Obwohl zum Ende des letzten Jahres Friedensverhandlungen zwischen der Zentralregierung des Sudan und der südsudanesischen Rebellen-Organisation SPLA erfolgreich abgeschlossen wurden1 und am heutigen Sonntag der formelle Friedensvertrag unterzeichnet wird, gibt sich die deutsche Bundesregierung noch nicht geschlagen. Das Öl im Süden und Südwesten des Sudan beflügelt nach wie vor die Phantasie von "Rot-Grün" und der dahinter stehenden wirtschaftlichen Interessenverbände. Mit allen Mitteln wird versucht, den Konflikt um die südwestliche Provinz Darfur am Schwelen zu halten. Die dortigen Rebellengruppen, die bisher teilweise von der SPLA abhängig waren, werden hofiert, über mehrere Ecken mit Waffen versorgt und die halbamtliche 'taz' bietet ein Forum für den Kriegsruf "Wir wollen in Khartum einmarschieren".2
Die Bundesregierung und die deutsche Firma Thormählen Schweißtechnik AG setzen nach wie vor auf eine Abspaltung des Süd-Sudan. Thormählen Schweißtechnik plant den Bau einer 2.500 Kilometer langen Eisenbahnlinie vom Süden des Sudan über Uganda bis nach Kenia. Allein für diese Bahnstrecke ist ein Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Euro vorgesehen, weitere zwei Milliarden Euro sollen in den begleitenden Ausbau der Infrastruktur (Straßen, Brunnen) fließen. Der Firmenchef ist zuversichtlich, daß über europäische Steuergelder die Baukosten vorfinanziert werden, und er erklärt ganz offen: "Der Süd-Sudan verfügt über reichhaltige Bodenschätze, unter anderem Öl, Gold und Uran."3
Insgesamt handelt es sich um das größte deutsche Investitions- vorhaben in Afrika. Mit dem Bau mehrerer Eisenbahnlinien sollen vier ostafrikanische Staaten zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum verknüpft werden. Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die der SPD nahe steht, bezeichnet einen Fortbestand des Sudan als "wenig wahrscheinlich".4 Deutsche PolitikerInnen unterhalten seit Jahren Kontakte zur SPLA im Süd-Sudan und lockten immer wieder mit der "Förderung infrastruktureller (...) Maßnahmen" im Sezessionsgebiet. Die Thormählen Schweißtechnik AG, die bereits heute "verschiedene (...) Großprojekte zum Wiederaufbau des Süd-Sudan" leitet, veranschlagt den Finanzrahmen für die "infrastrukturelle Neuordnung" Ostafrikas auf rund acht Milliarden US-Dollar.5 Im Mittelpunkt der Planungen steht jedoch die Bahnverbindung zur kenianischen Hafenstadt Mombasa, von wo aus das Öl an seinen Bestimmungsort gelangen kann.
Presseberichten zufolge hat "Super"-Minister Clement inzwischen der Thormählen Schweißtechnik AG Staatsgarantien für das Eisenbahnprojekt in Aussicht gestellt. Wie Thormählen mitteilt, ist die Firma "gebeten" worden, "die Leitung verschiedener Großprojekte zum Wiederaufbau des Süd-Sudans zu übernehmen". "Höchste Priorität" habe dabei die Eisenbahnlinie von Juba nach Kenia, die um weitere Strecken nach Uganda, in die kenianische Hafenstadt Mombasa und nach Äthiopien zu einem "Gesamtprojekt für die Region" erweitert werden soll. Zu den "Großprojekten" gehören Thormählen zufolge der "Aufbau von Energieerzeugung" - hierfür ist der Siemens-Konzern im Gespräch - , der Aufbau der Nilschifffahrt, der Telekommunikation, einer Fluggesellschaft sowie "einer neuen Hauptstadt für den Süd-Sudan".5 Thormählen hat bereits mit den deutschen Firmen Thyssen-Krupp, Siemens, Strabag und Radio Hamburg eine Holding gegründet6 und sucht nach weiteren "Fachfirmen aus Deutschland", die sich am "Wiederaufbau des Süd-Sudan" beteiligen wollen.
Deutschland kommt hier unter dem Vorwand humanitärer Intervention den wirtschaftlichen Interessen Chinas massiv in die Quere. Bislang wurde das Öl aus den riesigen Lagerstätten im Süden und Südwesten des Sudan von der Zentralregierung in enger Kooperation mit China vermarktet. Solange China einerseits durch sein enormes Wirtschaftswachstum und die dadurch bedingte starke Nachfrage nach Energieträgern in hohem Maße abhängig, zugleich aber noch nicht in der Lage ist, im afrikanischen Raum als Militärmacht aufzutreten, garantiert dies dem Sudan die Kontrolle über die reichen Bodenschätze. Gelingt es jedoch Deutschland und der EU unter dem Vorwand humanitärer Intervention in Ostafrika Fuß zu fassen, werden über kurz oder lang weder die Regierung in Khartoum noch die SPLA sich den Zugriff auf die riesigen Erdölvorkommen erhalten können. Dann bleibt allenfalls die Perspektive, eine Rolle als Marionetten- Regierung nach dem Vorbild des Irak spielen zu dürfen.
Klaus Schramm
Anmerkungen
1 Siehe hierzu auch unsere Artikel
'Friedensabkommen im Sudan unterzeichnet' (31.12.04)
'Sudan: Bundestag beschließt Platz an der Sonne' (26.11.04)
'Sudan: Lügen für den Krieg' (9.08.04)
'Neue Runde im Propagandakrieg gegen den Sudan' (24.07.04)
'Das "humanitäre" Interesse am Sudan
gilt den Bodenschätzen' (4.06.04)
2 Siehe die Dokumentation des 'taz'-Interviews vom 8.01.05
3 Zitat aus dem Artikel
"Oldesloer Firma Thormählen Schweißtechnik plant für Afrika"
der 'Lübecker Nachrichten' vom 19.05.2004
4 Zitat nach der web site der Friedrich Ebert-Stiftung,
www.fes.de, August 2004:
"Sudan: Die Darfurkrise bedroht die Hoffnung auf Frieden
zwischen Norden und Süden"
5 Informationen nach der web site der Firma Thormählen,
www.thormaehlen-schweisstechnik.de:
Großauftrag in Afrika - Neubaustrecke Südsudan-Kenia-Uganda
6 Siehe hierzu die 'Neue Zürcher Zeitung' vom 27.11.2004:
"Chinas Interesse am Sudan"
Unter Verwendung von:
'Informationen zur Deutschen Außenpolitik'
(www.german-foreign-policy.com)