Nachdem bereits französische Truppen in den Kongo entsendet wurden, hat sich
der deutsche Bundestag mit Beschluß vom 19. Juni dieser neuen Art von "Befriedungspolitik" in
Afrika angeschlossen. Im Kongo tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg, aber erst jetzt ist das
europäische Interesse geweckt worden1. Laut Minister Struck, oberstem Chef der deutschen
Streitkräfte, müsse Deutschland neuerdings auch "am Hindukusch veteidigt" werden. Ist der
Hindukutsch im Kongo zu finden ? Warum ist bislang von der Friedensbewegung zum Kongo-Einsatz
der Bundeswehr so wenig zu hören ?
Ein Interview mit Christiane Hechler vom Freiburger Friedensforum
Als der Bundestag im Juni den jüngsten Afrika-Einsatz der
Bundeswehr beschlossen hat, gab es keine Protestaktionen der
Friedensbewegung. Warum nicht?
Christiane Hechler:
Die Friedensbewegung in Freiburg ist noch mit der Aufarbeitung des
Irak-Krieges beschäftigt. Dabei stehen viele Fragen zur strategischen und
inhaltlichen Ausrichtung im Raum: Bedingungen für Aktionsbündnisse,
dauerhafte Einbindung von Menschen in die Friedensbewegung, systemkritische
Fragestellungen oder Suche des kleinsten gemeinsamen Nenners, Reaktionen auf
die Etablierung von Präventivkriegen als Modell für künftige Kriege. Dazu
finden derzeit Diskussionen statt, die noch nicht abgeschlossen sind.
Tatsache ist, daß in Afrika zwar viele humanitäre und kirchliche
Organisationen Hilfe leisten, gerade auch bei Kriegs- und
Bürgerkriegsopfern, Afrika im Bewußtsein vieler Menschen aber der
vergessene Kontinent ist, der allenfalls im Rahmen von Spendenaufrufen für
die Not leidende Zivilbevölkerung in den Blick rückt. Kolonialismus und
Neokolonialismus in Afrika sind leider nicht mehr die breit diskutierten
Themen wie zu Zeiten der Kämpfe um nationale Unabhängigkeit in den
ehemaligen portugiesischen Kolonien. Das gilt leider auch für große Teile
der Friedensbewegung. Hinzu kommt, daß wir es immer weniger mit Kriegen
zwischen Nationalstaaten zu tun haben, sondern mit oft schwer
durchschaubaren Formen von privatisierter Gewalt: Rebellenarmeen, die
militärisch, politisch und organisatorisch von verschiedenen westlichen
Staaten unterstützt werden, in den Medien oft dargestellt als Kämpfe
zwischen rivalisierenden Stämmen. Wenn wir aber den Anspruch haben, den
Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und für zivile Konfliktlösungen und
Gerechtigkeit weltweit einzutreten, dürfen wir dazu nicht schweigen und
müssen auch unseren Blick auf die Kriege in dieser Region richten. Zumindest
für das Freiburger Friedensforum kann ich sagen, daß diese Problem gesehen
und angegangen wird.
Die Kongo-Mission steht weder unter UN- noch unter Nato-Mandat, sondern
ist ein Einsatz der EU unter Führung Frankreichs. Ist dies ein erster
Probelauf der kürzlich gegründeten EU-Interventionsarmee?
Ja, das sehe ich so. Die UNO ist geschwächt, die USA sind noch mit
dem Irak-Krieg und der Etablierung des Besatzungsregimes beschäftigt, also
haben die Europäer die Chance ergriffen, sich in Zentralafrika politische
Einflußsphären zu sichern. Besonders perfide ist, daß die alten
Kolonialmächte Frankreich, Belgien und Deutschland an vorderster Front mitmischen und ihre alte
Politik fortsetzen. Sie versuchen verstärkt, in Zentralafrika Fuß zu
fassen. Unter dem Deckmantel der Friedenssicherung werden ökonomische
Interessen verfolgt. Es geht um die Sicherung wertvoller Bodenschätze, wie
Diamanten, Gold, Kupfer, Kobalt, Erdöl und vor allem Coltan, das im
chemischen Anlagenbau, in der Raumfahrtindustrie und in der Computer- und
Kommunikationstechnologie verarbeitet wird. 80 Prozent des weltweit
vorhandenen Coltans befindet sich im Kongo. Es ist ein heiß begehrter
Rohstoff, dessen Preis pro Kilo Ende 2000 bei 360 US-Dollar lag, denn es ist
auch ein unverzichtbarer Bestandteil von Spielkonsolen und Handys. Fett im
Coltan-Geschäft sind neben US- auch deutsche Firmen, wie etwa die
Bayer-Tochter H.C. Starck. Das erklärt vielleicht auch das deutsche
Interesse an dieser Region.
Welche Alternativen gibt es denn zum Militäreinsatz?
Zu befürchten ist, daß der Einsatz der europäischen
Interventionsarmee die Gewaltspirale in der Region weiter anheizen und
nicht zu Frieden führen wird. Nötig wäre die Entwaffnung der Milizen und der
Aufbau einer Zivilgesellschaft, das heißt auch ein ökonomischer Umbau der
Gesellschaft auf demokratischer Grundlage.
Zur Zeit fließen die Gewinne aus den Rohstoffexporten in den Norden, und von
dort werden auch die Waffen geliefert, um die Kriege fortzusetzen. Damit
profitiert der Norden doppelt. Mittlerweile sind über 3 Millionen Menschen
in dem kongolesischen Bürgerkrieg abgeschlachtet worden. Es herrscht eine
wahnsinnige Gewalt, und die europäischen Regierungen spielen sich nun als
Friedensengel auf, obwohl sie an dieser Kriegsökonomie gut verdienen und mit
Waffenexporten den Bürgerkrieg anheizen. Die europäische Interventionsarmee
sichert nicht den Frieden, sondern schützt die Interessen der Konzerne, die
im Kongo gute Geschäfte machen. Nötig wären daher auch Sanktionen gegen die
beteiligen Firmen. Kritik an der Rohstoffausbeutung und dem Krieg in
Zentralafrika wird bereits seit langem von einem breiten Bündnis kirchlicher
und humanitärer Gruppen geübt, bislang jedoch ohne große Wirkung. Um so mehr
sehe ich daher die Friedensbewegung in der Pflicht, sich ebenfalls zu
engagieren.
Derzeit sind rund 8.700 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz, innerhalb
von zehn Jahren hat sich die Zahl verhundertfacht. Die deutsche
Öffentlichkeit hat sich mittlerweile an den Anblick deutscher Soldaten in
Afghanistan, in Bosnien oder im Kosovo gewöhnt. Frieden schaffen nur noch mit
Waffen, so lautet die Botschaft der rot-grünen Bundesregierung....
Es ist signifikant, daß gerade unter der rot-grünen Bundesregierung
die Zahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr dramatisch gestiegen ist,
ebenso wie die Rüstungs- und Waffenexporte. Daß dies unter einer rot-grünen
Regierung möglich sein würde, erschien mir früher undenkbar. Wir müssen
gegen diese Kriegs- und Militärlogik, die uns von Schröder und Fischer als
ultima ratio verkauft wird, gewaltfreie Alternativen setzen, Konzepte einer
Welt ohne Waffen und mit gerechten Strukturen für alle. Unsere Aufgabe ist,
zu informieren, wo wie viele deutsche Soldaten stationiert sind. Und was sie
in den jeweiligen Regionen zu suchen haben, am Hindukusch, im Kongo usw...
Dabei müssen wir auch über die Kriegsursachen aufklären.
Auf der anderen
Seite schottet sich die "Festung Europa" gegen Flüchtlinge ab, die gerade
wegen der Kriege und des Zusammenbruchs der Ökonomien in ihren Heimatländern
bei uns um Asyl nachsuchen. So sind wir direkt konfrontiert mit diesen
Kriegen. Auch befürchte ich, daß durch eine fortgesetzte Ausplünderung und
Formen der militärischen Konfliktlösung durch europäische Staaten in
Zentralafrika und anderen Teilen der Welt diese Konflikte als Haß und
Terror auf uns zurückschlagen werden. Nur eine gerechte Verteilung der
Reichtümer in Afrika und anderswo kann Frieden schaffen. Da stellt sich die
Frage, wie wir unserer Verantwortung nachkommen und unserer Solidarität
Ausdruck geben.
Auch den Zusammenhang von Aufrüstung und Militarisierung auf der einen Seite
und dem massiven Sozialabbau auf der anderen Seite müssen wir herstellen.
Dort werden Millionensummen verschleudert, um die Interessen der Konzerne zu
sichern, hier wird das Geld bei Kindergärten, Schulen, Arbeitslosen, Kranken
und alten Menschen radikal zusammengestrichen. Das bietet thematische
Anknüpfungspunkte auch für die Friedensbewegung.
Danke für das Gespräch.
Fragen: Martin Höxtermann
Wir danken Christiane Hechler und Martin Höxtermann für die Überlassung dieses Textes.
Das Freiburger Friedensforum trifft sich jeden zweiten Donnerstag, 18 Uhr, im
Friedenszentrum, Stühlingerstraße 7, 79106 Freiburg
Anmerkung:
1 Siehe auch unser Artikel
'Was macht den Kongo plötzlich so interessant?'
Eine ausführlichere Version dieses Artikels, in der am Beispiel Coltan die Verbindung
zwischen dem Kongo und internationalen Konzernen konkret beschrieben wird ist
hier zu finden.