2.03.2005

UN-Studie: Deutschland Spitze
in Kinderfeindlichkeit

Stärkster Anstieg bei Kinderarmut

Eine gestern vom UN-Kinderhilfswerk Unicef veröffentlichte Studie stellt der Bundesrepublik Deutschland ein blamables Zeugnis aus: Hierzulande wächst die Kinderarmut1 stärker als in den meisten anderen Industriestaaten.

Ende 2002 waren 1,02 Millionen, Ende 2003 bereits 1,08 Millionen Kinder auf Sozialhilfe angewiesen - ein Anstieg um 6,2 Prozent. Heute leben bereits 1,34 Millionen Kinder von Sozialhilfe. Nach Angaben des Kinderschutzbundes werden in der Folge von Hartz IV weitere 500.000 Kinder in die Sozialhilfe abrutschen.

Gleichzeitig sinken die Reallöhne bei den unteren zehn Prozent. In dieser Einkommensklasse sanken die Löhne nach Abzug der Preissteigerungen in den letzten zehn Jahren um mehr als 20 Prozent. Und während offiziell von mehr als fünf Millionen Arbeitslosen geredet wird, liegt deren Zahl real längst über sieben Millionen.2 Von 1993 bis 2003 wuchs das Gesamtvermögen in Deutschland nominal um 17 Prozent (real um 10 Prozent) auf fünf Billionen Euro. Während das obere Zehntel der Deutschen 47 Prozent des gesamten Vermögens besitzt, gehören der gesamten unteren Hälfte der Bevölkerung noch ganze 4 Prozent.

Arme Kinder leiden oft unter Streß und geringem Selbstbewußtsein. Und sie nutzen Sport zu selten als Ausgleich für Belastungen. Dies ist kein Zufall bei ständig dezimierten Angeboten. Ein Beispiel: Immer weniger Kinder lernen Schwimmen. Eines der beliebtesten Abzeichen bei Kindern ist das "Seepferdchen". Doch immer mehr Stadtteil-Bäder fallen dem Rotstift der Stadtverwaltungen zum Opfer. Immer mehr Bademeister werden eingespart. Immer mehr Schwimmunterricht in den Schulen fällt aus. Selbst der konservative Präsident des Deutschen Sportbundes, Manfred von Richthofen, erklärte kürzlich zu den Einsparungen: "Dies ist vielleicht kurzfristig der leichtere Weg, sachgerecht und zukunftsichernd sind solche Lösungen nicht. (...) Wenn Kinder nicht schwimmen lernen und Jugendliche nicht schwimmen können, dann ist das ein gesellschaftlicher Skandal." Und weiter: "Wir müssen verhindern, daß Menschen aller Altersstufen ihr Gesundheits- und Lebenselixier Schwimmen nicht mehr pflegen können, weil das Bäder-Netzwerk gravierende Lücken aufweist."

Zudem erreichen viele Gesundheitsangebote arme Familien nicht. Beispielsweise ist nahezu ein Drittel der Kinder von Langzeit- arbeitslosen nicht ausreichend geimpft. Arme Kinder leiden häufiger an Übergewicht, Karies, Infektionen und an Asthma. Arme Kinder erleiden statistisch signifikant häufiger Unfälle. Sie erleiden im Durchschnitt doppelt so oft Verbrühungen und Verkehrsunfälle.

Wie schon PISA gezeigt hat - was jedoch viel zu wenig in der öffentlichen Diskussion auftaucht - sind die unterschiedlichen Bildungs-Chancen in keinem anderen europäischen Land so extrem unterschiedlich zwischen Arm und Reich wie in Deutschland. Und auch dies ist unter "Rot-Grün" in den letzten sechs Jahren nicht etwa abgemildert worden, sondern dieser Zwiespalt wurde noch vertieft.

Je jünger Kinder sind, desto häufiger sind sie auf Sozialhilfe angewiesen. Bei der Gruppe der 15- bis 17-Jährigen: 4,7 Prozent. Bei der Gruppe der Unter-7-Jährigen sind es 8,6 Prozent. Eine Lawine kommt auf uns zu!

Zwei Fragen zum Schluß: Was ist eigentlich die Aufgabe von Renate Schmidt im Schröder-Kabinett? Wie war das noch mit dem Gedöns?

 

Harry Weber

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel
      'Sozialabbau und Kinderarmut' (13.12.04)

      'Nach wie vor werden in Deutschland Kinderrechte
      mit Füßen getreten' (16.01.04)

2 Siehe auch unseren Artikel
      'Gewerkschaften unter 7 Millionen
      - Arbeitslose über 7 Millionen (31.01.05)

 

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