13.07.2003

Wasser und Weltbank

Die Wasserstrategie der Weltbank ist rückwärtsgewandt, unehrlich und zynisch

Reiche Ausbeute für die Staudamm-Lobby - Schaden für die Armen und die Umwelt

Am 26.02.03 verabschiedete der Exekutiv-Ausschuß der Weltbank für den Bereich Weltwasserressourcen ein neues Strategiepapier (WRSS). Die Strategie lautet, die Weltbank müsse ihre KritikerInnen abschütteln und zugleich ihre Ausgaben für große Staudämme und andere Wasser-Megaprojekte aufstocken.

Patrick McCully, Kampagnen-Direktor des Internationalen Fluß-Netzwerks (IRN) bezeichnet diese Strategie als "rückwärtsgewandt, unehrlich und zynisch". Wenn sie umgesetzt würde, führe dies zu reicher Ausbeute für die Freunde der Entscheidungsträger in der Weltbank, für die Lobby der Baufirmen, die jene großen Staudämme errichten, und für die privatisierten Wasserversorgungsunternehmen. Es führe jedoch zugleich zu einer Verschlimmerung von Armut, Wasserknappheit und dem ohnehin schon entsetzlichen Zustand der Flüsse weltweit.

Als größte Institution der Entwicklungshilfe dieser Erde beeinflußt die Weltbank die Agenda anderer Hilfsorganisationen und Regierungen. Die WRSS könnte somit nicht nur durch die Festlegung der Prioritäten für Kredite der Weltbank, sondern auch durch ihre Wirkung auf andere Institutionen großen Schaden anrichten.

Rückwärtsgewandt

Während der letzten zehn Jahre haben sich Wassermanager und -analytiker immer mehr vom Standpunkt wegbewegt, daß Staudamm- und Wasserkraft-Megaprojekten Priorität einzuräumen sei. Sie haben zunehmend erkannt, daß die Konzentration auf riesige Wasserbau-Projekte für die Wasserversorgung, den Hochwasserschutz und die Stromgewinnung kostspielig, häufig nutzlos und darüber hinaus sozial und ökologisch schädlich ist. Der neue Ansatz, um die Probleme der Wasserversorgung zu lösen, bevorzugt kleinräumige, erschwingliche Technologien wie beispielsweise Regenwasser-Gewinnung, Regenerierung des Grundwassers, Hochwasser-Management durch Einrichten besserer Vorwarnsysteme, Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Hochwasserschutz-Zonen und die Senkung des Wasserverbrauchs durch ein besseres Management und weiterentwickelte Technologien.

Die WRSS stellt nichts anderes als den Versuch der Weltbank dar, die Uhren auf dem Gebiet des Wassermanagements zurückzudrehen. Die WRSS protegiert die Mega-Staudamm-Strategien aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Lösung für die Wasserprobleme des 21. Jahrhunderts - Probleme, die oft von Staudämmen und verwandten Mega-Projekten verursacht wurden.

Die WRSS gibt an, daß 80 Prozent der Kredite im Bereich Wasser, die innerhalb der letzten 10 Jahre vergeben wurden, in Infrastruktur-Projekte flossen. Dennoch folgert sie, daß dem Management der Wasservorräte von Seiten der Weltbank zuviel Aufmerksamkeit im Vergleich zur baulichen Infrastruktur geschenkt würde.

Unehrlich

Kurz bevor der Bericht der von der Weltbank geförderten Welt-Staudamm-Kommission (WCD) im November 2000 veröffentlicht wurde, erklärten führende Manager der Weltbank den Kommissionsmitgliedern, daß die WRSS das maßgebliche Instrument sein würde, mit dem die Weltbank ihre Ergebnisse und Empfehlungen verkünden würde. Dennoch ignoriert die WRSS die Ergebnisse der Kommision über die geringe Wirtschaftlichkeit von Staudämmen und über deren weitgehend negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen ebenso wie über die vielfach vorhandenen besseren Alternativen.1 In den wenigen Fällen, in denen die WRSS die Ergebnisse der WCD erwähnt, werden diese in ernster Weise verzerrt. Sie verkehrt Kritik an der Rolle der Weltbank beim Bau von Staudämmen in Lob und verkehrt Kritik an der schlechten Umsetzung von großen Staudamm-Projekten (die fast ausschließlich im öffentlichen Sektor gebaut wurden) in Unterstützung für Staudämme im privaten Sektor.

Die WRSS gibt an, die Weltbank stimme mit den "Kern-Bewertungen" und "strategischen Prioritäten" des WCD überein, werde aber die detaillierten "Richtlinien" nicht für die eigene Politik übernehmen. Die Erklärung, warum diese Richtlinien nicht übernommen würden, lautet, daß diese viel strenger als die gegebene Politik der Weltbank seien. Aber genau aus diesem Grund sollten sie übernommen werden. Die Kommission war schließlich großartig einberufen worden, weil die Politik der Weltbank unzulänglich war und um sie daran zu hindern, Kredite für zerstörerische und unnötige Staudamm-Projekte zu vergeben. Es ist wenig hilfreich, wenn die Weltbank auf der einen Seite sagt, sie stimme mit den Grundregeln des WCD überein, auf der anderen Seite aber nicht einverstanden ist, die Richtlinien anzunehmen, die erklären, wie diese Grundregeln in die Praxis umgesetzt werden.

Die WRSS ruft die Weltbank dazu auf, Wasserkraft zu fördern und dabei "selbstverständlich sicher zu stellen, daß es sich dabei um die bestangepaßte Option handelt, bei der in der Praxis gute ökologische und soziale Folgen gezeitigt werden." Aber die Weltbank fördert wiederholt Staudamm-Projekte, die keineswegs die beste Option darstellen und keineswegs eine gute Folgen in der Praxis zeitigen. Nur wenn die Weltbank darauf festgelegt wird, den WCD-Empfehlungen zu folgen, wäre Optimismus in Hinblick auf eine Abkehr in der Staudammbau-Praxis der Weltbank von einem business-as-usual angesagt.

Die WRSS benutzt die Abschlußerklärung des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung von Johannesburg von 2002 als Rechtfertigung für ihre Protegierung von immer mehr Wasserkraft. Die WRSS behauptet: "Die offizielle Erklärung des Gipfeltreffens hebt die Rolle hervor, die Wasserkraft bei der Bekämpfung von Armut in Entwicklungsländern spielen kann (...) und ruft zu gesteigerter Unterstützung der Bemühungen der Entwicklungsländer auf, Wasserkraft und andere erneuerbare Energien zu entwickeln."

Tatsächlich enthält die "Erklärung von Johannesburg über erneuerbare Energien" keine Erwähnung von Wasserkraft. Der "Implementierungsplan" des Gipfeltreffens enthält eine einzige Erwähnung von Wasserkraft, verbindet sie jedoch an keiner Stelle mit Armutsbekämpfung. Die Erwähnung von Wasserkraft ist in einem Satz enthalten, der die Forderung enthält nach "fortgeschrittenen, saubereren, leistungsfähigeren, erschwinglichen und kosteneffektiven Energietechnologien einschließlich der Technologien Fossiler Brennstoffe und der Technologien erneuerbarer Energien, einschließlich Wasserkraft,..."

Patrick McCully von IRN hebt hervor, daß die einzigen international anerkannten Kriterien, die an Planungen zur Nutzung von Wasserkraft angelegt werden können, diese sind: fortgeschritten, sauberer, leistungfähiger, erschwinglich und kosteneffektiv - die Empfehlungen der WCD. Indem die Weltbank es ablehnt, diese Empfehlungen umzusetzen, stellt sie sicher, daß sie nicht die Wasserkraft-Projekte unterstützt wie sie die WCD verlangt.

Zynisch

Im WRSS täuscht die Weltbank Sorge für mehr als eine Million Menschen vor, denen es zur Zeit am Zugang zu sauberem Wasser mangelt. Die Weltbank behauptet, daß die Lösung dieser humanitären Katastrophe darin liege, Garantien und andere Beihilfen zu fördern, um private Investoren für Projekte der Wasserversorgung zu interessieren.

Aber vier Fünftel der Menschen dieser Welt, die keinen annehmbaren Zugang zu sicherem Trinkwasser besitzen, leben in ländlichen Gebieten. Die multinationalen Wasser-Konzerne haben wenig oder kein Interesse an ländlichen Trinkwasser-Versorgungssystemen. Es ist für Unternehmen selten möglich aus der Versorgung von armer und verstreut lebender ländlicher Bevölkerung mit Wasser Profit zu ziehen, einer Bevölkerung, die hauptsächlich von lokalen Wasserquellen wie Brunnen oder Flüssen abhängig ist.

Und ebenso sind größere Wasser-Projekte wie beispielsweise weiträumige Wasserreservoirs, Rohrleitungen, Aquädukte und Pumpstationen von geringer Bedeutung, um die Bedürfnisse der Wasserversorgung in ländlichen Gebieten zu erfüllen - und sie führen tatsächlich häufig dazu, daß ländliche Gebiete und Arme ihrer Wasserressourcen beraubt werden, um Städte und Agro-Industrie zu begünstigen.

Die Stategien der WRSS sind folglich weitgehend irrelevant, um die Bedürfnisse der großen Mehrheit ohne Zugang zu Wasser zu befriedigen.

Die Weltbank ihrerseits zeigt bei ihren Kreditgeschäften wenig Interesse an der ländlichen Bevölkerung - weniger als ein Prozent der Weltbank-Kredite zwischen 1993 und 2002 gingen an ländliche Wasserversorgung- oder Sanitär-Projekte.

Fast alle Privatisierungen der Wasserversorgung fanden in städtischen Gebieten statt - und waren in großem Umfang sowohl für Verbraucher als auch Investoren ein Ausfall. Die WRSS erwähnt keine der Lektionen, die aus dem Fiasko der Privatisierung der Wasserversorgungen in Bolivien, Argentinien und auf den Philippinen gezogen werden müssen. Die WRSS erwähnt keine der vielen kritischen Stellungnahmen zur Wasser-Privatisierung oder insbesonders deren Auswirkungen auf die Armen.

Die WRSS behauptet, sich auf "umfangreiche Beratungen" mit "Interessengruppen" zu gründen. Diese Beratungen waren großangelegte Täuschungsmanöver. Teilnehmer wurden sorgfältig von der Weltbank ausgewählt und jeglicher Widerspruch zu den Vorgaben der Weltbank wurde ignoriert. Lediglich 11 Repräsentanten von Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) waren bei der "globalen Beratung" für NGOs und ihr Beitrag - der höchst kritisch war - wurde in der End-Version des Strategiepapiers mißachtet. Auf der einen Seite wurden die Stimmen der NGOs ignoriert und auf der anderen die Interessen der Staudamm- und Wasser-Konzerne durch die WRSS gut bedient. Dies ist nicht verwunderlich, da die Mitarbeiter der Weltbank, die mit dem Thema Wasser befaßt sind, mit der Lobby der Wasser-Konzerne eng verflochten sind. Der Senior-Berater der Weltbank in Wasserangelegenheiten und Haupt-Autor des WRSS, John Briscoe, ist Mitglied des Planungsstabs des Weltrats für Wasser (World Water Council), der bedeutendsten Lobby-Gruppe der Wasser-Konzerne. Ein anderer älterer Angestellter der Weltbank ist im Nebenjob Generalsekretär der 'Hydropower Equipment Association' und zugleich einer von mehreren aus dem Weltbank-Personal, die aktive Mitglieder in der 'International Hydropower Association' sind.

Die Zuspitzung der Weltwasserkrise

Laut Patrick McCully vom IRN gebe es ein enormes Potential, um den Zustand des Umwelt und das leben der Armen zu verbessern, indem ein Bedarfs-orientiertes Management eingerichtet und dezentralisierte und Gemeinde-bestimmte Lösungen für Wasser- und Sanitär-Probleme gesucht würden. Insbesondere Regenwassergewinnung und Sanitärtechnologien auf der Grundlage von geringem oder keinem Wasser-Einsatz bieten ein echtes Entwicklungpotential sowohl für ländliche als auch städtische Gebiete. Würde das durch die WRSS vorgeschlagene Modell verfolgt, bedeutete dies ein Rückschlag für alle Anstrengungen dieses Potential zu realisieren und verschlimmerte die bereits ernsten Ausfälle im Wasserbereich.

Es gebe eine wichtige Rolle für die Weltbank bei der Verbesserung von Leistungsfähigkeit und Sicherheit und bei der Abschwächung der negativen Folgen der vorhandenen Infrastruktur. Abgesehen von diesen Aktivitäten wäre es für die Weltbank besser, sich aus dem Wasserbereich zurückzuziehen statt die Maßnahmen zu ergreifen, die im WRSS vorgeschlagen werden.

 

Adriana Ascoli (Übersetzung)

Nach einer Pressemitteilung des IRN vom 27.02.2003

Anmerkung:
1 Im Juli 2002 schrieben die ehemaligen Kommissionsmitglieder des WCD an Weltbank-Präsident James Wolfensohn, um gegen Nichtberücksichtigung ihrer Ergebnisse und Empfehlungen in einem früheren Entwurf des WRSS zu protestieren. Es wurden keine Änderungen in Hinblick auf die Forderungen der Kommissionsmitglieder in der Endfassung des WRSS vorgenommen. Die Korrespondenz zwischen den Kommissionsmitgliedern und der Weltbank ist über den IRN erhältlich.
www.irn.org

 

Siehe auch unsere Artikel zum
Karahnjukar-Staudamm-Projekt in Island
Drei-Schluchten-Staudamm-Projekt in China
Hasankeyf-Staudamm-Projekt in der Türkei

 

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