Subventionierung für die Reichen - Liberalisierung für die Armen und die Ökos
Der Versuch der reichen Staaten unter Führung der USA den Armen immer mehr "Freiheit", immer mehr "Liberalisierung"
aufzudrücken, während sie sich selbst skrupellos vor jeglicher Konkurrenz abschotten, ist gescheitert. Bei der letzten
WTO-Konferenz in Doha vor zwei Jahren hatten die reichen Staaten versprochen, daß die Armen vom "Freihandel"
profitieren und daß eine zunehmend globalisierte Wirtschaft allen nutzen werde; Wohlstand und Wachstum werde global
für alle möglich.
Das wurde ihnen vor zwei Jahren noch einmal geglaubt, weil es denn auch eine vernünftige Konsequenz aus den
Terror-Anschlägen
vom 11.09.2001 zu sein schien, den armen Ländern einen Weg aus dem Elend zu ermöglichen, um damit dem
Terrorismus den Nährboden zu entziehen. Doch wie so oft folgten den Worten keine - oder genauer: die
entgegengesetzten Taten. Die Abhängigkeiten verschärften sich, Schulden wurden mitleidslos eingetrieben, lachhaft
geringe "Entwicklungs"-Hilfe-Etats, die meist noch um mehr als die Hälfte hinter der bereits vor über zehn Jahren
versprochenen spärlichen Marge von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückgeblieben sind, machten die
feine Gesellschaft vollends unglaubwürdig.
Die EU hatte versprochen, die Agrar-Subventionen, die wie gigantische Zollschranken gegen landwirtschaftliche Produkte
aus Entwicklungsländern wirken, zu senken. Aber unter Mitwirkung von Ministerin Künast werden die Agrar-Subventionen
ein wenig umgeschaufelt, in der Höhe und damit in ihrer Wirkung jedoch wird alles beim alten bleiben1.
Dabei ist fraglich, ob eine einseitige Export-Orientierung den armen Ländern tatsächlich einen Weg aus der
Schulden-Falle eröffnen würde. Bei der gegenwärtigen Globalisierungs-Politik jedoch wird ihnen jeglicher Weg verbaut.
Da ist es denn nur noch eine Bestätigung des eh schon offensichtlich ungebremsten Egoismus der Industriestaaten
und hat letztlich eher symbolische Bedeutung, wenn auch ein Kompromiß um billige Arzneimittel scheiterte: Monatelang
wurde zunächst darum gefeilscht, ob Entwicklungsländer billige Arzneimittel-Kopien aus Drittländern importieren dürfen.
Zehn Tage vor Cancún fanden sich die USA dann zu einem Kompromiß bereit - in Worten. Dann wird jedoch bekannt,
daß in der Praxis so viele Hürden errichtet werden, daß die gestatteten Medikamenten-Lieferungen doch nicht statt finden
können.
Die Verhandlungen in Cancún mußten ergebnislos abgebrochen werden, weil sich die armen Länder zum ersten Mal
nicht spalten ließen und eine gemeinsame Politik entwickelten. Nach argentinischen Informationen sei dies vor allem
dem gemeinsamen Widerstand afrikanischer Länder zu verdanken. Selbstbewußt war aus der Delegationsrunde der
afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Teilnehmerländer zu vernehmen: Wir wissen am besten, was für
uns nötig ist!
Es ist zwar nicht das erste Mal, daß eine WTO-Konferenz scheitert. Auch Seattle mußte ergebnislos abgebrochen werden.
Doch in Seattle agierten die Entwicklungsländer noch wenig koordiniert. Und daß die Konferenz damals platzte, hatte seine
Ursache in den Differenzen zwischen der EU und den USA. Nun rauften sich USA und EU vor Cancún zusammen - die
Klage der USA gegen die EU wegen angeblicher Abschottung des EU-Marktes gegen Gen-Food diente lediglich als
Rauchvorhang - und gerade dies provozierte letztlich die neue Einheitsfront der Armen.
Die Anti-Globalisierungs-Bewegung feiert das Scheitern der Verhandlungsrunde, eröffnet es doch für die Zukunft eine
stärkere Position der Armen, die sich zudem wachsender Unterstützung oder zumindest Sympathie der Weltöffentlichkeit
gewiß sein können. Die "rot-grüne" Bundesregierung zeigt sich enttäuscht. Ministerin Künast mahnt: "Wer jetzt feiere,
tue dies auf dem Rücken der Schwächsten". Und derweil wird bekannt, daß sie ob ihrer mangelnden PR-Erfolge in
Cancún einen Tritt von ihrem Staatssekretät Gerald Thalheim verpaßt bekam. Dieser signalisierte im fernen Berlin - sicherlich
nicht ohne Rückendeckung - das Ende der bislang im Verkündungs-Stadium steckengebliebenen Agrar-Wende.
Aus ihrer unmittelbaren Umgebung hieß es, Renate Künast habe in ihrem Hotel-Zimmer getobt, als sie die Nachricht
aus Berlin vernahm. Während in der Öko-Branche ein ruinöser Konzentrations-Kampf geführt wird2, schwärmt
Thalheim in einem Interview vom "Trend zu Fertigprodukten" und der "Konzentration von Anbietern" und verkündet: " Ob
öko oder konventionell erzeugt, macht dabei keinen Unterschied". Und in einem Anflug von Ehrlichkeit entschlüpft es
Staatssekretät Thalheim, daß die "Agrar-Wende künftig nicht mehr Thema Nummer eins" sei. Eine "zusätzliche
Subventionierung des Öko-Bereichs" käme nicht mehr in Frage.
Adriana Ascoli
Anmerkungen:
1 siehe auch unseren Artikel
'Künast gegen Subventionsabbau' v. 12.06.03
2 siehe auch unseren Artikel
'Bio-Milch geht den Bach runter' v. 9.08.03