Am gestrigen Donnerstag, 25. März, lehnte der Umwelt- minister von Wales, Carwyn Jones, einen Antrag auf Zulassung der genmanipulierten Mais-Sorte 'Chardon LL' ab. Da Wales ein Veto-Recht bei der Genehmigung neuer Sorten besitzt, wird dadurch der Anbau von Gen-Mais in ganz Großbritannien blockiert. Und damit bleibt - vorläufig - das Gen-Moratorium in Großbritannien bestehen.
Seit Tony Blair letzten Oktober das britische Gen-Moratorium vergeblich zu kippen versuchte1, gab es einiges Hin und Her: Nach der spektakulären Veröffentlichung einer von der britischen Regierung an die Royal Society vergebenen Studie, die immerhin 8,6 Millionen Euro teuer war, wurde das Gen-Moratorium in GB zunächst auf unbestimmte Zeit verlängert. Der Koordinator der Studie, Les Firbank, hatte gegenüber BBC erklärte, daß angesichts der Ergebnisse das Gen-Moratorium erhalten bleiben solle.
Da jedoch die Ergebnisse der Studie im Falle von Gen-Mais nicht so eindeutig negativ wie bei Gen-Raps und Gen-Zuckerrüben ausgefallen waren, versuchte Blair, das Gen-Moratorium durch die Zulassung von Gen-Mais zu sprengen. Eine genmanipulierte Mais-Sorte des Bayer-Konzerns, 'Chardon LL', sollte auf britischen Feldern sprießen dürfen. Dies verhinderte wiederum Anfang März der Umweltausschuß des britischen Parlaments2. Doch nur vorübergehend: Blairs Kabinett setzte sich darüber hinweg und sprach die Genehmigung dennoch aus. Diesmal hatte Blair die Rechnung ohne Wales gemacht, das nunmehr die Notbremse zog. Der Ausgang dieses für die gesamte Natur Europas entscheidenden Spiels bleibt also weiterhin offen. Blair ist bekannt für seine Zähigkeit, die er im Falle der Kelly-Affaire und bei der Aufdeckung der Irakkriegs-Lügen beeindruckend unter Beweis gestellt hat.
"Nach und nach gelangen immer mehr Risiken von 'Chardon LL' in die Öffentlichkeit", berichtet Brian John von der Waliser Umwelt- organisation 'GM Free Cymru'. "Die Wissenschaftler, die die Zulassung von 'Chardon LL' vorangetrieben haben, kann man nur als korrumpiert bezeichnen." Nach Angaben von 'GM Free Cymru' folgt aus der Entscheidung von Carwyn Jones, daß der Anbau von Gen-Mais mindestens bis zum Oktober 2006 verboten bleibt.
Die Entscheidung gilt als Schuß vor den Bug der Regierung. Blairs Kabinett sei uneingeschränkt den Wünschen der Gentech-Lobby gefolgt, als es die Zulassung von 'Chardon LL' gegen das Votum des Umweltausschusses erteilte, kritisierten Gentech-GegnerInnen. Bereits im Februar lehnte die belgische Regierung die Zulassung von genmanipuliertem Raps von 'Bayer' ab3. Die Entscheidungen in Wales und Belgien setzen auch die deutsche "grüne" Ministerin Renate Künast unter Zugzwang. Ihr liegen mehrere Anträge von 'Bayer' auf Anbau genmanipulierter Pflanzen vor. Nach Ansicht von Umweltverbänden schützt der Gesetzentwurf von Künast die Produkte der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft nicht ausreichend vor Verunreinigungen durch Gen-Pflanzen.
Tritt aber das Gentechnik-Gesetz, das zur Zeit im Bundesrat behandelt und von den Länder-Vertretern weiter verwässert wird, in Kraft, werden die vorliegenden Anträge von Künast positiv beschieden. "Koexistenz" wird dann nur auf dem Papier existieren, da längst bewiesen ist, daß ein Nebeneinander zwischen Gen-Landwirtschaft und konventioneller Landwirtschaft weder in den USA noch in Kanada möglich war. Gerade im Falle der kleinräumigen europäischen Landwirtschaft ist Koexistenz nicht realisierbar. Pollenflug und Auskreuzungen lassen sich auch mit noch so strengen gesetzlichen Auflagen nicht verhindern. Über Entschädigungen wegen Gen-Kontamination wird erfahrungsgemäß jahrelang vor den Gerichten gestritten werden, denn die Gen-Konzerne verfügen über Heerscharen von Hausjuristen. Bevor die ersten Gelder fließen würden, hätten Biolandwirte längst ihre finanziellen Reserven aufgebraucht.
Entscheidend dafür, ob es zum Gen-GAU in Europa
kommt, wird also auch sein, ob in Deutschland
eine breiten Front für den Erhalt des Gen-Moratoriums
aufgebaut werden kann. Voraussetzung wäre allerdings, daß die
großen deutschen Umweltverbände ihre Illusionen in
Hinblick auf ein sicheres Gentechnik-Gesetz endlich über
Bord werfen.
Klaus Schramm
Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel
Erfolg der Gentech-GegnerInnen in Großbritannien:
Gen-Moratorium bis 2004 verlängert (29.10.03)
2 Siehe auch unseren Artikel
Britisches Parlament gegen Gen-Mais (10.03.04)
3 Siehe auch unseren Artikel
EU-weiter Anbau
von Gen-Raps von Belgien gestoppt (2.02.04)