Verhandlung vor dem Europäischen Patentamt in München
Zwanzig Jahre nach der US-Anmeldung 1984 und zwölf Jahre nach der Erteilung des Patents in Europa (EP 169672) begann gestern vor dem Europäischen Patentamt die abschließende Verhandlung der Einsprüche gegen Patente auf Leben.1 EP 169672 war das erste Patent, das weltweit auf ein Säugetier erteilt wurde. Das Erbgut der Maus wurde gentechnisch so verändert, daß sie häufiger Tumore entwickelte. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Amtes, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet ist, soll bis spätestens Freitag dieser Woche eine endgültige Entscheidung getroffen werden.
"Diese Maus hat nie eine wirtschaftliche Bedeutung erlangt, die medizinische Forschung wurde durch das Patent sogar behindert", erklärt Christoph Then, Gentechnik-Experte von Greenpeace. "Die Öffentlichkeit wurde gezielt belogen und die Gesetze wurden zu Gunsten der Industrie verbogen." Zwar hieße es immer, das Patent wäre nötig, um neue Therapien zu entwickeln. In Wirklichkeit sei die Krebsmaus aber nur der Türöffner für die Gen-Industrie gewesen, sich Patente auf Leben zu erkaufen.
Insgesamt 17 Einsprüche waren bis 1993 gegen das Patent eingereicht worden - so viele wie in keinem anderem Patentfall. Das Patentamt habe jahrelang die Verhandlung der Einsprüche verzögert und in dieser Zeit mehrfach seine Rechtsgrundlagen verändert, zuletzt durch die Übernahme der strittigen Gen-Patentrichtlinie der EU. Damit steht zu befürchten, daß das Amtes nun die Auffassung vertritt, daß Patente auf Säugetiere rechtmäßig gewährt werden könnten. Greenpeace rechnet damit, daß alle Einsprüche in dieser Sache endgültig abgewiesen werden.
Auch in anderen Ländern hatte der Fall der "Krebsmaus" mehrfach für Aufregung gesorgt. Zuletzt entschied das Oberste Gericht Kanadas, der Supreme Court, daß aus ethischen Gründen ein Patent auf Leben nicht erteilt werden darf. Wenig Hoffnung setzen die Patentgegner dagegen in die Rechtsprechung des Europäischen Patentamtes, das keiner unabhängigen Gerichtsbarkeit untersteht.
Greenpeace appelliert an den Deutschen Bundestag, diesen Fall zum Anlaß zu nehmen, die Gen-Patentrichtlinie der EU zurückzuweisen. Seit März 2003 beraten die Abgeordneten eine Gesetzes-Vorlage der Bundesregierung. Dieser würde Patente auf Gene, Pflanzen und Tiere ausdrücklich erlauben. Greenpeace fordert die Neuverhandlung dieser Richtlinie auf europäischer Ebene.
Ute Daniels
Anmerkung:
1 Siehe auch unsere Artikel
'Kein Patent auf Leben! fordern Umwelt-Organisationen' (15.06.04)
'"Baby-Patent" beim Europäischen Patentamt in München' (6.04.04)
'Biopiraterie in Komplizenschaft mit Europäischem Patentamt' (11.03.04)
'Einspruch gegen Patent auf Weizen' (22.02.04)