11.000 Menschen protestierten heute in Tokio gegen den Beschluß der japanischen Regierung zu einen Neustart der Atomenergie. Nach dem Super-GAU von Fukushima am 11. März 2011 waren nach und nach sämtliche 50 noch funktionsfähigen Atom-Reaktoren abgeschaltet worden.
Zum ersten Mal nach dem Beginn des Super-GAU von Fukushima gab die japanische Regierung dem Strom-Konzern Kansai Electric Power (KEPCO) die Erlaubnis, Atom-Reaktoren wieder hochzufahren. Es handelt sich um zwei Reaktoren des AKW Oi. Das in der Präfektur Fukui an der Westküste unmittelbar am Ufer des Japanischen Meeres gelegene AKW mit insgesamt vier Druckwasser-Reaktoren hatte in den vergangenen Jahren etliche "Pannen" zu verzeichnen. So wurde etwa am 5. Mai 2004 festgestellt, daß Borsäure an einem Ventil austritt, am 22. Dezember 2005 kam es wegen eines Orkans zu Problemen mit den Stromleitungen in deren Folge das AKW vom Netz genommen werden mußte und am 22. März 2006 wurde ein Brand in der Anlage bekannt. Das AKW Oi wurde am 16. Juli 2011 heruntergefahren. Angeblicher Grund war ein Druckverlust in einem Borsäure-Behälter.
Der Strom-Konzern KEPCO versorgt die Großstädte Osaka, Kyoto und Kobe. Er drohte wiederholt mit Stromausfällen in den Sommermonaten. Ministerpräsident Yoshihiko Noda erklärte danach, der Stop der Atom-Reaktoren schneide "das Land von 30 Prozent seiner Stromerzeugung ab." Es drohe ein "Erlahmen der Wirtschaft". Atomkraft sei eine "wesentliche Energiequelle" und wichtig, damit das Land wieder auf die Beine komme.
11.000 Menschen versammelten sich vor dem Büro des Ministerpräsidenten in Tokio, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Sie verlangten Nodas Rücktritt und riefen: "Leben sind wichtiger als die Wirtschaft". Wie sich im Laufe der Monate herausgestellt hat, ist es in vier der sechs Atom-Reaktoren des AKW Fukushima Daiichi nach dem Erdbeben und Tsunami am 11. März zu Kernschmelzen gekommen. Vermutlich in Folge von Wasserstoff-Explosionen wurde Radioaktivität weiträumig freigesetzt. Obwohl der Wind den größten Teil der Radioaktivität auf den Pazifik blies, sind große Gebiete im Umkreis von 40 Kilometern um das AKW für Jahrzehnte unbewohnbar. Große Teile der Bevölkerung haben kein Vertrauen mehr in die Regierung, die sie offenbar monatelang im Zusammenspiel mit dem AKW-Betreiber TEPCO belog. Laut Umfragen gibt es in Japan eine stabile Mehrheit gegen Atomenergie. Laut 'Japan Times' ergab insbesondere eine landesweite Umfrage, daß 59,5 Prozent der Befragten den Weiterbetrieb der Reaktoren des AKW Oi ablehnen und nur 26,7 Prozent das erneute Hochfahren befürworten.
Trotz des vielfach kritisierten "Krisenmanagements" der Regierung versicherte Wirtschaftsminister Yukio Edano heute: "Die Sicherheit ist unser größtes Anliegen." Es werde noch einige Wochen dauern, bis die Reaktoren 3 und 4 des AKW Oi wieder Elektrizität erzeugten. Weiterhin müsse Strom gespart werden.
Zuvor hatten örtliche Behörden der Präfektur Fukui dem Neustart des AKW Oi zugestimmt. Der Gouverneur der Präfektur, Issei Nishikawa erklärte seine Entscheidung damit, daß so die Wirtschaft stabilisiert werde. Die staatliche Atomaufsicht bescheinigte dem Atomkraftwerk Oi ausreichende Sicherheit.
In den vergangenen Monaten wurde der Strom in Japan in thermischen Kraftwerken erzeugt, die wegen eines weit überdimensionierten Kraftwerksparks zur Verfügung stehen. Es besteht - ebenso wie im Falle eines realen Atom-Ausstiegs in Deutschland - keine Gefahr einer Versorgungslücke. Entscheidend sind aus wirtschaftlicher Sicht die reinen Betriebskosten, die im Falle von Kohle, Öl und Gas höher liegen als bei dem für Atomkraftwerke benötigten Uran. Daß Atomenergie unter Berücksichtigung der gesamten volkswirtschaftlichen Kosten die mit Abstand teuerste Form der Stromgewinnung ist, stört die Energie-Konzerne nicht im Geringsten, solange der weitaus größte Teil der Kosten der Gesellschaft aufgebürdet werden kann. Der Ausbau regenerativer Energien etwa wie Strom aus Solarzellen - in diesem Bereich war Japan viele Jahre führend - oder Windenergie wurde in Japan in den vergangenen drei Jahrzehnten rigoros blockiert.
Anmerkungen
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