E.on kommt bei einer Übernahme von Endesa der Nummer Zwei auf dem europäischen Energie-Markt, der EdF in die Quere, die bisher den Mittelmeerraum als ihr Territorium betrachtete. Seit dem Startschuß zur Liberalisierung des europäischen Energiemarktes 1998 durch die EU-Kommission konnte ein wildes Gerangel unter den Konzern-Schwergewichten um die besten Ausgangspositionen beobachtet werden. Die EdF, obwohl zu dieser Zeit noch im Besitz des französischen Staates und Monopolist, übernahm Anfang 2002 rund 30 Prozent (inzwischen sind es bereits rund 45 Prozent) des deutschen Energie-Konzerns EnBW.1 Außerdem übernahm EdF 2005 zusammen mit der Mailänder Gruppe AEM die Mehrheit am Edison-Konzern in Italien. In Österreich ist die EdF mit einer Sperrminorität an der steierischen EStAG beteiligt. Auf dem Schweizer Strommarkt mischt die EdF ebenfalls mit: Nach der geplanten Zusammenführung der Energie-Holding Motor-Columbus und des Strom-Konzerns Atel kontrolliert sie 25 Prozent an der neuen Gesellschaft. Auch in Südamerika, Afrika und Asien hat sich die EdF eingekauft. In Frankreich dagegen wurde die EU-Richtlinie zur Liberalisierung des Energiemarktes erst mit zweijähriger Verspätung umgesetzt2. So liegt der Marktanteil der EdF in Frankreich bei 87 Prozent und im Privatkundenbereich besitzt die EdF das Monopol noch bis 2007.
In Großbritannien wurde bereits Anfang der 90er Jahre unter der "eisernen Lady" Margaret Thatcher zunächst der Central Electricity Generating Board in drei Erzeuger-Konzerne sowie eine Netzgesellschaft zerlegt. Durch die Öffnung der Märkte ist es mittlerweile auch ausländischen Anbietern möglich, in Großbritannien als Energieversorger aufzutreten. Diese Chance hat beispielsweise E.on bisher weidlich genutzt: Mit seiner Tochter Powergen zählt E.on zu den Großen auf dem britischen Energie-Markt. Zunächst konnten in Großbritannien Großverbraucher ihren Anbieter frei wählen, mittlerweile sind es auch Privat-KundInnen. Dies hatte immerhin auch die positive Folge, daß Strom in Großbritannien nun rund 25 Prozent billiger ist als in Deutschland. Und im internationalen Vergleich liegen die deutschen Strompreise an der Spitze, so das Beratungsunternehmen 'NUS Consulting Group'. Auch mittelgroße deutsche Industriebetriebe müssen 7,5 Cent pro Kilowattstunde zahlen, während im Vergleich hierzu die Konkurrenz aus Großbritannien mit knapp 5,5 Cent davonkommt.
Doch hinter den Kulissen der angeblichen Liberalisierung kämpfen die Konzerne mit Hilfe der von ihnen abhängigen nationalen Regierungen mit allen Tricks. Der angeschlagene Atom-Konzern British Energy beispielsweise kann sich offenbar weiterhin auf die unbedingte Unterstützung der britischen Regierung verlassen. Mitte 2004 wurde bekannt, daß sie "aus Gründen der nationalen Sicherheit" British Energy im Gegensatz zu fünf anderen Unternehmen der Energie-Branche eine Sonderrolle zukommen läßt. Bereits 2003 kam British Energy, Betreiber von acht Atomkraftwerken in Großbritannien, in finanzielle Schwierigkeiten und ein Konkurs konnte nur durch massive staatliche Finanzhilfen abgewendet werden. Ein weiteres 7,6 Milliarden Euro teures Rettungspaket wurde zeitweilig - um den "liberalen" Schein zu wahren - von der EU-Bürokratie blockiert.
In Deutschland gelang es wiederum E.on, die "rot-grüne" Regierung für ihre Interessen einzuspannen: Aufsehen erregte 2003 die Übernahme der Ruhrgas AG durch E.on, die bis dahin größte "Elefantenhochzeit" in der deutschen Nachkriegs-Geschichte. Obwohl das Kartellamt sein Veto eingelegt hatte, kam die Fusion mit Hilfe einer Ministererlaubnis zustande.3 Im Zuge der EU-Osterweiterung langte E.on in Bulgarien, Rumänien und Ungarn kräftig zu.4 Auch das Durchleitungsmonopol der großen Unternehmen wie E.on und RWE wurde zunächst gar nicht oder lasch reguliert. Erst kürzlich hat die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes kritisiert, daß es noch nicht genug Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt gebe. Auch dies mit wenig öffentlicher Resonanz. Den Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit beleuchtet zudem der Fall Edison: Nach jahrelangem Streit um die Mehrheitsübernahme durch die EdF lenkte die widerspenstige italienische Regierung letztlich auf Druck der EU ein.
2005 schluckte der französische Energie- und Wasser-Konzern Suez den belgischen Strom-Konzern Electrabel. Der schwedische Vattenfall-Konzern, Betreiber von fünf Atomkraftwerken in Schweden ist nach Mitteleuropa vorgestoßen und zum drittgrößten unter den vier, den deutschen Energie-Markt beherrschenden, Konzernen avanciert. Der italienische Energie-Konzern Enel hat auf dem französischen Strom-Markt Fuß gefaßt und interessiert sich laut neuesten Meldungen der Wirtschaftsredaktionen für die belgische Electrabel, die noch nicht eben lange dem zweitgrößten französischen Versorger Suez gehört.
Endesa liegt bereits seit Ende 2005 eine "feindliche" Übernahmeofferte des einheimischen Wettbewerbers Gaz Natural vor, die von der spanischen "sozialistischen" Regierung aus nationalistisch-populistischen Gründen wohlwollend aufgenommen wurde. Das 'Nein' der spanischen Kartellbehörde wurde auch in diesem Fall bereits Ende 2005 ausgehebelt. Allein: Das Angebot von Gaz Naturel ist mit rund 22 Milliarden Euro um sieben Milliarden niedriger als die Barofferte des deutschen Anbieters. 29,1 Milliarden Euro entsprechen 27,50 Euro pro Aktie. Zuletzt lag deren Kurs bei etwas über 25 Euro. Endesa ist E.on offenbar über 55 Milliarden Euro wert, da zum gebotenen Kaufpreis noch die Übernahme der Schulden von Endesa hinzukommt. Um das Bar-Angebot von 29,1 Mrd. Euro zu überbieten, könnte sich Gaz Naturel mit dem italienischen Enel-Konzern zusammentun - wie auf den Wirtschaftsseiten großer Tageszeitungen spekuliert wurde. Doch selbst dieser Allianz dürfte es schwer fallen das E.on-Angebot zu übertrumpfen.
Eon selbst besitzt mit einer Börsenkapitalisierung von rund 65 Milliarden Euro einen gewissen Schutz vor einer feindlichen Übernahme. Doch andererseits locken fast 15 Milliarden Euro Barmittel in der Kriegskasse des schuldenfreien E.on-Konzerns. Nach einer Übernahme von Endesa wäre der Marktwert von E.on nahezu 100 Milliarden und Nettoschulden machen sich heutzutage in einer Bilanz weitaus besser als ein Plus. Und nach der Übernahme von Endesa würde E.on mit über 50 Millionen KundInnen in über 30 Ländern globaler Rekordhalter. "Am Ende dieses Prozesses wird es eine kleine Anzahl von Energieunternehmen geben, die europaweit eine Rolle spielen", meinte E.on-Manager Wulf Bernotat in einem Interview bescheiden. Weder die europäischen Nationalstaaten noch die EU-Kartellbehörden können die beschleunigte Entwicklung noch stoppen. Der "Primat der Politik vor der Ökonomie" hat sich längst in Nichts aufgelöst.
Harry Weber
Anmerkungen
1 Siehe auch unseren Artikel:
'Die NaturEnergie AG
Etikettenschwindel der Atom-Mafia' (4.12.02)
2 Siehe auch unseren Artikel:
'Teilprivatisierung des französischen Strom-Konzerns EdF' (25.10.05)
3 Siehe auch unseren Artikel zum Thema E.on - Ruhrgas:
'Gas in der "freien" Marktwirtschaft' (23.03.04)
4 Siehe auch unseren Artikel zum Thema E.on und EU-Osterweiterung:
'E.on saugt Gas aus dem Osten
Ein deutscher Energie-Konzern als global player' (28.07.04)
Siehe auch:
'"Rot-Grün" schützt Strom-Monopole
Aktuelle Ausgabe der 'Zeit' veröffentlicht Fakten' (5.08.04)