Der Bundestag stimmte bei einer Entscheidung unter Aufhebung des üblichen Fraktionszwangs mehrheitlich dafür, die standesamtliche Ehe für homosexuelle Paare zu öffnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel votierte mit "Nein".
Laut Parlamentspräsident Norbert Lammert stimmten 393 Bundestagsabgeordnete für die Gesetzesvorlage "Ehe für alle", 226 Abgeordnete stimmten dagegen und vier enthielten sich. Wer wie abstimmte, ist auf der Internet-Seite des Lesben- und Schwulen-Verbandes Deutschland (LSVD) dokumentiert.
Drei der fünf im Bundestag vertretenen Parteien (die "Schwarzen" werden traditionell als zwei Parteien gezählt) hatten die Abstimmung nach einer Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen den Willen der Union durchgesetzt. Sie sind damit der Kanzlerin in die Falle gegangen. In den vergangenen Wochen war das Thema "Ehe für alle" zunächst von den Pseudo-Grünen, dann auch von der "S"PD, zum Wahlkampf-Thema gemacht worden. Erstmals wurde von dieser Seite ein Essential, eine Bedingung für eine Koalition nach der Bundestagswahl im September, formuliert. Überraschend hatte sich Merkel nun für eine Abstimmung ohne Fraktionszwang - als "Gewissensentscheidung" - ausgesprochen. Vielfach wurde vermutet, diese Äußerung sei Merkel am Montag unabsichtlich herausgerutscht.
Die "S"PD hatte auf Merkels Äußerung prompt reagiert und sich für eine Abstimmung noch in dieser Woche und vor der Bundestagswahl eingesetzt. Etliche VertreterInnen der "Schwarzen" traten nun empört auf und warfen dem "sozialdemokratischen" Koalitionspartner, der in den vergangenen Tagen angekündigt hatte, in diesem Fall mit der Opposition zu stimmen, einen Vertrauensbruch vor. Tatsächlich widerspricht das Abstimmungsverhalten der "S"PD-Angeordneten den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von 2013 und muß daher als Koalitionsbruch gewertet werden.
Die Pseudo-Grünen und die Pseudo-Linke im Bundestag unterstützen die "Ehe für alle" schon lange. Voraussichtlich am 7. Juli befaßt sich der Bundesrat mit dem Gesetz. Es ist allerdings nicht zustimmungspflichtig. Weltweit haben über 20 Staaten die "Ehe für alle" eingeführt, darunter die USA, Mexiko sowie 14 EU-Staaten. Die Ersten waren die Niederlande im Jahr 2001. Es folgten Belgien (2003), Spanien (2005), Norwegen (2009), Schweden (2009), Island (2010), Portugal (2010), Dänemark (2013), Frankreich (2013), Luxemburg (2014), England und Schottland (2014), Irland (2015) und Finnland (2017). Im Februar 2016 hatte sogar das katholisch dominierte Italien ein Gesetz über die Einführung der Homosexuellen-Lebenspartnerschaften eingeführt (Siehe unseren Artikel v. 26.02.16).
Im Januar 2017 hatte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) bekannt gegeben, daß aktuell 83 Prozent der Menschen in Deutschland die Eheöffnung für Lesben und Schwule befürworten. Schon 2013 waren 74 Prozent - also eine "verfassungsändernde" Mehrheit - der BundesbürgerInnen für eine völlige Gleichstellung bei der Ehe. Selbst 73 Prozent der Unions-WählerInnen treten laut aktuellen Meinungsumfragen hierfür ein.
Im Juni 2014 hatte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hin einräumen müssen, daß ihr keine empirischen wissenschaftlichen Studien bekannt sind, die Nachteile für Kinder in gleichgeschlechtlichen Familien belegen. Auch das Bundesverfassungsgericht ist 2014 nach eingehender Sachverständigenbefragung zu dem Ergebnis gelangt, daß die "behüteten Verhältnisse" einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die in einer Ehe.
Die "christlichen" Kirchen sind in der Frage der Ehe für Lesben und Schule nach wie vor tief gespalten. Positiv zu erwähnen ist, daß der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 28. Juni 2017 erklärte: "Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sind Vertrauen, Verläßlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung. Aus Sicht der EKD bietet die Ehe dafür beste Voraussetzungen und ist deshalb ein Zukunftsmodell. Sie bildet den rechtlichen Rahmen für ein Zusammenleben von zwei Menschen, das auf lebenslanger Treue beruht. Daß auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum vollständig geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verläßlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden, begrüßt die EKD." Bei den KatholikInnen gab es hingegen bislang lediglich in den Reihen der katholischen Jugend und der katholischen Frauen deutliche Bekundungen für einer Öffnung der Ehe für Homosexuelle.
Das Thema "Ehe für alle" ist nun abgeräumt und wird im Bundestagswahlkampf keine Rolle mehr spielen. Merkel ist damit erneut ein taktischer Sieg gelungen. Allein die am rechten Rand Zurückgebliebenen haben offenbar weiterhin Probleme damit, Lesben und Schwule als gleichwertige Menschen zu akzeptieren: So will etwa die AfD gegen die "Ehe für alle" klagen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Teilerfolg für Lesben und Schwule
in Italien (26.02.16)
Erfolg bei Volksentscheid in Irland
für Lesben und Schwule (23.05.15)
"Homo-Ehe"
Aufstand der Konservativen
gegen das Bundesverfassungsgericht (3.03.13)
Witz der Woche
Tausendmal berührt (25.04.12)
Witz der Woche
Berlusconi will nicht schwul sein (3.11.10)
"Homo-Ehe" jetzt auch in Portugal
Weitergehend als deutsches Modell (8.01.10)
Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte
gleichgeschlechtlicher Partnerschaften (22.10.09)