Während auf der einen Seite Pleiten und private Insolvenzen den Mittelstand aufreiben und ein dynamischer "rot-grüner" Sozialabbau neue Armut erzeugt, steigen bei wenigen Konzernen die Gewinne und eine winzige Schicht von Superreichen verzeichnet frivole Wachstumsraten ihrer ohnehin astronomischen Vermögen.
Das Statistische Bundesamt versuchte sich vor wenigen Tagen als Prophet: Der Pleiten-Gipfel sei überschritten und die Insolvenz-Welle werde 2004 abebben. Dies wurde von den Massenmedien in die Schlagzeilen gerückt und so konnten die - nebenbei - präsentierten Fakten überspielt werden. Tatsächlich jedoch ist die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Zahl von 39.320 Firmen-Pleiten im Jahr 20031 der bisher höchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik.
Daß die Steigerung gegenüber 2002 "nur" bei rund 5 Prozent lag und nicht wie in den Jahren zuvor (zweimal hintereinander) bei 16 Prozent, liegt einfach daran, daß der Konzentrationsprozeß inzwischen bei einer Monopolisierung angelangt ist. So gibt es beispielsweise in vielen Gegenden nur noch so wenige Heizöl-Lieferfirmen, daß sich diese wegen der Entfernungen beim besten Willen keine Konkurrenz mehr machen können. Daß diese monopolähnliche Struktur dennoch nicht entsprechend der volkswirtschaftlichen Lehrmeinung zu drastisch steigenden Heizölpreisen führt, hat seinen Grund darin, daß der verbliebene scheinselbständige Mittelstand gnadenlos von den großen Konzernen gedrückt wird. Zugleich konkurrieren immerhin noch einige wenige Mineralöl-Konzerne in Deutschland miteinander.
Wie auch das Statistische Bundesamt unter einem Wust von Zahlenmaterial versteckt bestätigen muß, sind von den Firmenpleiten hauptsächlich und in zunehmendem Maße kleine und mittelgroße Firmen mit bis zu 100 MitarbeiterInnen betroffen. Und die privaten Insolvenzen nahmen 2003 um 57 Prozent zu.
Nach einer Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa) haben die Einkommensunterschiede seit Mitte der 70er Jahre in den Industrieländern stark zugenommen. Die Autoren der Studie, Michael Förster und Mark Pearson, haben die Verlierer dieser Entwicklung klar bezeichnet: Es sind Alleinerziehende und junge Menschen. Die Studie wertete die offiziellen statistischen Daten von zwanzig Industriestaaten aus. Danach hat sich der Abstand zwischen reich und arm enorm vergrößert: In den betrachteten Ländern bezogen die unteren 30 Prozent der Bevölkerung nur noch über 5 bis 13 Prozent des Gesamteinkommens. In Deutschland sind dies 11 Prozent, in Japan 13 Prozent, in den Niederlanden und den USA 8, in Großbritannien und Belgien 6 und in Australien und Irland 5 Prozent. Auf die oberen 30 Prozent der Bevölkerung entfielen dagegen 55 bis 65 Prozent der Einkommen.
Noch krasser deutlich wird die zunehmende soziale "Spreizung" mit dem erst kürzlich vorgelegten Forbes-Report2. So nahm die Zahl der Personen und Familien, die eine Milliarde Dollar und mehr besitzen von 476 im Jahr 2002 auf 587 im Jahr 2003 zu. Die Summe aller Privatvermögen der Milliardäre und Multi-Milliardäre erreicht 2003 astronomische 1,9 Billionen Dollar (1,54 Billionen Euro). Um 500 Milliarden Dollar entsprechend 36 Prozent nahmen diese Vermögen durchschnittlich gegenüber 2002 zu. Vorrangig ist diese Zunahme den gestiegenen Aktienkursen in 2003 zuzuschreiben. Der Reichtum dieser wenigen Hundert Menschen übersteigt das gesamte Bruttosozialprodukt der 170 ärmsten Länder der Welt und beträgt rund vier Prozent des globalen Bruttosozialprodukts.
Ganz oben auf der Forbes-Liste steht - wie jedes Mal in den letzten zehn Jahren - Bill Gates, der Mitbegründer von Microsoft, mit 46,6 Milliarden Dollar. Sein Vermögen hat sich im letzten Jahr um 14,5 Prozent erhöht, aber seinen Spitzenwert von 90 Milliarden Dollar im Jahr 1999, kurz vor dem Platzen der Börsenblase, hat er bei weitem nicht wieder erreicht. Außer seinen Anteilen an Microsoft besitzt Gates beträchtliche Anteile an den Kabelfirmen Comcast und Cox, der kanadischen staatlichen Eisenbahn und dem Müllentsorgungskonzern Republic Services.
Nummer zwei auf der Liste ist der Investor Warren Buffett, dessen Nettovermögen auf 42,9 Milliarden geschätzt wird und damit in nur einem Jahr um beachtliche 12,4 Milliarden gestiegen ist. Über seine Investment-Firma Berkshire Hathaway, deren Börsenwert im letzten Jahr um fünfzig Prozent gestiegen ist, besitzt Buffett die Versicherungskonzerne Geico und General Re, sowie jeweils große Anteile von Coca-Cola, American Express, Gillette, Wells Fargo und einer ganzen Reihe weiterer Unternehmen.
An dritter Stelle folgt mit einem gewissen Abstand der deutsche Supermarkt-Magnat Karl Albrecht (Aldi) mit geschätzten 23 Milliarden Dollar (18,6 Milliarden Euro), gefolgt vom saudi-arabischen Kronprinzen Alwaleed Bin Talal Alsaud, der 21,5 Milliarden besitzt (darunter einen Anteil von über zehn Milliarden an der Citigroup). Als fünfter erscheint der zweite Gründer von Microsoft, Paul Allen, mit 21 Milliarden Dollar. Außer diesen fünf besteht die Gruppe der reichsten Zehn noch aus der Witwe und den vier Kindern des Wal-Mart-Gründers Sam Walton, von denen jedeR ungefähr zwanzig Milliarden Dollar besitzt. Dieses Vermögen stammt aus ihren gemeinsamen 38 Prozent Anteilen an diesem Discounter, der gemessen am Umsatz zum größten Konzern der ganzen Welt aufgestiegen ist.
Nicht überraschend rühmt sich New York als die Stadt mit den meisten Mega-Reichen, denn 31 Milliardäre residieren in der Stadt, und weitere neun in ihrer Umgebung. Die zweitgrößte Konzentration findet man jetzt in Moskau, wo acht neue Mitglieder in diesem Jahr dem Club der Elite beitreten konnten, und wo jetzt im Ganzen 23 Milliardäre wohnen. Darauf folgt Hongkong mit 16 und San Francisco mit elf Milliardären. Paris, Los Angeles und Tokio haben jeweils zehn, gefolgt von London mit neun Milliardären.
Fast jeder zweite Milliardär der Welt lebt in den Vereinigten Staaten. Diese 275 Personen verfügen gemeinsam über einen Nettowert von 909 Milliarden Dollar. Einer der reichsten Bürger von New York ist Bürgermeister Michael Bloomberg, mit 4,9 Milliarden netto auf Rang 85 der Welt. Ein weiterer, politisch interessanter Name lautet Thomas Frist junior und Familie, der mit 1,7 Milliarden Dollar bewertet wird. 1968 gründete Frist die Hospital Corporation of America, aus der er die größte profitorientierte Krankenhauskette Amerikas machte. Sein Sohn William ist der Führer der republikanischen Mehrheit im US-Senat. Er spielte eine wichtige Rolle bei der Verabschiedung des neuen Gesetzes zur medizinischen Versorgung Bedürftiger, Medicare, das die Taschen seiner Familie auf Kosten der Steuerzahler noch weiter füllen wird.
Außer dem bereits erwähnten saudischen Kronprinzen tauchen noch drei weitere Ölscheichs im oberen Bereich der Liste auf: Der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate mit zwanzig Milliarden Dollar, der Sultan von Brunei mit 14,3 Milliarden Dollar und der Kronprinz von Dubai mit zehn Milliarden Dollar. Ein weiterer königlicher Milliardär ist Hans Adam II, der Prinz von Lichtenstein, mit 2,2 Milliarden Dollar (1,78 Milliarden Euro). Silvio Berlusconi, der Ministerpräsident von Italien, besitzt zehn Milliarden und erscheint an 30. Stelle auf der Liste. Thaksin Shinawatra, der Premierminister von Thailand, und seine Familie werden mit 1,4 Milliarden Dollar aufgeführt.
Während die Reichen immer größere Vermögen scheffeln, kämpfen Millionen von Menschen auf der ganzen Welt unter Bedingungen unsäglicher Erniedrigung ums Überleben. Der Betrag, mit dem der gesamte Weltbedarf an Nahrungsmitteln und Medikamenten gedeckt werden könnte, wird auf etwa dreizehn Milliarden Dollar geschätzt - weniger als ein Prozent des Privatvermögens dieser Superreichen.
Harry Weber
Anmerkungen:
1 Siehe auch unsere Artikel
Pleiten, Pleiten und - noch mehr Pleiten (20.07.03)
Städte pleite, Mittelstand pleite,
Privathaushalte pleite (6.02.04)
Das Pfeifen im dunklen Walde (29.08.03)
2 Siehe auch unsere Artikel
Reiche werden noch reicher (1.06.03)