24.07.2007

Deutsche Bahn
soll an die Börse

Grünes Licht für weitere Demontage

Mit dem heutigen Beschluß des "schwarz-roten" Kabinetts wird die Privatisierung der Deutschen Bahn trotz breiter Proteste und einer bislang deutlich negativen Bilanz vorangetrieben. Die Regierung unter Angela Merkel setzt damit die unter "Auto-Kanzler" Gerhard Schröder forcierte Demontage der Bahn ungeniert fort. Weitere Streckenstilllegungen in der Fläche, Fahrplanausdünnungen und Personalabbau sind damit vorprogrammiert. Mit der weiteren einseitigen Subventionierung von Straßen- und Flugverkehr1 wird der Klimawandel weiter angeheizt - entgegen den wohlfeilen Versprechungen vom G8-Gipfel in Heiligendamm.

Die Umwandlung der DB in eine Aktiengesellschaft hatte 1994 bereits "Schwarz-Gelb" durchgesetzt. Ein Anteil von "20 bis 25 Prozent" der Aktien soll nun bis Ende 2008 an der Börse verramscht werden. Angeblich sollen "mindestens 51 Prozent" in Staatsbesitz verbleiben, so Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Die Regierung rechnet mit 20 Milliarden Euro Erlös aus dem Aktienverkauf. Dies muß in Relation gesetzt werden zum geschätzten Gesamtwert der Bahn von 180 Milliarden Euro. Zu einem "Spottpreis" verscherbele die Regierung die Deutsche Bahn, so der Vorwurf des Bündnisses 'Bahn für Alle', das sich aus Umweltschutzverbänden, GlobalisierungsgegenerInnen und Gewerkschaften zusammensetzt.

Werner Reh, Verkehrsexperte des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), kommentierte heute: "Nicht nur die Bahn, sondern auch das gesamte Streckennetz wird durch das Privatisierungsgesetz verramscht. Und diese Entscheidung wird nicht mehr umkehrbar sein. Die Regierung weiß, daß die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Bahnprivatisierung ist. Deshalb will sie das Privatisierungsgesetz ohne öffentliche Diskussion möglichst schnell durchdrücken."

Ein entscheidenden Punkt ist der Verbleib des Schienen-Netzes unter der Kontrolle der Bahn AG. Wie das Beispiel der Privatisierung des Strommarktes zeigt, wird auf diese Weise gewährleistet, daß die versprochene Konkurrenz nicht in Gang kommen wird. Und ohne Konkurrenz bleibt das Versprechen, mit der Privatisierung gingen sinkende Preise einher, nichts als heiße Luft.

Das nun verkündete Modell, wonach die Bundesrepublik zwar mehrheitlich Besitzerin des Schienen-Netzes bleiben soll, die Bahn AG dieses jedoch für 15 Jahre betreiben darf, ist nichts als Augenauswischerei. Nur eine unanhängige Netz-Betreiberin - sei dies privatwirtschaftlich oder als Behörde - könnte gewährleisten, daß Mitbewerber gegenüber der Bahn AG eine faire Chance erhielten. Die "Bundesnetzagentur", die über das Stromnetz wachen soll, ist ein abschreckendes Beispiel wie es zum alleinigen Nutzen der Oligopole RWE, E.on, Vattenfall und EnBW organisiert werden kann.

Unabhängige KritikerInnen sehen in dem jetzt veröffentlichten Plan ein verdeckt bereitgestelltes kommerzielles Monopol über das Schienen-Netz. Auf den gleichberechtigten Zugang zum Schienen-Netz wären konkurrierende Verkehrsdienstleister angewiesen. Doch die private Konkurrenz hat bereits in den vergangenen Jahren über Benachteiligungen, etwa bei der Vergabe von Streckenrechten, geklagt.

Selbst in der "S"PD ist der Ausverkauf der Bahn AG zumindest auf Länderebene umstritten. Mehrere Landesverbände, darunter Berlin und Brandenburg, faßten jüngst Beschlüsse gegen den Börsengang. Aus der hessischen "S"PD kommt ein aktueller Vorschlag, der die Privatisierung durch die Ausgabe von Vorzugsaktien an KleinspekulantInnen abmildern will. Das T-Aktien-Desaster läßt grüßen.

Mit der jetzt vorgegebenen Richtung ist eine weitere Demontage der Bahn bis hin zu Zuständen wie in Großbritannien abzusehen. Investitionen ins Schienen-Netz werden reduziert und das gesamte Inventar auf Verschleiß gefahren. In Großbritannien herrscht seit der Privatisierung der British Rail Chaos auf den Schienen und nach den schweren Zugunglücken der letzten Jahre kam es zu einem Umschwung in der öffentlichen Meinung: die Privatisierung der British Rail wird seitdem mehrheitlich als schwerer Fehler angesehen.

Wie in Großbritannien vorgezeichnet, konzentriert sich auch die Bahn AG auf profitable Hauptstrecken, Nebenstrecken werden stillgelegt oder das Gleisbett verrottet mangels Instandhaltung. Vor wenigen Tagen erst beklagte etwa der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) massive Defizite am Schienennetz in der Region. So gebe es auch auf den Hauptlinien diverse Langsamfahrstecken - also Abschnitte, die dringend saniert werden müßten. Die Bahn AG ließ dementieren.

Um KritikerInnen zu beschwichtigen, verkündete Tiefensee, der Bund wolle in den kommenden Jahren jeweils bis zu 2,5 Milliarden Euro für die Sanierung der Strecken bereitstellen. Die Verwendung dieser Gelder ist allerdings wenig transparent. Sie fließen nicht zwingend in den genannten Aufgabenbereich. Zweckentfremdet können sie - wie in der Vergangenheit bereits in anderen Bereichen praktiziert - zur Schönung der Bahn-Bilanz verwendet und somit letztlich in die Taschen der AktionärInnen umgeleitet werden. Was dann von dem versprochenen Erlös für den Bundeshaushalt übrigbleibt, steht in den Sternen.

Auch die 'Neue Züricher Zeitung' kommentiert das Vorgehen Tiefensees kritisch: "Die Regierung wird damit ein letztes Mal das Parlament übergehen, dessen Verkehrsexperten stets eine viel kritischere und differenziertere Haltung vertreten hatten als das von der SPD dominierte Verkehrsministerium, das in ziemlich eigenartiger Interpretation seiner Aufgaben stets alles getan hat, um die zu 100% staatseigene Bahn und ihren energischen Chef, Hartmut Mehdorn, zufriedenzustellen."

Die heute nun in eine entscheidende Phase vorangetriebene Privatisierung der Bahn kann die Chance für eine Verkehrswende2 auf lange Sicht verbauen. Dabei ist die Klimaschädlichkeit des Staßenverkehrs dreimal so groß und die des Luftverkehrs sieben mal so groß wie die des Bahnverkehrs. Im Sinne des Klimaschutzes müßte die Subventionierung von Flugbenzin, Flughäfen und Straßenbau (Seit 1960 wurde allein das Autobahn-Netz verdreifacht) zu Gunsten des Schienenverkehrs reduziert werden. Die Kosten für tausende Kilometer neue Autobahnen müßten für die Erweiterung des Schienen-Netzes umgewidmet werden, statt Jahr für Jahr mehr Schienenverbindungen zu kappen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unsere Artikel:

      Verkehr verursacht 80 Milliarden Euro an externen Kosten
      Staat subventioniert Straßenverkehr und fördert Klimakatastrophe
      (8.05.07)

      Flugverkehr - Straßenverkehr - Schienenverkehr
      Je umweltschädlicher - desto mehr Subventionen (16.07.06)

      Straßenverkehr subventioniert - Bahnverkehr stranguliert (15.07.06)

2 Siehe hierzu auch unsere Artikel:

      Ökosteuer wirkungslos
      Heuchelei beeindruckend (16.04.07)

      Verkehrswende zu weniger Autoverkehr
      Von der Utopie zur Realität (5.06.03)

Siehe auch folgende Artikel zum Thema Bahn:

      Streckenstilllegungen und Fahrplanausdünnung bei der Bahn
      Sozialabbau und Klimawandel (18.06.07)

      InterRegio-Zerstörung
      Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mehdorn (9.10.06)

      Rettet die Deutsche Bahn!
      Spitze der Bahngewerkschaft wackelt
      Ein Vergleich mit der Schweizer Bahn (8.09.06)

      Mehdorn, der "rot-grüne" Terminator
      Die planmäßige Demontage der Deutschen Bahn (20.05.03)

 

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