut wurde. So hatte die damalige Bundeslandwirtschafts- und Verbraucher-Ministerin Renate Künast bereits 2002 ganz offen den Anbau von 50 Tonnen genmanipuliertem Saatgut durch das Bundessortenamt zugestimmt.1 Die Mehrzahl der Naturschutz-Verbände schwieg hierzu und auch über den sogenannten Versuchsanbau der Folgejahre. Heute wird jedoch deutlich, daß das wahre Ausmaß von Künast geheim gehalten wurde.
'Bioland' ist einer der beiden größten Anbauverbände für Öko-Landbau in Deutschland. 'Bioland'-Präsident, Thomas Dosch, der oft neben Künast auf Verbandsversammlungen fotografiert wurden, ist empört: "Unsere Bioland-Bauern und ihre konventionellen Kollegen in der Region sind massiv verunsichert über dieses späte Aufklärung." Statt jedoch ein sofortiges Gen-Moratorium zu fordern, meint Dosch, mit einem Fortbestand des von Künast eingerichteten öffentlichen Standortregisters könne das Vertrauen wieder hergestellt werden. Dabei wurde durch diesen Skandal offenkundig, daß Regierungsstellen selbst die vorgeschriebene Veröffentlichung im Standortregister unterließen.
Das Bundessortenamt ließ nach 'Bioland' vorliegenden Informationen im Zeitraum 1998 bis 2005 insgesamt 32 genmanipulierte Maissorten mit den Fachkürzeln T25, BT176 und MON810 an jährlich bis zu 18 Standorten angebauen. Ob davon auch andere Bundesländer außer Nordrhein-Westfalen betroffen sind und welche anderen GMO (genmanipulierte Organismen) außer Gen-Mais angebaut wurden, ist bisher nicht zu erfahren. Das Bundessortenamt bestätigte lediglich, daß sich in Greven und Borken seit 1998 Versuchsfelder befinden.
'Bioland' fordert die nachträgliche Offenlegung aller Standorte von GMO-Pflanzen seit 1998. In einer Anfrage an den jetzigen Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer wird darüber hinaus Auskunft verlangt über den Gesamtumfang der GMO-Anpflanzungen und insbesondere darüber, welche Regierungsstellen Kenntnis hatten.
Auch Ralf Bilke vom Bund für Umwelt und Naturschutz NRW (BUND) wertet die neuen Erkenntnisse als Skandal. "Die Felder wurden vertuscht, um sich eine unbequeme Diskussion zu ersparen." Mon810 wurde gezüchtet, um den schädlichen Maiszünsler abzuwehren. "Der Käfer kommt in NRW gar nicht vor und taucht sowieso nur auf, wenn zu lange einseitig angebaut wurde", sagt Bilke. Der BUND erwäge gegen das Bundessortenamt juristisch vorzugehen. "Auch 2005 wurden die Felder nicht angemeldet."
Die ehemalige nordrhein-westfälische "Umwelt"-Ministerin Bärbel Höhn (Braunkohleabbau Garzweiler) zeigt sich überrascht: "Von den Feldern in Greven und Borken wußte ich zu meiner Amtszeit nichts." Vergangene Woche hatte Greenpeace versucht, im Borkener Feld Proben zu ziehen. Am Dienstag, 22.08., haben Unbekannte das Feld in Greven abgemäht.
Die "Grünen" versuchen sich in der Öffentlichkeit immer noch als gentechnik-kritisch darzustellen. Angeblich soll das von Ministerin Künast zum Ende ihrer Amtszeit eingebrachte Gentechnikgesetz Landwirte schützen, die keine GMO-Pflanzen anbauen wollen. Deren Anbau ist durch Gen-Kontamination von Nachbarfeldern bedroht. Eine im Gesetz verankerte Haftungsregelung soll ihnen Schutz bieten. Doch inzwischen wurde bekannt, daß diese Haftungsregelung von Monsanto und anderen Gentechnik-Konzernen leicht ausgehebelt werden kann.2
Jahrelang galt Renate Künast bei der Mehrheit der Umweltverbände als ehrliche Maklerin zwischen den Interessen der Industrie und der VerbraucherInnen. Inzwischen ist kaum mehr zu leugnen, daß ein Großteil der Umweltbewegung von Künast zum Narren gehalten wurde.
Klaus Schramm
Anmerkungen
1 Siehe auch unsere Beiträge:
Künast schlägt Bresche für Gen-Mais (27.06.02)
Künast versucht vollendete Gen-Tatsachen zu schaffen
25 Tonnen Gen-Mais zum geheimen Anbau freigegeben (25.02.04)
2 Siehe auch unseren Beitrag:
Monsanto hebelt jedes Haftungsrecht aus (20.08.06)