Die Wasserstrategie der Weltbank ist rückwärtsgewandt, unehrlich und zynisch
Reiche Ausbeute für die Staudamm-Lobby - Schaden für die Armen und die Umwelt
Am 26.02.03 verabschiedete der Exekutiv-Ausschuß der Weltbank für den Bereich Weltwasserressourcen ein neues
Strategiepapier (WRSS). Die Strategie lautet, die Weltbank müsse ihre KritikerInnen abschütteln und zugleich ihre
Ausgaben für große Staudämme und andere Wasser-Megaprojekte aufstocken.
Patrick McCully, Kampagnen-Direktor des Internationalen Fluß-Netzwerks (IRN) bezeichnet diese Strategie als
"rückwärtsgewandt, unehrlich und zynisch". Wenn sie umgesetzt würde, führe dies zu reicher Ausbeute für die
Freunde der Entscheidungsträger in der Weltbank, für die Lobby der Baufirmen, die jene großen Staudämme errichten,
und für die privatisierten Wasserversorgungsunternehmen. Es führe jedoch zugleich zu einer Verschlimmerung von
Armut, Wasserknappheit und dem ohnehin schon entsetzlichen Zustand der Flüsse weltweit.
Als größte Institution der Entwicklungshilfe dieser Erde beeinflußt die Weltbank die Agenda anderer Hilfsorganisationen
und Regierungen. Die WRSS könnte somit nicht nur durch die Festlegung der Prioritäten für Kredite der Weltbank,
sondern auch durch ihre Wirkung auf andere Institutionen großen Schaden anrichten.
Rückwärtsgewandt
Während der letzten zehn Jahre haben sich Wassermanager und -analytiker immer mehr vom Standpunkt wegbewegt,
daß Staudamm- und Wasserkraft-Megaprojekten Priorität einzuräumen sei. Sie haben zunehmend erkannt, daß die
Konzentration auf riesige Wasserbau-Projekte für die Wasserversorgung, den Hochwasserschutz und die Stromgewinnung
kostspielig, häufig nutzlos und darüber hinaus sozial und ökologisch schädlich ist. Der neue Ansatz, um die Probleme
der Wasserversorgung zu lösen, bevorzugt kleinräumige, erschwingliche Technologien wie beispielsweise
Regenwasser-Gewinnung, Regenerierung des Grundwassers, Hochwasser-Management durch Einrichten besserer
Vorwarnsysteme, Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Hochwasserschutz-Zonen und die Senkung des
Wasserverbrauchs durch ein besseres Management und weiterentwickelte Technologien.
Die WRSS stellt nichts anderes als den Versuch der Weltbank dar, die Uhren auf dem Gebiet des Wassermanagements
zurückzudrehen. Die WRSS protegiert die Mega-Staudamm-Strategien aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als
Lösung für die Wasserprobleme des 21. Jahrhunderts - Probleme, die oft von Staudämmen und verwandten
Mega-Projekten verursacht wurden.
Die WRSS gibt an, daß 80 Prozent der Kredite im Bereich Wasser, die innerhalb der letzten 10 Jahre vergeben
wurden, in Infrastruktur-Projekte flossen. Dennoch folgert sie, daß dem Management der Wasservorräte von Seiten
der Weltbank zuviel Aufmerksamkeit im Vergleich zur baulichen Infrastruktur geschenkt würde.
Unehrlich
Kurz bevor der Bericht der von der Weltbank geförderten Welt-Staudamm-Kommission (WCD) im November 2000
veröffentlicht wurde, erklärten führende Manager der Weltbank den Kommissionsmitgliedern, daß die WRSS das
maßgebliche Instrument sein würde, mit dem die Weltbank ihre Ergebnisse und Empfehlungen verkünden würde.
Dennoch ignoriert die WRSS die Ergebnisse der Kommision über die geringe Wirtschaftlichkeit von Staudämmen
und über deren weitgehend negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen ebenso wie über die vielfach
vorhandenen besseren Alternativen.1 In den wenigen Fällen, in denen die WRSS die Ergebnisse der WCD
erwähnt,
werden diese in ernster Weise verzerrt. Sie verkehrt Kritik an der Rolle der Weltbank beim Bau von Staudämmen in
Lob und verkehrt Kritik an der schlechten Umsetzung von großen
Staudamm-Projekten (die fast ausschließlich im öffentlichen Sektor gebaut wurden) in Unterstützung für
Staudämme im privaten Sektor.
Die WRSS gibt an, die Weltbank stimme mit den "Kern-Bewertungen" und "strategischen Prioritäten" des
WCD überein, werde aber die detaillierten "Richtlinien" nicht für die eigene Politik übernehmen. Die Erklärung,
warum diese Richtlinien nicht übernommen würden, lautet, daß diese viel strenger als die gegebene Politik der
Weltbank seien. Aber genau aus diesem Grund sollten sie übernommen werden. Die Kommission war schließlich
großartig einberufen worden, weil die Politik der Weltbank unzulänglich war und um sie daran zu hindern, Kredite
für zerstörerische und unnötige Staudamm-Projekte zu vergeben. Es ist wenig hilfreich, wenn die Weltbank auf der
einen Seite sagt, sie stimme mit den Grundregeln des WCD überein, auf der anderen Seite aber nicht einverstanden
ist, die Richtlinien anzunehmen, die erklären, wie diese Grundregeln in die Praxis umgesetzt werden.
Die WRSS ruft die Weltbank dazu auf, Wasserkraft zu fördern und dabei "selbstverständlich sicher zu stellen,
daß es sich dabei um die bestangepaßte Option handelt, bei der in der Praxis gute ökologische und soziale Folgen
gezeitigt werden." Aber die Weltbank fördert wiederholt Staudamm-Projekte, die keineswegs die beste Option
darstellen und keineswegs eine gute Folgen in der Praxis zeitigen. Nur wenn die Weltbank darauf festgelegt wird,
den WCD-Empfehlungen zu folgen, wäre Optimismus in Hinblick auf eine Abkehr in der Staudammbau-Praxis der
Weltbank von einem business-as-usual angesagt.
Die WRSS benutzt die Abschlußerklärung des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung von Johannesburg von 2002
als Rechtfertigung für ihre Protegierung von immer mehr Wasserkraft. Die WRSS behauptet: "Die offizielle Erklärung
des Gipfeltreffens hebt die Rolle hervor, die Wasserkraft bei der Bekämpfung von Armut in Entwicklungsländern spielen
kann (...) und ruft zu gesteigerter Unterstützung der Bemühungen der Entwicklungsländer auf, Wasserkraft und andere
erneuerbare Energien zu entwickeln."
Tatsächlich enthält die "Erklärung von Johannesburg über erneuerbare Energien" keine Erwähnung von Wasserkraft. Der
"Implementierungsplan" des Gipfeltreffens enthält eine einzige Erwähnung von Wasserkraft, verbindet sie jedoch an keiner
Stelle mit Armutsbekämpfung. Die Erwähnung von Wasserkraft ist in einem Satz enthalten, der die Forderung enthält
nach "fortgeschrittenen, saubereren, leistungsfähigeren, erschwinglichen und kosteneffektiven Energietechnologien
einschließlich der Technologien Fossiler Brennstoffe und der Technologien erneuerbarer Energien, einschließlich
Wasserkraft,..."
Patrick McCully von IRN hebt hervor, daß die einzigen international anerkannten Kriterien, die an Planungen zur
Nutzung von Wasserkraft angelegt werden können, diese sind: fortgeschritten, sauberer, leistungfähiger, erschwinglich
und kosteneffektiv - die Empfehlungen der WCD. Indem die Weltbank es ablehnt, diese Empfehlungen umzusetzen,
stellt sie sicher, daß sie nicht die Wasserkraft-Projekte unterstützt wie sie die WCD verlangt.
Zynisch
Im WRSS täuscht die Weltbank Sorge für mehr als eine Million Menschen vor, denen es zur Zeit am Zugang zu sauberem
Wasser mangelt. Die Weltbank behauptet, daß die Lösung dieser humanitären Katastrophe darin liege, Garantien und
andere Beihilfen zu fördern, um private Investoren für Projekte der Wasserversorgung zu interessieren.
Aber vier Fünftel der Menschen dieser Welt, die keinen annehmbaren Zugang zu sicherem Trinkwasser besitzen, leben
in ländlichen Gebieten. Die multinationalen Wasser-Konzerne haben wenig oder kein Interesse an ländlichen
Trinkwasser-Versorgungssystemen. Es ist für Unternehmen selten möglich aus der Versorgung von armer und
verstreut lebender ländlicher Bevölkerung mit
Wasser Profit zu ziehen, einer Bevölkerung, die hauptsächlich von lokalen Wasserquellen wie Brunnen oder
Flüssen abhängig ist.
Und ebenso sind größere Wasser-Projekte wie beispielsweise weiträumige Wasserreservoirs, Rohrleitungen,
Aquädukte und Pumpstationen von geringer Bedeutung, um die Bedürfnisse der Wasserversorgung in ländlichen
Gebieten zu erfüllen - und sie führen tatsächlich häufig dazu, daß ländliche Gebiete und Arme ihrer
Wasserressourcen beraubt werden, um Städte und Agro-Industrie zu begünstigen.
Die Stategien der WRSS sind folglich weitgehend irrelevant, um die Bedürfnisse der großen Mehrheit ohne Zugang zu
Wasser zu befriedigen.
Die Weltbank ihrerseits zeigt bei ihren Kreditgeschäften wenig Interesse an der ländlichen Bevölkerung - weniger als
ein Prozent der Weltbank-Kredite zwischen 1993 und 2002 gingen an ländliche Wasserversorgung- oder Sanitär-Projekte.
Fast alle Privatisierungen der Wasserversorgung fanden in städtischen Gebieten statt - und waren in großem Umfang
sowohl für Verbraucher als auch Investoren ein Ausfall. Die WRSS erwähnt keine der Lektionen, die aus dem Fiasko
der Privatisierung der Wasserversorgungen in Bolivien, Argentinien und auf den Philippinen gezogen werden müssen.
Die WRSS erwähnt keine der vielen kritischen Stellungnahmen zur Wasser-Privatisierung oder insbesonders deren
Auswirkungen auf die Armen.
Die WRSS behauptet, sich auf "umfangreiche Beratungen" mit "Interessengruppen" zu gründen. Diese Beratungen
waren großangelegte Täuschungsmanöver. Teilnehmer wurden sorgfältig von der Weltbank ausgewählt und jeglicher
Widerspruch zu den Vorgaben der Weltbank wurde ignoriert. Lediglich 11 Repräsentanten von
Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) waren bei der "globalen Beratung" für NGOs und ihr Beitrag - der
höchst kritisch war - wurde in der End-Version des Strategiepapiers mißachtet. Auf der einen Seite wurden
die Stimmen der NGOs ignoriert und auf der anderen die Interessen der Staudamm- und Wasser-Konzerne
durch die WRSS gut bedient. Dies ist nicht verwunderlich, da die Mitarbeiter der Weltbank, die mit dem Thema
Wasser befaßt sind, mit der Lobby der Wasser-Konzerne eng verflochten sind. Der Senior-Berater der Weltbank
in Wasserangelegenheiten und Haupt-Autor des WRSS, John Briscoe, ist Mitglied des Planungsstabs des Weltrats
für Wasser (World Water Council), der bedeutendsten Lobby-Gruppe der Wasser-Konzerne. Ein anderer älterer
Angestellter der Weltbank ist im Nebenjob Generalsekretär der 'Hydropower Equipment Association' und zugleich
einer von mehreren aus dem Weltbank-Personal, die aktive Mitglieder in der 'International Hydropower Association'
sind.
Die Zuspitzung der Weltwasserkrise
Laut Patrick McCully vom IRN gebe es ein enormes Potential, um den Zustand des Umwelt und das leben der
Armen zu verbessern, indem ein Bedarfs-orientiertes Management eingerichtet und dezentralisierte und
Gemeinde-bestimmte Lösungen für Wasser- und Sanitär-Probleme gesucht würden. Insbesondere
Regenwassergewinnung und Sanitärtechnologien auf der Grundlage von geringem oder keinem Wasser-Einsatz
bieten ein echtes Entwicklungpotential sowohl für ländliche als auch städtische Gebiete. Würde das durch die
WRSS vorgeschlagene Modell verfolgt, bedeutete dies ein Rückschlag für alle Anstrengungen dieses Potential zu
realisieren und verschlimmerte die bereits ernsten Ausfälle im Wasserbereich.
Es gebe eine wichtige Rolle für die Weltbank bei der Verbesserung von Leistungsfähigkeit und Sicherheit und bei
der Abschwächung der negativen Folgen der vorhandenen Infrastruktur. Abgesehen von diesen Aktivitäten wäre es
für die Weltbank besser, sich aus dem Wasserbereich zurückzuziehen statt die Maßnahmen zu ergreifen, die im
WRSS vorgeschlagen werden.
Adriana Ascoli (Übersetzung)
Nach einer Pressemitteilung des IRN vom 27.02.2003
Anmerkung:
1 Im Juli 2002 schrieben die ehemaligen Kommissionsmitglieder des WCD an Weltbank-Präsident James
Wolfensohn,
um gegen Nichtberücksichtigung ihrer Ergebnisse und Empfehlungen in einem früheren Entwurf des WRSS zu
protestieren. Es wurden keine Änderungen in Hinblick auf die Forderungen der Kommissionsmitglieder in der
Endfassung des WRSS vorgenommen. Die Korrespondenz zwischen den Kommissionsmitgliedern und der
Weltbank ist über den IRN erhältlich.
www.irn.org
Siehe auch unsere Artikel zum
Karahnjukar-Staudamm-Projekt in Island
Drei-Schluchten-Staudamm-Projekt in China
Hasankeyf-Staudamm-Projekt in der Türkei