Nach einer heute veröffentlichten Meldung in der online-Ausgabe der 'Süddeutschen Zeitung' besteht der Verdacht, daß in Baden- Wüttemberg auf Großbaustellen minderwertiger Beton verwendet wurde. Neben der Neuen Messe Stuttgart, Bauten für die Auto-Konzerne Mercedes-Benz und Porsche soll auch das umstrittene "Zwischenlager" für abgebrannte radioaktive Brennstäbe beim AKW Neckarwestheim betroffen sein. Der von einem ehemaligen Mitarbeiter belastete Beton-Produzent Godel, ein im Raum Stuttgart zu den Marktführern zählendes mittelständisches Unternehmen, bestreitet die Vorwürfe. Auch der als Betreiber des AKW Neckarwestheim betroffene Energie-Konzern EnBW weist diese als "so gut wie ausgeschlossen" zurück.
Der Stuttgarter Staatsanwaltschaft liegen die brisanten Aussagen des ehemaligen Mischmeister des Beton-Produzenten bereits seit August 2007 vor. Laut 'Süddeutscher' ist sie nach wie vor dabei, zu ermitteln. Doch seit der Durchsuchung von Firmenbüros und Privathaus des Beton-Unternehmers im November 2007, scheint das Verfahren eingeschlafen zu sein. Nicht einmal das baden-württembergische "Umwelt"-Ministerium als Atom-Aufsichtsbehörde wurde informiert. Der 'Süddeutschen' gegenüber versicherte das Ministerium, erst durch deren Veröffentlichung vom Verdacht gegen Pfusch am Bau des "Zwischenlagers" beim AKW Neckarwestheim erfahren zu haben.
Die Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bestätigte, daß gegen den Unternehmer "unter anderem wegen des Verdachtes des Betruges" ermittelt werde. Der Firma werde vorgeworfen, "teilweise Beton geringerer Qualität als vereinbart und abgerechnet geliefert" zu haben. Zudem werde überprüft, ob Kunden "auf der Grundlage fingierter Lieferscheine" zu hohe Rechnungen bezahlten.
Der 'Süddeutschen' liegen nach eigenen Angaben eidesstattliche Versicherungen mehrerer ehemaliger Beschäftigter der Firma Godel-Beton vor. Beim Bau des "Zwischenlagers", das wegen der weltweit bislang seit Jahrzehnten vergeblichen Suche nach einem geeigneten Endlager für hoch radioaktiven Müll gut und gerne für Millionen Jahre Lagerstätte des extrem gefährlichen Materials bleiben wird, wurden 2004 rund 35.000 Kubikmeter Beton verbaut. Jedes Jahr werden im AKW Neckarwestheim fünf CASTOR-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll der beiden Atomreaktoren gefüllt. Derzeit stehen im "Zwischenlager", das 40 Millionen Euro kostete, 27 CASTOR- Behälter.
Von ehemaligen Mitarbeitern von Godel-Beton liegen detaillierte Aussagen vor, wie an den Betonmischanlagen manipuliert worden sein soll. Demnach soll es zwei getrennte Steuerungskreisläufe gegeben haben. "Durch schlichtes Umstellen auf Kreislauf zwei" sei "hochwertiger Zement durch billiges Steinmehl" ersetzt worden. Gleichzeitig seien "gute Zuschläge" durch "Abfallprodukte aus Steinbrüchen und Abbruchmaßnahmen" ersetzt worden. Der Mischmeister an der Anlage habe dies nicht verhindern können, da der Prozeß direkt aus der Firmenzentrale gesteuert worden sei.
"Diese Manipulationen konnte ich direkt am Bildschirm mitverfolgen, aber ich konnte sie nicht verhindern", sagte einer der ehemaligen Mitarbeiter. Damit nichts auffiel, sollen als Grundlage für spätere Rechnungen Chargen-Protokolle doppelt angefertigt worden sein. Zum einen mit den angeblich normgerechten, zum anderen mit den wirklichen Daten. "Die Folgen der Manipulationen" seien nicht sofort erkennbar, erklärte ein ehemaliger Mitarbeiter. "Auch der minderwertige Beton härtet aus." Allerdings sei die Lebensdauer kürzer. Dies meint auch der Bausachverständige Jürgen Krell. Er hat im Auftrag einer Konkurrenzfirma die Betonrezepturen untersucht, die ihm ein ehemaliger Mitarbeiter des beschuldigten Betriebs hatte zukommen lassen. Krell kommt zum Schluß, daß der minderwertige Beton statt der üblichen 50 nur 17 bis 25 Jahre halte. Es könnte sich "um einen der größten Bauskandale in der Nachkriegszeit" handeln, folgert er. Zugleich dürfte es sich dann um einen mittleren Skandal in der an Skandalen nicht eben armen Geschichte der "friedlichen" Nutzung der Atomenergie in Deutschland handeln.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch
Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"
Atom-Ausstieg selber machen!
Atommüll-Lager beim AKW Neckarwestheim erdbebengefährdet
Erdbeben-Experte entdeckt Fehler im offiziellen Gutachten (16.01.05)
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im Auftrag von EnBW / Ist Trittin erpreßbar? (25.12.04)
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