Alarm von Schuldnerberatungsstellen
Eine aktuelle bundesweite Untersuchung hat ergeben, daß inzwischen 3,1 Millionen private Haushalte überschuldet sind. Nordrhein- Westfalens "Sozial"-Ministerin Birgit Fischer wurde heute hierzu im WDR 5 Morgenecho interviewt. Umgehend schob die hohe Dame die Schuld an der "Schuldenfalle" den Betroffenen zu: Ursache sei in der Regel ein "überzogenes Konsumverhalten". Hinzu kämen Krisensituationen wie Trennung, Scheidung oder Arbeitslosigkeit.
Daß von "Rot-Grün" seit Jahren ein "Aufschwung" angekündigt und die Schaffung von Arbeitsplätzen versprochen, während zugleich der größte Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik betrieben wird, scheint der Ministerin unbekannt. Auf die Frage, ob in Folge von Hartz IV mit einer Steigerung bei der Zahl der überschuldeten Haushalte gerechnet werden müsse, meinte Frau Fischer lediglich, dies sei "schwer zu prognostizieren."
Zur "Lösung" der von Jahr zu Jahr anwachsenden Misere rät die Ministerin, die Betroffenen sollten die Hilfe von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Anspruch nehmen. Zugleich schlagen die Beratungsstellen Alarm: Sie werden von den Privat-Pleiten geradezu überrollt. Im Jahr 2003 verzeichnete das Statistische Bundesamt noch rund 34.000 Fälle von Privat-Pleiten. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) lag die Zahl im Jahr 2004 bei rund 48.500. Weil für 2005 ein neuer Rekord bei den Privat-Pleiten zu erwarten ist, fordert die nordrhein-westfälische Landesarbeitsgemeinschaft der knapp 220 Schuldnerberatungsstellen (mit Gütesiegel) mehr Personal.
In einem Pressegespräch mit der NRZ erklärt deren Sprecher Roland Dingerkuss: "Die Wartezeit für eine sorgfältige Betreuung einer Verbraucher-Insolvenz liegt im Schnitt bei einem Jahr. Viele Berater arbeiten ständig am Anschlag." Der Deutsche Anwaltsverein geht von sechs Millionen BundesbürgerInnen aus, die als überschuldet zu bezeichnen sind, zudem bezahlten 1,5 Millionen Menschen ihre Verbindlichkeiten nur teilweise oder gar nicht. Ein Alarmsignal sei zudem die dramatisch um sich greifende Verschuldung junger Menschen: Zwölf Prozent der 13- bis 24-Jährigen haben Schulden - durchschnittlich 1.800 Euro. Meist leihen sie sich ihr Geld bei Eltern, Freunden und Verwandten, mit zunehmendem Alter auch bei Banken und Kreditgebern. Häufigste Ursache für die Verschuldung ist angeblich das Handy. Doch mit noch vor wenigen Jahren verbotenen Werbemethoden und Dumping-Preisen bei den Anschaffungskosten werden Jugendliche in die Falle gelockt.
Einen seltsamen Sinn für Humor offenbart die nordrhein-westfälische Ministerin. Zu dieser Problematik weiß sie nichts Besseres zu sagen, als daß es "unendlich wichtig" sei, in Schulen das Thema Konsum- verhalten von Kindern und Jugendlichen anzusprechen und auf die finanziellen Risiken beispielsweise bei Handys hinzuweisen.
Klaus Schramm
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel
Städte pleite, Mittelstand pleite, Privathaushalte pleite (6.02.04)
Profite, Pleiten und Sozialabbau (27.03.04)